2.4 Verwendung der durch die Herabsetzung erlangten Beträge
359
Die Verwendung der Beträge, welche im Wege der Kapitalherabsetzung und aufgrund der Auflösung der Kapital- und Gewinnrücklagen frei werden, ist in § 230 AktG geregelt. Die Vorschrift enthält ein Ausschüttungsverbotund ein Verwendungsgebot.[77]
360
Aufgrund des Ausschüttungsverbotsnach § 230 S. 1 AktG dürfen die durch die Kapitalherabsetzung oder durch die Auflösung von Rücklagen oder Gewinnvorträgen gewonnenen Beträge nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Hiervon betroffen sind Zahlungen von Dividenden oder Einlagebefreiungen, Zahlungen in verdeckter Form sowie jegliche Umgehungskonstruktionen hierzu.[78] Das Verbot ist zeitlich unbegrenzt.[79] Zulässig sind hingegen Zahlungen an Aktionäre, die auf anderen Rechtsverhältnissen wie Kauf oder Miete etc. beruhen, soweit es sich hierbei nicht um eine verbotene Einlagenrückgewähr handelt.[80]
361
Das Verwendungsgebotdes § 230 S. 2 und 3 AktG besagt, dass die von § 230 AktG erfassten Beträge nur zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von Verlusten oder zur Einstellung in die Rücklagen verwendet werden dürfen. Dabei sind Vorstand und Aufsichtsrat an die Zweckvorgabe der HV gebunden. Es besteht insoweit kein Ermessensspielraum der Verwaltung.[81] Jeder Verstoß führt zu einer Haftung des Vorstands und des Aufsichtsrats nach §§ 93, 116 AktG.[82]
362
Etwas anderes gilt lediglich, wenn die Zweckvorgaben der HV durch die Verwaltung tatsächlich nicht erreicht werden können, weil die ursprünglich angenommenen Verluste gar nicht angefallen sind.[83] In diesem Fall sind die frei gewordenen Beträge gem. § 232 AktG in die Kapitalrücklage einzustellen.
363
Die vereinfachte Kapitalherabsetzung hat auch Auswirkungen auf künftige Gewinnausschüttungen. Solche dürfen nach § 233 Abs. 1 S. 1 AktG erst wieder vorgenommen werden, wenn die Kapitalrücklage und die gesetzliche Rücklage zusammen 10 % des Grundkapitals der AG erreicht haben.
364
Um der sanierungsbedürftigen AG die erfolgreiche Sanierung zu erleichtern, ermöglichen es die §§ 234 und 235 AktG, die vereinfachte Kapitalherabsetzung und ggf. die anschließend sogleich durchgeführte Kapitalerhöhung bilanziell auf den Jahresabschluss des abgelaufenen Geschäftsjahres rückzubeziehen. Die Normen sollen der Gesellschaft bei der Erhaltung ihrer Kreditfähigkeit helfen, indem sie es ihr ermöglichen, die zwischenzeitliche Verlustsituation der Gesellschaft bilanziell nicht offenbaren zu müssen.[84]
365
§§ 234 und 235 AktG ermöglichen daher die Durchbrechung des Stichtagsprinzips des § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, die AG kann also die Eigenkapitalposten bereits im Jahresabschluss für das vorhergehende Geschäftsjahr verwenden, wie sie sich nach der geplanten vereinfachten Kapitalherabsetzung und ggf. der anschließenden Erhöhung darstellen.[85]
2.5.1 Rückwirkung der Kapitalherabsetzung
366
Gem. § 234 Abs. 2 und 3 AktG müssen für die bilanzmäßige Rückbeziehung der vereinfachten Kapitalherabsetzung zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens ist ein Beschluss der HV über die Feststellung des Jahresabschlusses erforderlich, welcher gleichzeitig mit dem Kapitalherabsetzungsbeschluss gefasst werden soll (§ 234 Abs. 2 AktG). Zweitens muss die vereinfachte Kapitalherabsetzung rechtzeitig im Handelsregister eingetragen werden (§ 234 Abs. 3 AktG).
367
In Abweichung zum Regelfall der §§ 172, 173 AktG, dass die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat erfolgt, wird der Jahresabschluss im Rahmen der Rückbeziehung durch die HV der AG festgestellt.[86] Die Regelung ist zwingend.[87] Die HV ist für die Feststellung des Jahresabschlusses im Fall der Rückbeziehung auch ohne konkrete Vorlage durch die Verwaltung zuständig.[88] Legt der Vorstand der HV den Jahresabschluss nicht zur Beschlussfassung vor, so kann diese die Beschlussfassung über dessen Feststellung bei Untätigkeit der Verwaltung an sich ziehen.[89]
368
Wird die Verwaltung hingegen tätig, entscheidet sie zunächst gem. § 173 AktG nach pflichtgemäßem Ermessen, ob sie den Jahresabschluss feststellen oder der HV zur Feststellung mit Rückbeziehung vorlegen will. Entscheiden sich Vorstand und Aufsichtsrat dazu, den Jahresabschluss ohne Rückwirkung festzustellen, so ist diese Feststellung bindend und der Jahresabschluss kann von der HV nicht mehr abgeändert werden.[90] Wird der Jahresabschluss hingegen der HV zur Feststellung vorgelegt, so kann diese frei entscheiden, ob sie den Jahresabschluss mit oder ohne Rückwirkung feststellen möchte.[91]
369
Voraussetzung für die Wirksamkeit des Beschlusses über die vereinfachte Kapitalherabsetzung und die Feststellung des Jahresabschlusses mit Rückwirkung ist die Eintragung des Beschlusses über die Kapitalherabsetzung in das Handelsregister innerhalb von drei Monaten nach der Beschlussfassung (§ 234 Abs. 3 S. 1 AktG). Erfolgt die Eintragung nicht innerhalb dieser Frist, ist der Beschluss über die Kapitalherabsetzung nichtig. Werden die Beschlüsse über die Herabsetzung des Grundkapitals und die Feststellung des Jahresabschluss nicht gleichzeitig gefasst – was gem. § 234 Abs. 2 S. 2 AktG („soll“) ohne weiteres zulässig ist – so kommt es für den Beginn des Laufs der Frist auf den Tag des jeweils ersten Beschlusses an.[92]
2.5.2 Rückwirkung einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung
370
Eine logische Ergänzung zu § 234 AktG stellt die Regelung des § 235 AktG dar, welche neben der bilanziellen Rückwirkung der Kapitalherabsetzung auch die bilanzielle Rückwirkung einer gleichzeitig beschlossenen Kapitalerhöhung gestattet.
371
Auch die Rückbeziehung der auf die Kapitalherabsetzung folgenden Kapitalerhöhung ist durch die HV der AG zu beschließen. Voraussetzung für den Beschluss der HV über die Feststellung des Jahresabschlusses ist dabei, dass die Kapitalerhöhung in derselben HV wie die vorhergehende Kapitalherabsetzung beschlossen wurde (§ 235 Abs. 1 AktG).[93] Die Rückwirkung der Kapitalerhöhung ist nur zulässig, wenn auch die zeitgleich beschlossene Kapitalherabsetzung mit Rückwirkung beschlossen wurde.[94] Der Beschluss nach § 235 AktG darf weiterhin nur gefasst werden, wenn die Kapitalerhöhung mit Bareinlagen durchgeführt wird (§ 235 Abs. 1 S. 2 AktG). Eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen oder die Schaffung von genehmigtem oder bedingtem Kapital oder eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sind insoweit nicht ausreichend.[95]
372
Hinsichtlich der Frist zur Eintragung der Beschlüsse gilt das gleiche wie bei der Rückwirkung der Kapitalherabsetzung, d.h. die Beschlüsse über die Kapitalherabsetzung und die Kapitalerhöhung sowie die Durchführung der Kapitalerhöhung müssen innerhalb von drei Monaten in das Handelsregister eingetragen werden. Andernfalls sind sie gem. § 235 Abs. 2 S. 1 AktG nichtig.
2.5.3 Bekanntmachung des Jahresabschlusses
373
Die Gläubiger der AG werden durch die Regelung des § 236 AktG angemessen vor der Gefahr der Veröffentlichung nichtiger Jahresabschlüsse geschützt. Gem. § 236 AktG darf die AG den Jahresabschluss im Fall einer Rückbeziehung der Kapitalherabsetzung, ggf. verbunden mit einer Kapitalerhöhung, erst bekanntmachen, wenn die Kapitalherabsetzung und – soweit erfolgt – die Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen und damit wirksam geworden sind.
5. Kapitel Kapitalmaßnahmen› III. Herabsetzung des Grundkapitals› 3. Kapitalherabsetzung durch die Einziehung von Aktien
3. Kapitalherabsetzung durch die Einziehung von Aktien
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