Klaus Werner Hennig
Romeo und Julia in Jerusalem
Capriccios II
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Klaus Werner Hennig Romeo und Julia in Jerusalem Capriccios II Dieses ebook wurde erstellt bei
Romeo und Julia in Jerusalem
Selfie
Thema mit Variationen
Rache für Seitun
Waldhaus
Ein weiter Weg
Eine Anmache
Pfiffi
Reminiszenzen
Arbeitsmarkt
Lob der Langsamkeit
Lob der Schreibsamkeit
Ein kleines Dorf
Berliner Kreidemädchen
Jin und Sumi
Der Strandkorb in unserer Küche
Oberschicht
Unterschicht I
Wachstation
Das stinkend faule Schwein
Schneesturm am Heiligen Abend
Impressum neobooks
Romeo und Julia in Jerusalem
Es sollte der schönste Tag ihres Lebens werden. Maral hatte ihn lange herbeigesehnt. Seit Wochen fieberte sie dem Ereignis ihrer Hochzeit mit Mahmoud entgegen. Aber Mahmoud ist Muslim, sie jedoch Jüdin und beide leben sie, Gott sei ´s geklagt, in Israel.
Ein Islamist, jammerte der Vater der Braut, wie schrecklich, einen Islamisten dulden zu müssen. Maral, du süße Blüte im Garten meines Herzens, was tust du mir an?
Über alles geliebter Vater, du weißt wie sehr ich dich achte und ehre. Meine Liebe zu ihm, seine Liebe zu mir, seine Güte, seine Männlichkeit, sein Großmut, geben mir Verheißung für Glück. Verstehe bitte, wir wollen nicht unter deinem Dach leben. Hindernisse sind überwindbar. Du kennst mich. Mahmoud solltest du kennen lernen, an ihm halte ich fest. Und käme aus den Weiten des Weltalls einer von einem anderen Stern, und er wäre wie Mahmoud Mansour, der mich fragt, liebst du mich so wie ich dich, willst du meine Frau werden, ich würde ohne Bedenken mein Jawort ihm geben.
Aber, wandte die Mutter ein, muss es denn wirklich ein Goy und obendrein ein Araber sein? Wir sind Juden seit Olims Zeiten, nicht ultraorthodox, abgesehen von deinem Onkel Ephraim. Unsere Ahnen kamen weither über Spanien, Polen aus Kasachstan. Wir gehen zwar kaum in die Synagoge mehr, essen aber koscher, trinken koscheren Wein und haben uns entschieden, real Israelis in Israel zu sein. Wir denken liberal, lassen Araber ruhig Araber sein.
Vor allem in Arabien, wirft der Vater ein.
Das bedeutet für uns, mahnt die Mutter, in der Welt anders, nämlich auserwählt zu sein. Ich hoffe, du verstehst mich, sei nicht taub, mein Täubchen, werde nicht blind, du bleibst meine Tochter, bist unser Kind.
Ach Mutter, es ist nicht so, wie du meinst. Mahmoud isst auch kein Schweinefleisch, er ist anders, als ihr denkt. Er wäscht sich jeden Tag von Kopf bis Fuß, glaubt ja nicht, dass er stinkt. Ich habe ihn erwählt, wir sprechen weder von Jahwe noch von Allah, weder über die Thora noch vom Koran. Wir wollen einfach glücklich sein. Das ist doch normal.
Ich frage mich, was du überhaupt an ihm findest?
Er ist so einfühlsam, klug und gescheit. Ich möchte mich seiner Obhut gänzlich anvertrauen, in seine Gegebenheiten mich fügen, mit ihm gemeinsam ein Haus für uns und unsere Kinder bauen. Ist das nicht unser Recht? Wir leben in einem demokratischen Staat.
Judentum und Demokratie bilden die Fundamente unseres Staates, davon ist der Vater überzeugt.
Maral entgegnet in gebotener Demut, aber mit fester Stimme: Vater, nach Jahrtausenden gibt es im gelobten Land wieder einen jüdischen Staat. Mahmouds Ahnen lebten auch seit Olims Zeiten allhier.
Darüber kann man streiten.
Wieso müssen wir, die seit Jahrhunderten Vertriebenen, andere vertreiben oder strikt meiden? Ist nicht für beide Völker ausreichend Platz? Inniglich spüre ich, er mag mich sehr, er will mir wohl, ist gut zu mir. Ich liebe ihn. Ach Mütterchen, du sagtest doch immer, Liebe sei wie Religion. Ich versteh mich selber nicht mehr, verstehe du mich bitte, hilf mir zu meinem Glück!
Hast du dabei nur eine Sekunde an deinen Vater gedacht? Weißt du, wie ihm zumute ist. Die Leute, du weißt, wie die sind. Ist dir völlig egal, was die Nachbarn sagen?
Die tratschen eh schon über uns, Mütterchen, hast dich darüber häufig beklagt.
Aber die Schande halte ich nicht aus. Was meinen denn Mahmouds Eltern dazu?
Der Islam erlaubt einem Muslim, eine Nichtmuslima zu heiraten. Das hat mir Mahmoud im Beisein seines Imam gesagt. Warum sollte dann eine Jüdin einen Muslim nicht heiraten dürfen? Ich weiß, der Rabbi und Onkel Ephraim – den nennt ihr selber den Familien-Taliban – die sehen in jedem Nichtjuden einen Gottlosen, der das Judentum gefährden kann. All den Hass in unserem Land hab ich so satt. Darauf will ich mein Leben nicht bauen.
Du wirst zur Bürgerin zweiter Klasse, warnt die Mutter besorgt. Wovon wollt ihr leben?
Mahmoud hat studiert.
Als Araber wird er keine gut bezahlte Arbeit kriegen. Die Mutter weiß, wovon sie spricht, kennt den Trend staatlicher Gepflogenheiten, den herben Dünkel ihres Volkes.
Dein Leben, mein Kind, sagt der Vater mit Wärme, liegt uns sehr am Herzen. Aber ein sicheres Fundament im Leben kann nur gemeinsamer Glaube geben. Das ist so in der Welt und wird immer so bleiben.
Vater, sei unbesorgt, ich konvertiere zum Islam.
Die Eltern erbleichen, starren die Tochter verzweifelt an. Hast du denn gar keine Scham? Der Vater verbirgt sein Gesicht in den Händen.
Tu uns das bitte nicht an, denke an deine Kinder. Nach dem Talmud sind es Juden, nach der Scharia werden es Moslems sein!
Du selbst, Vater, hast mir die Ringparabel aus Lessings Nathan vorgelesen.
Fang jetzt nicht von den Deutschen an. Es langt, dass dein Bruder sein Studium hier abgebrochen und sich nach Berlin verkrümelt hat, sich geriert, als wäre er ins Paradies gelangt.
Und weshalb sollte ich Deutsch unbedingt lernen?
Nicht, um einen Araber zu ehelichen.
Und was ist mit der Freiheit des Menschen, die du mir so gepriesen hast?
Freiheit findest du im rechten Glauben, nichts anderes lehrte ich dich.
Die Mutter stöhnt: Ich muss den Stier bei den Hörnern packen.
Maral blickt trotzig die Mutter an, stößt hervor: Die Araber sind das Hornvieh in unserem Land, nur zu niedriger Dienstbarkeit zu gebrauchen.
Verliere nicht den Respekt vor deinen Eltern!
Versucht wenigstens vorurteilsfrei ihm gegenüber zu sein. Ich möchte meine Familie nicht verlieren. Ich will und werde euch keine Schande bereiten.
Entschlossen lenkt die Mutter ein: Wir bitten deinen Mahmoud mitsamt seinen Eltern zu uns zu Tisch. Berichte mir von ihnen, essen sie Fisch?
Maral umhalst die Mutter. Sie weiß, sie hat ein weites Herz. Mein Mahmoud ist ein junger Mann mit Zukunft allemal. Er hat IT-Technik studiert, promoviert und obwohl er Araber ist, eine Festanstellung als Programmierer in einem Software-Konzern. Er ist sportlich, elegant, von sich eingenommen und trotzdem so fürsorglich, einfühlsam, lieb. Du wirst ihn mögen. Fisch isst er gern.
Dürft ich erfahren, von wem die Rede ist? Maral, du blickst so schwärmerisch, hab ich gerade was verpasst? Onkel Ephraim war unbemerkt eingetreten. Jetzt ist Zoff angesagt. Die Brüder streiten häufig fürchterlich und haben sich immer wieder vertragen.
Die Rede ist von einem jungen Mann.
Soso und von Maral, da hab ich aber ein Wörtchen mitzureden. Sagt ich es euch nicht immer, unverheiratete Mädchen müssen strikt getrennt von jungen Männern sein, aber ihr jagt den Moden der Zivilisation hinterher, verlacht Jahwes Segen und dünkt euch, ihm durch Vorteil zu gefallen. Onkel Ibrahim schüttelt sein Haupt, dass ihm die Locken um die Ohren flattern. Er blickt scheel und herausfordernd seinen Bruder an. Hab ´s dir doch oft genug gesagt.
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