Wenn nichts ist, wie es scheint
Angelika Godau
Dirk-Laker-Verlag
www.dilav.de
eBook-Ausgabe
Originalausgabe
Veröffentlicht im Dirk-Laker-Verlag
Dirk Laker, Bielefeld 2021
© by Angelika Godau
Lektorat: Dirk Laker
Danksagung
Menke recherchiert im Jahr 2019. Noch trägt niemand eine Maske oder hält Abstand. Ich bin ganz neu in Zweibrücken und kenne noch nicht viele Menschen. Umso dankbarer bin ich den wenigen, die ich kennenlerne, dass Sie mir ihre Einwilligung geben, sie in diesem 5. Menke-Band agieren zu lassen. Nur ihre Namen, denn ihr Handeln ist natürlich rein fiktiv und ausschließlich meiner Fantasie entsprungen. Auch erwähnte Örtlichkeiten musste ich hier und da ein bisschen verfälschen.
Da ich mir sehr viel Mühe gebe, Logikfehler in meinen Büchern zu vermeiden, lasse ich mich immer von Experten beraten. Egal, ob es sich um einen Polizeieinsatz, die örtlichen Hierarchien oder die Arbeit in einer Tierarztpraxis handelt.
Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei:
Anke Meeuw, Tierärztin
Irene Köcher–Stumpf, Tierärztin
Bernhard Benz, Polizeiarbeit und Zuständigkeiten
Dunja Hermann und Sabine Klein, Korrekturlesen und Ideenschmiede
Meinem Ehemann, Uli Godau, für Aufzehenspitzenlaufen, wenn ich an einer Formulierung gefeilt habe.
Auch den erwähnten Gastronomen und Hoteliers meinen Dank für die Einwilligung, sie in meine Story einbauen zu dürfen.
Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß mit Menke in Zweibrücken.
PROLOG
Verstohlen schaute er sich um, bevor er eines der sorgfältig präparierten Fleischbällchen aus der Tasche zog, um es hinter einem Baum zu deponieren. Für Menschen fast unsichtbar, aber für Hundenasen keine Herausforderung. Ein Tier würde den Leckerbissen finden und gierig verschlucken, so wie es seiner Natur entsprach . Happs und weg lacht er, drehte sich aber sofort erschrocken um. Erleichtert atmete er auf, als er niemanden sah, der seine Worte hätte hören können.
Er war allein an diesem frühen Sonntagmorgen. Das Landesgestüt lag in tiefer Stille, noch ruhten die Pferde und kein Wiehern drang durch die geschlossenen Türen nach außen. Auch von den lärmenden Saatkrähen war nichts zu hören. Sie schliefen ruhig in ihren Nestern, hoch oben in den Kronen der mächtigen Platanen. Erst kurz nach Sonnenaufgang würden sie, als hätten alle auf ein Zeichen gewartet, zusammen unter lautem Gekrächze auffliegen und als schwarze Wolken den Himmel verdecken. Wo sie die Tage verbrachten, blieb ihr Geheimnis, aber sie kehrten tagein tagaus kurz vor Einbruch der Dämmerung wieder zurück. Hunderte von schwarzen Vögeln schafften es innerhalb von Minuten, ihr Stammnest zu finden und zur Ruhe zu kommen. Jetzt, zu dieser frühen Stunde, ließ nur der Schwarzbach ab und an ein gurgelndes Geräusch hören, fast wie ein Kichern, ansonsten nichts als Stille und Frieden.
Nicht mehr lange , dachte er, dann wird sich das ändern , griff erneut in seine Tasche und legte ein weiteres Fleischstück ganz nah an einem Baum ab. Mit der Vorbereitung hatte er sich große Mühe gegeben, Cuttermesser, Krampen, kleine Nägel und spitze Glasscherben vorbereitet und sortiert. Nun steckte in jedem der Häppchen etwas davon und würde seinen Zweck nicht verfehlen. Egal, ob der Hund den Leckerbissen im Ganzen runterschlucken oder vorher zerkauen würde, am Ende brauchte sein Halter den Tierarzt. Nur der konnte röntgen, endoskopieren, operieren, und versuchen mit seinem ganzen Können das Leben des Tieres zu retten.
Natürlich war sein Tun nicht unbemerkt geblieben und man wusste längst, dass in Zweibrücken jemand Köder auslegte. Es war schon angezeigt worden und auch die Presse hatte ausführlich darüber berichtet. Noch war er ein Phantom, wurde als Hundehasser dargestellt, als Psycho, dem es Freude machte, Leid über Mensch und Tier zu bringen. Das hatte ihn geärgert, weil es Unsinn war. Ihm ging es überhaupt nicht um die Hunde, und auch ihre Halter waren ihm gleichgültig. Trotzdem musste er auf der Hut sein, denn sollte man ihn erwischen, würde das üble Folgen für ihn haben, vielleicht sogar sein Leben in Gefahr bringen. Wie sollte er einer aufgebrachten Menge erklären, dass er so hatte handeln müssen. Wer würde verstehen, dass diese Frau Strafe verdient hatte, und die Hunde nur Mittel zum Zweck waren. Und selbst wenn, diese Welt war komisch, vielleicht sogar verrückt, denn verletzte jemand ein Haustier, einen Hund oder eine Katze, war das unverzeihlich. Bei Rindern oder Schweinen sahen die Menschen das weniger eng, deren Leid kümmerte sie kaum. Erst Eddy hatte ihm darüber die Augen geöffnet, und seither aß er kein Fleisch mehr. Eddy hatte ihm erklärt, dass die Menschen kein Recht hatten, ihre Mitgeschöpfe zu töten, um sie zu essen. Eddy hatte aus ihm einen besseren, einen besonderen Menschen gemacht. Dass ausgerechnet er nun Tiere leiden lassen musste, war für ihn ein Widerspruch gewesen, er wollte es nicht, und wäre froh gewesen, einen anderen Weg zu finden, aber es gab keinen. Das hatte er lange nicht verstehen können und es hatte heftige Diskussionen darüber gegeben. Am Ende hatte er Eddy aber zustimmen müssen.
Als er den Herzogplatz erreichte, wandte er sich nach rechts, ging über die kleine Brücke, vorbei am Bismarckdenkmal, dass seit über 120 Jahren Wind und Wetter, zwei Weltkriegen und Umquartierungen trotzte und gerade wieder einmal die Gemüter der Bevölkerung erhitzte. Er nickte dem Patina-bedeckten, ehemaligen Reichskanzler zu, weil er sich ihm auf eine seltsame Art verbunden fühlte. Er war wie Bismarck, der seine Ziele gegen alle Widerstände durchzusetzen gewusst hatte. Schnell und ohne sich noch einmal umzuschauen ging er über die Gestütsallee zurück zum Parkplatz gegenüber der Festhalle. Es war gerade 05.10 Uhr und damit höchste Zeit, zu verschwinden.
-1-
Ich schlug die Augen auf und hatte für einen Moment keinen Plan, wo ich war. Die Sonne fiel durchs Fenster und ein Blick auf mein Smartphone zeigte mir, dass es erst sechs Uhr war. Sechs Uhr morgens, Sonntagmorgens. Ich ließ mich stöhnend in die Kissen zurückfallen, um weiterzuschlafen, hatte aber die Rechnung ohne Alli gemacht. Alli, mein Dackel mit dem Herzen eines Löwen, den mir vor drei Jahren eine Exfreundin geschenkt hatte. Mit vollem Namen hieß er Alligator vom Trifels, und sein Stammbaum war lang und eindrucksvoll. Ansonsten war er eben ein Dackel: Charmant, stur, verfressen und zur Selbstüberschätzung neigend. Meine Ex hatte behauptet, er sei wie ich, nur darum habe sie ihn gekauft. Nicht nur wegen dieser Behauptung war ich damals wenig begeistert über das Geschenk gewesen, aber Alli wäre ja kein Dackel, hätte er es nicht in Windeseile geschafft, mich um alle vier Pfoten zu wickeln. Jetzt konnte ich mir ein Leben ohne diesen Hund überhaupt nicht mehr vorstellen, ganz abgesehen davon, dass er mir schon aus vielen brenzligen Situationen herausgeholfen hatte.
Wer mich noch nicht kennt, ich bin Detlev Menke, Winzersohn aus Herxheim, Porschefahrer, Dackelbesitzer und Privatdetektiv im schönen Bad Dürkheim. Momentan befand ich mich in Zweibrücken, der Herzogstadt an der Grenze zum Saarland. Eine alte Schulfreundin hatte mich um Hilfe gebeten und ich war dieser Bitte aus mehreren Gründen gern nachgekommen. Zum einen war ich in Dürkheim mittlerweile bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund, was für einen privaten Ermittler nicht immer vorteilhaft ist. Zum anderen hatte ich einen heftigen Streit mit meiner ebenso schönen wie klugen Freundin, der taffen Oberkommissarin Tabea Kühn, gehabt. Dass wir uns stritten war nicht ungewöhnlich, aber dieses Mal war es ernst, das konnte nicht einmal ich übersehen. Sie hatte mir vorgeworfen, ihr die Luft zum Atmen zu nehmen, sie zu vereinnahmen, zu bevormunden und noch einiges mehr. Ich fühlte mich ungerecht behandelt und wehrte mich heftig, unterstellte ihr Karrieregeilheit und Emanzengehabe. Als mir aufging, dass ich ein weiteres Mal über jedes Maß hinausgeschossen war, war sie weg. Sie hatte nicht einmal die Tür geknallt, sondern langsam und leise hinter sich ins Schloss gezogen. Das war kein gutes Zeichen und die WhatsApp, die sie mir am nächsten Morgen schickte, bestätigte alle meine Befürchtungen. Sie ließ mich wissen, dass sie nicht bereit sei, unsere Beziehung so weiterzuführen. Ich sei nicht kritikfähig, hätte mein Machoverhalten nicht abgelegt und daher brauche sie erst einmal Abstand, und zwar eine ganze Weile. Ich solle die Zeit nutzen, über ihre Worte nachzudenken.
Читать дальше