Zu knapp sollten Sie Reichweiten-Berechnungen deshalb nicht machen! Bedenken Sie, dass auch die im WLTP-Verfahren ermittelten Reichweiten zwar realistisch erreichbar sind, aber dennoch nur unter relativ günstigen Bedingungen. Vor allem im Winter braucht Ihr Wagen zusätzliche Energie für die Heizung und der Akku ist durch die Kälte weniger leistungsfähig. Unter Umständen gehen Ihnen dann rund 30 Prozent der Reichweite verloren.
Beispielrechnung: Der Hersteller gibt nach WLTP eine Reichweite von 230 Kilometern an. Im Winter dürfte sie bei etwa 160 Kilometern liegen. Mit einem Sicherheitspuffer können Sie also davon ausgehen, dass Sie einen Arbeitgeber in 70 Kilometern Entfernung und Ihren Heimathafen zum Feierabend auch erreichen.
Gönnen Sie sich bei Ihrer persönlichen Reichweitenberechnung einen Sicherheitspuffer von weiteren zehn Prozent, damit Sie nicht ins Schwitzen kommen! Um herauszufinden, ob es wirklich reicht, machen Sie am besten eine Probefahrt im Winter auf Ihrer Hausstrecke.
Apropos WLTP-Reichweiten: Diese werden in einem Mix aus verschiedenen Geschwindigkeiten ermittelt. Wenn Sie aber hauptsächlich auf der Autobahn unterwegs sind und das gern auch sehr zügig, dann reduziert sich die mögliche Reichweite stark. Physikalisch ausgedrückt: Für die doppelte Geschwindigkeit ist viermal so viel Energie zur Überwindung des Luftwiderstands erforderlich – dauerhaft Tempo 160 statt 80 dürfte die Reichweite mehr als halbieren. Dieses sollten Sie beim persönlichen Reichweitenbedarf berücksichtigen – oder Ihren Fahrstil ändern.
»3,7 Sekunden von null auf hundert … Damit hängt man jeden Porsche ab.«
Craig Davies, Tesla-Verkaufschef
Die Reichweiten Ihrer Traumautos sind zu gering, um über den ganzen Tag zu kommen? Dann halten Sie Ausschau nach Lademöglichkeiten an den Orten, wo Sie für gewöhnlich länger stehen – zum Beispiel direkt am Arbeitsplatz oder in der dortigen Nähe (wie Sie öffentliche Ladesäulen leicht ausfindig machen, erfahren Sie in Teil III»Rund ums Laden«). Dann bräuchte die Reichweite Ihres künftigen E-Autos vielleicht gar nicht so groß auszufallen.
Öffentliche Ladesäulen werden Sie in der Regel nicht die ganze Arbeitszeit belegen können. Meistens ist die Standzeit dort auf ein paar Stunden beschränkt – aus gutem Grund: damit sie nicht unnötig lange blockiert werden mit Autos, die schon längst vollgeladen sind. Das heißt jedoch für Sie: Sie müssen zwischendurch zum Auto zurücklaufen und umparken.
Notfalls könnten Sie auch eine Schnellladestation auf dem Hin- oder Rückweg ansteuern, die auf der Strecke liegt. Allerdings verlängert sich damit Ihr täglicher Arbeitsweg um die entsprechend nötige Ladezeit. Das lässt sich verkraften, wenn Sie dabei bereits einen Teil Ihrer Arbeit erledigen können – zum Beispiel Mails lesen und beantworten.
Achten Sie beim Kauf eines E-Autos dann darauf, dass es auch die Möglichkeit zum schnellen Gleichstromladen (DC) hat. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt tummeln sich noch etliche Wagen, die ausschließlich langsamen Wechselstrom (AC) laden können. Empfehlenswert ist im deutschsprachigen Raum eine sogenannte CCS-Ladesteckdose, mit einer Chademo-Ladesteckdose werden Sie wesentlich weniger Ladesäulen finden. Zu den Details bei den verschiedenen Ladesteckern kommen wir in Kapitel 8 »Strom, die unsichtbare Energie«, Abschnitt »Es gibt vier standardisierte Stecker« .
Bei Kauf eines E-Autos ist auch entscheidend, ob und wie Sie zu Hause laden können. Wir wollen ehrlich sein: Ganz ohne Strom an einem eigenen Stellplatz und nur in Abhängigkeit von öffentlichen Ladesäulen ist das Projekt E-Auto ein schwieriges Unterfangen. Denn dort finden bei den meisten E-Auto-Besitzern die meisten Ladevorgänge statt – dort ist Strom auf Dauer am günstigsten, dort trifft man nicht auf besetzte Ladesäulen oder gar Blockierer. Die Situation lässt sich akzeptieren, wenn Sie zum Beispiel ohne Probleme immer am Arbeitsplatz laden können – dann brauchen Sie öffentlichen Strom nur auf gelegentlichen Langstrecken.
Wohnen Sie zur Miete oder haben eine Eigentumswohnung in einem Mehrparteienhaus und haben einen Stellplatz? Dann haben Sie das Recht auf eine Ladestation für Ihr E-Auto. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat die Bundesregierung im September 2020 beschlossen. Die Kosten müssen Sie allerdings selbst beziehungsweise mittragen. Und: Kümmern Sie sich rechtzeitig darum, bevor das E-Auto auf dem Hof steht! Mehr dazu erfahren Sie im Kapitel11 unter »Gesetzlich verankert: das Recht auf eine Wallbox« .
Die Auswahl an E-Fahrzeugen wächst stetig, aber sie ist (noch) nicht unendlich. Insbesondere SUVs stehen bei fast allen Anbietern auf der Angebotsliste – Kombis oder Familienvans suchte man Anfang dieses Jahrzehnts noch vergeblich. Der Wunsch nach solchen Fahrzeugen kann die Auswahl schon stark einschränken. Allerdings kann eine Probefahrt auch überraschen: Weil im Frontbereich kein Motorblock viel Platz einnimmt, sind die Innenräume von Fahrzeugen auf reinen E-Plattformen häufig großzügiger als bei Verbrennern.
Einen aktuellen Überblick über verfügbare Modelle bieten Ihnen Websites wie www.ecomento.de
, www.e-stations.de
, efahrer.chip.de
oder www.e-autos.de
.
Abbildung 2.1: Fahrzeuge wie der Smart Fortwo – hier eine Designstudie des EQ Fortwo – sind keine Raumwunder und eher als kleine Stadtflitzer konzipiert.
Quelle: Silberstein nach Vorlage von Matti Blume, CC-Lizenz
Bei vielen Autofahrern passt ein E-Auto perfekt zum alltäglichen Fahrprofil – bis auf die Urlaubszeit. Wer sich darüber mit Verteidigern der Benzinfraktion unterhält, bekommt den Eindruck, die Deutschen rauschen alle innerhalb von zehn Stunden vom kühlen Norden bis in die Südspitze Italiens oder nach Andalusien und halten nur alle 1000 Kilometer kurz an, um in zehn Minuten vollzutanken. Wirklich?
Ganz so schlimm ist es nicht, aber nahe dran. Es klingt ungesund, was die Deutschen hinter dem Steuer treiben, wenn sie sich erholen wollen: Bei einer Umfrage des Onlineportals AutoScout24.de und des Marktforschungsinstituts Innofact 2020 gaben die Männer im Schnitt an, auch schon mal fünf Stunden und mehr am Stück zu fahren. Bei den Frauen lag die Ausnahmezeit bei 4,2 Stunden. Allerdings gaben zumindest 24 Prozent der Autofahrerinnen an, dass ihre längste Fahrt ohne Pause nicht länger als zwei Stunden betrug. Bei den Männern waren es nur acht Prozent.
Wahr ist aber auch: Ein Dauer-Galopp über lange Strecken, der nur von zehnminütigen Tankstopps unterbrochen ist – sofern man das unbedingt will und körperlich kann –, ist mit E-Autos derzeit nicht zu leisten. Noch ist die Faustregel, dass Elektrokutschen im Reichweitenrhythmus – also gegebenenfalls alle 200 bis 400 Kilometer – eine 30- bis 60-minütige Ladepause brauchen. Die Gesamtfahrtzeit ist entsprechend länger als mit einem Verbrenner. Und: Je stärker Sie auf die Tube drücken, umso öfter müssen Sie auch zwischenladen. Das ist ein Knackpunkt, den manche Auto-Urlauber für unerträglich halten, auch wenn der Urlaub nur einmal im Jahr stattfindet. Andererseits gibt es genügend Menschen, die mit dieser Art des Reisens überhaupt kein Problem haben, im Gegenteil.
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