125
Welche der hier dargestellten Prüfungshandlungen sich für die einzelnen Maßnahmen und Prozesse eignet, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Insbesondere sollte sich der Prüfer die Komplexität der Kontrollhandlungsowie die Folgen des Kontrollversagensvor Augen führen. Bei anspruchsvollen Kontrollen wäre z.B. wahrscheinlich ein Nachvollzug (d.h. eine eigene Wiederholung der Prüfungshandlung) angemessen. Bei einfachen Aktivitäten kann die bloße Einsichtnahme in die dokumentierte Kontrolle ausreichend sein. Mittels dieser Prüfungshandlungen kann durch den CMS-Prüfer festgestellt werden, ob die als angemessen eingeschätzten Maßnahmen und Prozesse auch so umgesetzt, d.h. im Unternehmen gelebt, werden. Wie im Rahmen einer risikoorientierten und effizienten Prüfungüblich, kann eine solche Prüfung der Prozesse und Maßnahmen in den meisten Fällen nur stichprobenartigerfolgen. Dabei sind insbesondere der Stichprobenumfangsowie die zeitliche Streuung der Stichprobenelementezu bestimmen.
126
Während einzelne Aussagen in der Compliance Beschreibung aussageorientiert prüfbar sind (z.B. das Vorliegen eines Code of Conduct), entziehen sich andere dargestellte Maßnahmen und Prozesse hingegen aufgrund ihrer hohen Transaktionszahl einer solchen vollständigen Überprüfung (z.B. Vier-Augen-Prinzip oder das Einhalten von Unterschriftenregelungen). Hier stellt sich die Frage, nach welcher Vorgabe eine Stichprobenauswahl zu erfolgen hat. Der CMS-Prüfer wird den Stichprobenumfangso festlegen, dass er auf Basis der ausgewählten Elemente eine hinreichende Sicherheit bzgl. der Aussage über die Wirksamkeit der Einzelmaßnahme treffen kann. Auf Basis anerkannter internationaler Prüfungsgrundsätze (vgl. International Standard on Auditing ISA 530) hängt der Stichprobenumfang im Wesentlichen davon ab, wie häufig eine entsprechende Kontrolle durchgeführt wird, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Kontrollversagens und wie materiell das hierdurch adressierte Risiko ist.
127
Die Wirksamkeitsprüfung ist immer zeitraumbezogen, d.h. der CMS-Prüfer stellt sicher und bescheinigt, dass die Maßnahmen und Prozesse innerhalb eines fest definierten Zeitraums wirksam waren. Als Folge dessen sind die ausgewählten Stichprobenelemente so zu wählen, dass sie eine verlässliche Aussage über den gesamten Prüfungszeitraum zulassen. Im Falle von Einsichtnahmen in Unterlagen kann dies auch zum Ende des Prüfungszeitraums durch eine entsprechende Auswahl von Sachverhalten und Transaktionen aus Vormonaten erfolgen. Bei Interviews und Beobachtungen sind jedoch Prüfungshandlungen aufgrund der Natur der Prüfungshandlung auch schon innerhalb des zu prüfenden Zeitraums unerlässlich.
128
Grundsätzlich gilt, dass sich der CMS-Prüfer bei der Entscheidung über Art und Umfang der Prüfungshandlungenan den allgemeinen berufsrechtlichen Anforderungen orientiert, die zum Teil durch Kriterien im Prüfungsstandard konkretisiert werden. Keinesfalls kann es als Aufgabe von IDW PS 980 verstanden werden, eine vollumfängliche Beschreibung der Prüfungshandlungen zu liefern. Vielmehr setzt er einen Rahmen, innerhalb dessen der CMS-Prüfer ein der Unternehmensgröße, der Branche, der inneren Struktur, der geographischen Tätigkeit sowie der Aufbau- und Ablauforganisation sowie dem Teilbereich angemessenes Prüfprogramm individuellentwickelt.[11]
129
Der Prüfungsstandard richtet sich an Wirtschaftsprüfer und ist somit immer im Kontext mit den bereits existierenden allgemeinen Grundsätzen der Prüfungzu sehen. Konkretisierende Prüfungshandlungen und Grundsätze finden sich somit in den deutschen Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer sowie in den internationalen Prüfungsstandards. Hierin finden sich anerkannte Prüfungstechniken und -methoden, die eine ausreichende theoretische und praktische Fundierung der Prüfung sicherstellen.[12]
4. Grenzen der Wirksamkeitsprüfung
130
Die Wirksamkeitsprüfung (mit ihren beiden Vorstufen der Konzeptions- und Angemessenheits- bzw. Implementierungsprüfung) in der hier dargestellten Form kann nicht als Nachweis dafür gelten, dass Verstöße im Unternehmen vollständig verhindert werden. Zum einen arbeitet der CMS Prüfer in der Regel mit stichprobenartigen Prüfungen der identifizierten Prozesse und Maßnahmen. Zwar wird durch die bewusste und sorgfältige Bestimmung des Stichprobenumfangs eine hohe Wahrscheinlichkeit erzielt, jedoch liegt einer solchen Auswahl immer das Risiko zugrunde, dass Kontrollversagen in der gezogenen Stichprobe nicht identifiziert wird. Darüber hinaus scheitern alle internen Kontrollsysteme, und so auch das CMS, immanent im Falle des sog. „ management override“, wenn durch Vorgesetzte eine eingerichtete Kontrolle durch Ausübung von Druck außer Kraft gesetzt wird. Zwar liefert gerade das CMS durch Instrumente wie das Hinweisgebersystem die Möglichkeit, diese Fälle anonym zu kommunizieren. Eine Umgehung ist dennoch nicht vollumfänglich auszuschließen.
131
Weiterhin stellt auch die Kollusion, d.h. das Zusammenwirken von zwei oder mehr Mitarbeitern im Unternehmen immer das Risiko dar, dass Kontrollen, wie z.B. das Vier-Augen-Prinzip, mit krimineller Energie nicht effektiv sind. Abschließend ist aus der geprüften Wirksamkeit des CMS innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht abzuleiten, ob es in der Vergangenheit (d.h. vor Beginn des Wirksamkeitszeitraums) sowie in der Zukunft (also nach Ende des Wirksamkeitszeitraums) auch wirksam war bzw. sein wird. Aus diesen Einschränkungen ist nicht abzuleiten, dass eine Wirksamkeitsprüfung zu keiner verwertbaren Aussage kommen kann: Der Prüfungsstandard selber weist in Tz. A12 („…auch ein ansonsten wirksames CMS unterliegt systemimmanenten Grenzen…“) und Tz. 18 („…sodass möglicherweise auch wesentliche Regelverstöße auftreten können, ohne systemseitig verhindert oder aufgedeckt zu werden…“) auf diese Begrenzungenhin. Somit ist das Vorliegen von Verstößen auch bei einem wirksamen CMS möglich und nicht per Definition ein Zeichen für dessen Versagen.
[1]
Vgl. IDW PS 980 Tz. 14.
[2]
Vgl. IDW PS 980 Tz. 15.
[3]
Vgl. IDW PS 980 Tz. A31.
[4]
PCAOB Auditing Standard 5 Tz. 42.
[5]
Rieder/Jerg CCZ 2010, 205.
[6]
Vgl. IDW Prüfungsstandard: Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken und Reaktionen des Abschlussprüfers auf die beurteilten Fehlerrisiken (IDW PS 261) Tz. 61.
[7]
§ 23a der Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer – BS WP/vBP)
[8]
Vgl. IDW PS 980 Tz. 14.
[9]
PCAOB Auditing Standard 5 Tz. 44.
[10]
Vgl. IDW Prüfungsstandard: Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken und Reaktionen des Abschlussprüfers auf die beurteilten Fehlerrisiken (IDW PS 261) Tz. 73.
[11]
Vgl. Gelhausen/Wermelt CCZ 2010, 209 f.
[12]
So durchgängig Withus/Hein CCZ 2011, 125 ff.
3. Kapitel Compliance-Organisation in der Praxis› B. Die Prüfung von Compliance Management-Systemen nach IDW PS 980› V. Warum – Gründe für eine Prüfung
V. Warum – Gründe für eine Prüfung
132
Für die freiwillige Prüfung des CMS lassen sich verschiedene Gründe anführen:
Читать дальше