Wundern Sie sich bitte nicht, wenn nicht alle im Literaturverzeichnis aufgelistete Bücher im Text wiederzufinden sind. Manche dienten mir einfach als Anregungen für dieses Buch und für meine praktische Arbeit. Das ist ein weiteres Merkmal des hier vorlegenden Buches. Es ist kein theoretisches Fachbuch, sondern ein Praxisbuch.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Freude und therapeutische Erfolge! Ich hoffe, dass das Buch ein wenig dazu beitragen kann.
Wichtig ist mir auch, mich bei einigen Menschen zu bedanken, zuerst bei Frau Annika Grupp, aus der Lektoratsleitung Psychologie des Kohlhammer Verlages, die mich gefunden und mir damit ermöglicht hat, dieses Buch zu schreiben. Ein Dank geht wie immer auch an meine Familie, meinen Sohn Florian, mit dem ich über den Titel diskutiert habe und dem ich die Metapher vom Deus ex Machina verdanke. Ich bedanke mich bei meinem Sohn David, der die Formatierung übernommen und das Literaturverzeichnis auf wissenschaftlich korrekte Form gebracht hat. Besonders wichtig bei der Entstehung aller meiner Bücher ist mein Mann Jens, der nicht nur ein Supertalent im Korrekturlesen ist, sondern mir auch im Alltag dabei hilft, Zeit fürs Schreiben zu haben.
Noch eine Bemerkung zu meinem Gebrauch des grammatischen Geschlechts: Ich habe mich vorwiegend des Femininums bedient, sowohl bei Patient*innen als auch bei Therapeut*innen, weil das nicht nur das Schreiben und Lesen leichter macht, sondern auch die Realität der psychotherapeutischen Arbeit spiegelt.
Ich freue mich über Berichte, Hinweise und Anregungen, Sie können mich über meine Website www.angelika-rohwetter.de erreichen.
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Deus ex Machina – Schnelle Hilfen
Patientinnen erwarten oft schnelle Hilfe, insbesondere, wenn sie mit einem drängenden Problem im Rahmen einer Akuttherapie in die Praxis kommen. Leider gibt es keinen Knopf, auf den zu drücken bewirkt, dass es nicht mehr so wehtut. Und doch gibt es die eine oder andere Technik zur Beruhigung der aufgewühlten Seele. Hier führe ich manchmal den Deus ex Machina ein.
Übersetzt in eine klassische Metapher wünschen sich viele Patienten einen Deus ex Machina. Manche Situationen lassen sich schon dadurch beruhigen, dass ich diese antike Theaterfigur erwähne und erzähle, wer oder was das ist. Hier eine Beschreibung:
Der Deus ex Machina, also lateinisch für den Gott aus der Maschine, ist eine plötzlich auftauchende, machtvolle rettende Gestalt. Ursprünglich geht es um eine Figur aus dem griechischen Theater, die Menschen rettete oder Tote wieder ins Leben zurückholte. Diese Gestalt wurde mit Hilfe eines Kranes (also einer Maschine) auf die Bühne gesetzt. So konnten am Ende alle Verwirrungen aufgelöst, Unschuld bewiesen oder Ängste beschwichtigt werden – alles wurde gut. Heute nennt man das Happy End, und auch dieses wird in Filmen und Büchern oft durch einen Deus ex Machina herbeigeführt. So kommt in der letzten Sekunde ein Feuerwehrmann in das brennende Haus, um eine Geisel zu retten, vor Gericht tritt ein Überraschungszeuge auf usw. Nur bei den alten Griechen musste es tatsächlich immer eine Göttin oder ein Gott sein.
Es gibt eine solche Gestalt in Alkestis, einem Drama von Euripides. Dort ist es der Halbgott Herakles (Herkules), der Alkestis aus dem Totenreich zurückholt, nachdem sie für ihren Mann gestorben war. Es geht auch diesseits der Dramatik: In der Jugend-Kultserie Die drei Fragezeichen gibt es ebenfalls einen Deus ex Machina. Gegen Ende der meisten Folgen, wenn einer, zwei oder alle drei der jugendlichen Helden in Gefahr sind, taucht eine Gestalt auf und man hört einen erleichterten Seufzer: »Inspector Cotta!«
1.1 Die aktuelle Not beruhigen
Natürlich darf es auch mal heftig zugehen in einer Therapiesitzung: Starke Gefühle müssen sich ausdrücken dürfen, auch auf kindliche Art, durch Weinen oder (verbal) aggressiven Widerstand. Irgendwann muss dann die Basis für die gemeinsame Arbeit wiederhergestellt werden. Vor allem ist es mir wichtig, eine Sitzung möglichst nicht so zu beenden, dass der Patient in emotional aufgelöstem Zustand die Praxis verlässt – draußen tobt ja der gefährliche Straßenverkehr. Diese Regel hat unter anderem zur Konsequenz, dass ich mir angewöhnt habe, die Uhr genau im Auge zu behalten. Ich achte darauf, dass kurz vor Beendigung der Stunde kein neues, schmerzhaftes Thema angesprochen wird, fasse manchmal den bisherigen Verlauf der Sitzung kurz zusammen und entlasse den Patienten mit der Aussicht, dass wir an dieser Stelle in der nächsten Woche weiterarbeiten können.
Die folgenden Übungen sind im Wesentlichen dafür da, die Patientin, die Therapeutin und/oder die Situation zu beruhigen. Dabei entsteht immer auch Material für die gemeinsame Arbeit.
Anmerkung: Auch ein Witz kann entspannend und erleichternd wirken, entweder, weil wir uns darin erkennen – oder weil das Gehirn plötzlich mit etwas ganz anderem beschäftigt ist. An anderer Stelle (
Kap. 10.4
Witze als Deus ex Machina) finden Sie einige Beispiel dazu.
Übung: Einen Retter (er)finden
Nachdem der Deus ex Machina erklärt ist, können Sie mit Ihrer Patientin nach deren persönlichem Retter fahnden: »In welchem Unglück hätten Sie eine starke Hilfe gebraucht und wer hätte das sein sollen?« Hier bauen Sie ein Hilfs-Ich auf, das in aktuellen Konfliktsituationen, Krisen und bei anstehenden Aufgaben ängstlichen Menschen hilfreich zur Seite stehen kann. Ich weiß von vielen meiner Patientinnen, dass sie sich in Krisensituationen fragen: »Was würde Frau Rohwetter dazu sagen?« Und so finden sie eine Antwort, die natürlich aus ihnen selbst kommt.
Die Arbeit kann dann längerfristig fortgesetzt werden, um eine hilfreiche Instanz zu internalisieren und zu stabilisieren. Mehr zur Arbeit mit inneren Instanzen finden Sie im
Kap. 4
Wollen wir das mal spielen?.
Dies ist eine wichtige Technik, um Distanz zu Gefühlen und Erinnerungen zu bekommen. Der – durchaus variierbare – Ablauf ist folgender:
1. Die Patientin ist voll in ihrem Gefühl, ihrer Erinnerung. Immer wieder ist sie damit so identifiziert, als würde das alles gerade geschehen. (Hier erkläre ich manchmal das Phänomen der selbst-induzierten Retraumatisierung.) Ich frage die Patientin: Auf einer Skala von 1 bis 10, wie stark ist jetzt das Gefühl? (1 = nicht vorhanden, 10 = so schlimm, dass ich am liebsten sterben würde). Hinweis: Wählen Sie für die Übung kein Erlebnis, das auf dieser Skala einen Wert von 9 oder zehn hat. In diesem Fall kann die Übung vom sicheren Ort eingeschoben werden. (
Kap. 7
Was wäre, wenn… – Gedankenspiele)
2. Sie bitten die Patientin, die schlimme Situation noch einmal zu erzählen, aber so, als sei sie selbst nicht beteiligt, sondern Beobachterin gewesen. Sie erzählt also in der dritten Person, berichtet von dem Kind von damals, dem Kind, das sie einmal waren und das das Schreckliche erlitten hat.
3. Erneute Überprüfung auf der Skala – in der Regel ist der Wert deutlich gesunken.
Eine ausführliche Beschreibung und Einordnung der Beobachter-Übung finden Sie in
Kap. 4
Wollen wir das mal spielen?.
1.2 Ganz entspannt im Hier und Jetzt
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