45
Bzgl der Hinzurechnungsbesteuerung ist insbesondere auf den Aktionspunkt 3 des BEPS-Projekts der OECD hinzuweisen. Hierzu ist zu bemerken, dass Deutschland die dort genannten Vorgaben in den §§ 7 ff AStGbereits umgesetzt hat. Aus hiesiger Sicht besteht daher insoweit kein Handlungsbedarf, im Gegenteil: Nach den Vorstellungen der OECD müsste eigentlich die Grenze für die Niedrigbesteuerung in § 8 Abs 3 AStG auf 15 % herabgesetzt werden, um sie dem inl KSt-Satz anzugleichen.
46
Für einen Paukenschlag des BFH sorgte indes das Urt v 11.3.2015:[60] Der Gewerbeertrag eines inländischen Unternehmens ist nach Ansicht des BFH gem § 9 Nr 3 GewStG um den sog Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs 1 S 1 AStGzu kürzen. Das Urt ist vorteilhaft für die inländische Steuerpflichtige, die Anteile an Zwischengesellschaften in einem inländischen BV halten, aber gleichwohl systematisch verfehlt: Wird der Hinzurechnungsbetrag bei einem inländischen Gewerbebetrieb angesetzt, so geht er als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 10 Abs 2 S 2 AStG) wegen § 7 S 1 GewStG auch in den Gewerbeertrag ein. Der Hinzurechnungsbetrag ist mit allen Konsequenzen wie eine Dividende zu besteuern. Als Kürzungsvorschrift kommen daher allein § 9 Nr 7 und § 9 Nr 8 GewStG in Betracht. Sofern deren Voraussetzungen im Einzelfall nicht vorliegen, muss als Resultat festgehalten werden, dass der Hinzurechnungsbetrag im Grundsatz ohne Begünstigungen der vollen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerpflicht unterliegt. § 9 Nr 3 GewStG ist nicht einschlägig, weil es sich bei dem Hinzurechnungsbetrag nicht um einen originären Betriebsstättenertrag handelt. Zudem setzt die Vorschrift richtigerweise voraus, dass die ausl Betriebsstätte auch eine solche des inländischen Gewerbebetriebs sein muss. Dieses Ergebnis entspr auch dem Willen des Gesetzgebers. Ebenso wie der Hinzurechnungsbetrag – hier allerdings aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung – nicht der Begünstigung nach § 8b KStG unterliegt, soll er als „Strafbesteuerung“ zusätzlich auch der Gewerbesteuer unterworfen werden. Gerade deshalb wirkt die Hinzurechnungsbesteuerung in der Praxis so erfolgreich prohibitiv, und gerade deshalb waren StPfl stets gut beraten, bei Zweifeln über die „aktive Tätigkeit“ iSd § 8 Abs 1 AStGauf ausl Betriebsstätten statt Tochtergesellschaften auszuweichen.
47
Aus Kreisen der FinVerw ist immer noch verschiedentlich zu hören, dass das AStG nicht nur umfassend reformiert, sondern im Gegenteil regelungstechnisch ausgebautwerden und damit in seiner praktischen Bedeutung noch steigen soll. Einzelheiten sind aber noch nicht bekannt geworden. Gerüchten zufolge soll allerdings in einem „BEPS-Umsetzungsgesetz“ die Grenze für die Niedrigbesteuerung in § 8 Abs 3 AStG auf 15 % abgesenkt werden. Auch hierzu sind Einzelheiten aber noch nicht bekannt geworden.
[1]
BMF BStBl I 2004, Sondernr 1, Tz 0.
[2]
Blümich Vorb § 1 AStG Rn 25 ff; F/W/B/S Vor §§ 7–14 AStG Rn 1 f.
[3]
Vgl nur BMF BStBl I 1965, 74 (sog Oasenerlass).
[4]
BGBl I 1972, 1713.
[5]
BGBl I 2014, 2417.
[6]
Blümich Vorb § 1 AStG Rn 31 (Gesetz gilt als „unreformierbar“).
[7]
BGBl I 2007, 1912.
[8]
BGBl I 2007, 3150.
[9]
Dazu Wassermeyer/Schönfeld IStR 2008, 496.
[10]
BFH IStR 2015, 444 ff.
[11]
Zum Ganzen S/K/K Vor §§ 7–14 AStG Rn 1 ff.
[12]
Burmester S 55, 66 ff: „subjektive Einkunftsverlagerung“.
[13]
BFH BStBl II 1983, 272; BStBl II 1988, 942; BFH/NV 1997, 462.
[14]
Zum Ganzen Blümich Vorb § 1 AStG Rn 1.
[15]
Drastisch Selling IStR 2000, 226, 231: „schwere Arteriosklerose“.
[16]
Wassermeyer EuZW 2000, 531.
[17]
BGBl I 2006, 2782.
[18]
Blümich Vorb § 1 AStG Rn 31.
[19]
Zum Begriff Blümich Vorb § 1 AStG Rn 3.
[20]
1990 wurden ca 60 % des gesamten Welthandels dem konzerninternen Handel multinationaler Unternehmen zugeschrieben, vgl Boos/Rehkugler/Tucha DB 2000, 2389. Diese Entwicklung dürfte sich inzwischen weiter verstärkt haben.
[21]
BGBl I 2007, 3150.
[22]
Die Vorschrift ist jedenfalls in geltenden Fassung mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar, vgl zuletzt BFH BFH/NV 2009, 2047 ff., Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 23.9.2008, BStBl II 2009, 524.
[23]
Für eine jüngere Bestandsaufnahme vgl Dörfler/Ribbrock BB 2008, 304.
[24]
Zum „Durchleiten“ von inländischen Einkünften durch eine ausl Basisgesellschaft als Gestaltungsmissbrauch Renger BB 2008, 1379.
[25]
Krit F/W/B/S Vor §§ 7–14 AStG Rn 22 ff.
[26]
S/K/K Vor §§ 7–14 AStG Rn 8; F/W/B/S Vor §§ 7–14 AStG Rn 35.
[27]
Lehner StuW 1998, 158 mwN.
[28]
Dazu historisch S/K/K Vor §§ 7–14 AStG Rn 7; F/W/B/S Vor §§ 7–14 AStG Rn 31.
[29]
Zum Ganzen F/W/B/S Vor §§ 7–14 AStG Rn 40.
[30]
Kellersmann/Treisch S 89.
[31]
Zum Steuerwettbewerb in der EU Seer IWB 2006/7 Fach 11, Gruppe 2, 725.
[32]
S das beim BVerfG anhängige Verfahren 2 BvL 1/12.
[33]
BMF BStBl I 2004, Sondernr 1, Tz 2.0.2.
[34]
BFH/NV 2009, 2047 ff.
[35]
S/K/K Vor §§ 7–14 AStG Rn 66 ff.
[36]
Vgl den Überblick bei Kessler/Spengel DB 2008, Beil 2 Heft 9; vgl auch S/K/K § 1 AStG Rn 28 f.
[37]
Eingehend F/W/B/S Vor §§ 7–14 AStG Rn 101 ff.; Dörfler/Ribbrock BB 2008, 205.
[38]
BMF BStBl I 2007, 99 und dazu Köplin/Sedemund BB 2007, 244.
[39]
Kritik daran zB bei Sedemund BB 2008, 696.
[40]
Lehner StuW 1998, 158 mwN.
[41]
Ratsbeschluss v 10.2.1975, ABlEG Nr C 35/1.
[42]
KOM (1997) 495; KOM (1997) 564; KOM (2004) 611.
[43]
Pressemitteilung v 30.9.2004, IP/04/1164.
[44]
EuGHE 2006 I 7995 (C-414/06).
[45]
EuGHE 2007 I 10451 (C-298/05) und dazu Thömmes IWB 2008 Fach 11a, 1169.
[46]
EuGH (C-311/08) BFH/NV 2010, 571; EuGHE 2004 I 2409 (C-9/02), Tz 49; EuGHE 2002 I 10829 (C-436/00), Tz 42; EuGHE 1999 I 7041 (C-439/97), Tz 27.
[47]
EuGHE 1998 I 4711 (C-264/96), Tz 26.
[48]
EuGHE 2002 I 10829 (C-436/00), Tz 61.
[49]
EuGHE 1997 I 4161 (C-28/95), Tz 44; EuGHE 2002 I 10829 (C-436/00), Tz 61; EuGHE 2004 I 2409 (C-9/02), Tz 50.
[50]
Ausf Englisch StuW 2003, 88, 96; Hahn DStZ 2005, 507, 510 mwN.
[51]
Zum Ganzen Rödder/Schönfeld IStR 2006, 49.
[52]
EuGHE 1995 I 225 (C-279/93), Tz 21.
[53]
EuGHE 1979 I 649 (120/78), Tz 8; EuGHE 1997 I 2492 (C-250/95), Tz 31; EuGHE 1999 I 4824 (C-275/97), Tz 18.
[54]
EuGHE 1997 I 2492 (C-250/95), Tz 32.
[55]
EuGHE 1999 I 7641 (C-55/98), Tz 25.
[56]
EuGHE 2004 I 7063 (C-315/02), Tz 47.
[57]
EuGHE 1998 I 4711 (C-264/96), Tz 27.
[58]
EuGHE 1995 I 225 (C-279/93), Tz 21; EuGHE 1999 I 7641 (C-55/98), Tz 20 ff; EuGHE 1994 I 1137 (C-1/93), Tz 22; EuGHE 2006 I 9461 (C-290/04).
[59]
Vgl aber auch EuGHE 1997 I 2492 (C-250/95), Tz 41 f, wo der EuGH entschied, dass sich der betr Mitgliedsstaat nicht auf die Ermittlung nach der EG-Amtshilfe-Richtlinie verlassen müsse. Teilw wurde darin eine Abkehr von der bislang sehr pauschalen Betrachtung des EuGH gesehen, vgl Cordewener S 539.
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