§ 1betrifft den in der Praxis immens wichtigen Bereich[20] der sog Verrechnungspreise. Die Preise, die verbundene Unternehmen miteinander für konzerninterne Lieferungen und Leistungen vereinbaren, müssen marktüblich und angemessen sein. Dieses Prinzip findet seine Rechtfertigung darin, dass bei verbundenen Unternehmen kein natürlicher Interessengegensatz wie zwischen fremden Dritten besteht. Steuerrechtlich relevante Vereinbarungen zwischen einander nahe stehenden Personen müssen daher dem sog Fremdvergleichsgrundsatz(dazu § 1 Rn 184) standhalten, um auch für Zwecke der Besteuerung von der FinVerw anerkannt zu werden.
14
Neben den zentralen, insb betriebswirtschaftlichen Fragen der Bestimmung der Angemessenheit der Verrechnungspreise (dazu § 1 Rn 179 ff) geht es hier auch um das Verhältnis des § 1zu anderen bekannten Korrekturnormen bzw Rechtsinstituten wie zB der verdeckten Einlage oder der vGA (dazu § 1 Rn 42 f). Die Thematik der Verrechnungspreise hat eine weitere, immer noch kaum greifbare Dimension erlangt durch die durch das JStG 2008[21] in das Gesetz eingestellten Regelungen über sog Funktionsverlagerungen( § 1 Abs 3 S 9 ff; dazu § 1 Rn 304 ff). Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Novität werden sich aber erst zutr einschätzen lassen, wenn die ersten Steuerfälle die Betriebsprüfungen erreicht haben. Ein Gleiches gilt für die Umsetzung des AOA in § 1 Abs. 5 AStGund der dazu ergangenen Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung.
15
Bei der erweiterten beschränkten StPflhandelt es sich um ein bes Besteuerungsregime, das der Vermeidung der Steuerflucht dient und das an die Aufgabeder dt unbeschränkten StPfl aufgrund eines Wegzugs anknüpft. Der erweiterten beschränkten StPfl unterliegt eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten StPfl als Deutsche(r) insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war (dazu § 2 Rn 55 ff), die in keinem oder in einem ausl Gebiet ansässig ist, in dem sie mit ihrem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerungunterliegt (dazu § 2 Rn 70 ff), und die sog wesentliche wirtschaftliche Interessen(dazu § 2 Rn 108 ff) im Geltungsbereich des AStG hat.
16
§ 2ist in der Praxis bes sorgfältig zu prüfen, weil sich eine natürliche Person allein durch den Wegzug aufgrund der genannten Regelung uU für lange Zeit (10 Jahre!) nicht der dt Besteuerung entziehen kann. Die Vorschrift wird flankiert durch eine erbschaft- und schenkungsteuerliche Sonderregelung ( § 4) sowie durch eine Sonderregelung für zwischengeschaltete Ges ( § 5).
17
In § 6[22] ist die sog Wegzugsbesteuerung(Vermögenszuwachsbesteuerung bei Kapitalgesellschaftsanteilen) bei natürlichen Personen geregelt.[23] Es handelt sich um eine lex specialis zu § 17 EStG. Die Vorschrift ordnet die Besteuerung einer fiktiven Veräußerungvon Anteilen an KapGes iSd § 17 EStG an, wenn die unbeschränkte StPfl durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts oder ähnlich wirkende Ereignisse endet und zu diesem Zeitpunkt iÜ die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt sind.
18
Die sog Hinzurechnungsbesteuerung, das Herzstück des AStG, soll der durch die Beteiligung an ausl, meist in der Rechtsform einer KapGes organisierten und niedrig besteuerten (dazu § 8 Rn 162 ff) Basisgesellschaften[24] (das AStG spricht von Zwischengesellschaften) bewirkten Verlagerung von Besteuerungssubstrat in das Ausland vorbeugen, wenn die KapGes schädliche, sog passive Einkünfte (dazu § 8 Rn 21 ff) erzielt.
19
Regelungstechnisch erfolgt dies über eine Durchbrechung der Abschirmwirkung der KapGes (Trennungsprinzip) in der Weise, dass bestimmte von der ausl Ges erzielte Einkünfte den inländischen Gesellschaftern als fiktive Gewinnausschüttungen[25] und eigene Einkünfte zugerechnet werden (dazu § 10 Rn 1, 8). Der Sachverhalt wird so besteuert, als ob die Basisgesellschaft nicht existent wäre. Nahezu alle Steuerrechte der Industrieländer verfügen über ähnliche Regelungen über die Besteuerung sog controlled foreign companies, und in der Tat hatte die mit der Ausarbeitung des AStG betraute Expertenkommission (vgl Rn 1) weit reichende Anleihen bei den cfc-Regeln des US-amerikanischen Internal Revenue Code genommen.[26] Die §§ 7 ffwerden begleitet durch eine Sonderregelung über Familienstiftungen ( § 15), die strukturell ähnlich ausgestaltet ist, sowie durch eine Sonderregelung für ausl Betriebsstätten und PersGes, für die § 20 Abs 2 ceteris paribus eine der Hinzurechnungsbesteuerung vergleichbare Wirkung herbeiführt.
20
Die §§ 16–18schließlich runden die vorstehend genannten Regelungen in verfahrensrechtlicherHinsicht ab. Sie erweitern die allgemeingültigen Normen der AO (Mantelgesetz) in dreierlei Hinsicht. § 16stellt § 160 AO in einen int Kontext, § 17gibt den StPfl bestimmte Aufklärungspflichten auf und der FinVerw uU die Möglichkeit der Steuerschätzung, und § 18bestimmt die (einheitliche und) gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung.
B. Einzelfragen
I. Internationaler Steuerwettbewerb
21
Nie war es einfacher als heute, binnen Sekunden erhebliche Vermögenswerte in das Ausland zu transferieren. Auch die Mobilität der StPfl hat ein kaum gekanntes Ausmaß angenommen. Hinzu kommt, dass die Staaten, die sich in der Staatengemeinschaft als gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, miteinander in einen Steuerwettbewerb[27] eingetreten sind, dessen Ende noch immer nicht absehbar ist. All dies führt dazu, dass die Staaten um wirtschaftlich rege und finanzkräftige StPfl konkurrieren, weil sich der stetig steigende Finanzbedarf anders nicht mehr hinreichend decken lässt.
22
Es nimmt daher nicht Wunder, dass die Int Steuerplanungin den vergangenen Jahren stark an Attraktivität gewonnen hat. Ihre Bedeutung wird in der Zukunft noch weiter zunehmen. Die fortschreitende Regelungsdichte, das Nebeneinander nationaler Steuerhoheiten, die Verteilung von Besteuerungsansprüchen zwischen den Staaten durch DBA und auch rein faktische Schwierigkeiten (etwa Sprachbarrieren oder unterschiedliche Kulturen) haben dabei zu einer Komplexität geführt, die auch von dem Kundigen nicht immer leicht zu durchschauen ist.
23
Hinzu kommt, dass die int Beweglichkeit von StPfl und Einkunftsquellen gegenläufige Reaktionen der FinVerw hervorruft, die nicht eben zur Vereinfachung des Steuerrechts und einer praxistauglicheren Anwendung führen. Oftmals entstehen dadurch weitere administrative und sonstige Belastungen der StPfl, wie es bspw für Verrechnungspreise seit 2003 im Bereich der sog erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhaltengem § 90 Abs 3 AO zu beobachten ist. Auch die Regelungen des AStG sind größtenteils Ausdruck des Bemühens, den StPfl dazu zu bewegen, nicht dem Lockruf des int Steuerwettbewerbs zu erliegen.
24
Doch die Int Steuerplanung ihrerseits gibt den Staaten (insb den sog Oasenstaaten,[28] dh Staaten mit einer Null- oder Niedrigbesteuerung) weitere Anreize, Maßnahmen zu ergreifen, die die StPfl mitunter gezielt an Investitionen in anderen Staaten hindern. Die OECD hat längst erkannt, dass die unzureichende Angleichung der nationalen Steuersysteme und der sich daraus ergebende hohe Grad an Steuerwettbewerb der Mitgliedstaaten untereinander ein Ausmaß erreicht hat, das sich als schädlich erwiesen hat und das möglicherweise verhindert, dass die Vorteile, die der Binnenmarkt in Bezug auf Wachstum und Beschäftigung bringen kann, aufgrund der höheren Steuerbelastung der Arbeitskraft gegenüber der größeren Mobilität des Kapitals in ihr Gegenteil verkehrt werden können.
Читать дальше