aa) Pflicht zur Informationsgewinnung und -bereitstellung
161
Art. 18 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 BasisVO verpflichten Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer, Informationssystemeund Verfahrenzur Sicherung der Rückverfolgbarkeit ihrer Erzeugnisse im Sinne des Grundsatzes from farm to fork einzurichten. Nach Art. 18 Abs. 2 UAbs. 1 BasisVO müssen die Unternehmer in der Lage sein, „jede Person festzustellen, von der sie ein Lebensmittel, Futtermittel, ein der Lebensmittelgewinnung dienendes Tier oder einen Stoff, der dazu bestimmt ist oder von dem erwartet werden kann, dass er in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet wird, erhalten haben“ . Ferner verpflichtet Art. 18 Abs. 3 S. 1 BasisVO Unternehmer „Systeme und Verfahren zur Feststellung der anderen Unternehmen“ einzurichten, an die ihre Erzeugnisse geliefert wurden. Der Unternehmer ist zudem verpflichtet, die entsprechend gewonnenen Informationender zuständigen Behörde auf Aufforderungauch zur Verfügung zu stellen(Art. 18 Abs. 3 S. 2 BasisVO).
162
Die Gestaltung derartiger Systeme und Verfahren ist je nach Art und Umfang des Unternehmens und des Tätigkeitsfeldes sehr unterschiedlich und muss am Maßstab der Effektivität und Verhältnismäßigkeit gemessen werden.
bb) Rücknahme- und Rückrufpflicht bei Lebensmitteln und Futtermitteln
163
Nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 BasisVO hat der Lebensmittelunternehmerfür den Fall, dass er Kenntnis davon oder Grund zu der Annahme hat, dass ein von ihm eingeführtes, erzeugtes, verarbeitetes, hergestelltes oder vertriebenes Lebensmittel den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit (Art. 14 BasisVO) nicht entspricht, unverzüglich ein Verfahren einzuleiten, um das betreffende Lebensmittel vom Markt zu nehmen, sofern es nicht mehr unter der unmittelbaren Kontrolle des ursprünglichen Lebensmittelunternehmers steht. Soweit das Erzeugnis die Verbraucher bereits erreicht haben könnte, hat er diese zu informieren und das Produkt gegebenenfalls zurückzurufen (Art. 19 Abs. 1 S. 2 BasisVO). Die erforderlichen Verdachtsmomente, die die Rücknahme- und Rückrufpflichtauslösen, liegen vor, wenn der Unternehmer Umstände kennt, aus denen sich die Unsicherheit des Lebensmittels ergibt oder sich solche Umstände aufdrängen.[388]
164
Entsprechende Pflichten zur Rücknahme oder zum Rückruf eines i.S.d. Art. 15 BasisVO nicht sicheren Futtermittels sind in Art. 20 Abs. 1 S. 1 BasisVO normiert. Danach hat der Futtermittelunternehmer, der erkennt oder Grund zu der Annahme hat, dass ein von ihm eingeführtes, erzeugtes, verarbeitetes, hergestelltes oder vertriebenes Futtermittel die Anforderungen an die Futtermittelsicherheit nicht erfüllt, unverzüglich ein Verfahren einzuleiten, um das betreffende Futtermittel vom Markt zu nehmen.
cc) Unterrichtungspflichten
165
Den Unternehmer treffen darüber hinaus gewisse Unterrichtungspflichten (näher dazu Rn. 126 ff.). Nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 BasisVO hat er den zuständigen Behörden den Verdacht, er könnte ein unsicheres Lebensmittel in den Verkehr gebracht haben, mitzuteilen, wenn er es aus dem Markt nehmen oder zurückrufen muss. Erkennt der Unternehmer oder hat er den Verdacht, ein potenziell gesundheitsschädliches Lebensmittel in den Verkehr gebracht zu haben, so muss er nach Art. 19 Abs. 3 S. 1 BasisVO den zuständigen Behörden unverzüglich seinen Verdacht mitteilen. Ferner hat er die Behörde über die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Verringerung des Risikosfür den Endverbraucher zu unterrichten. Entsprechendes gilt nach Art. 20 Abs. 3 S. 1 BasisVO, wenn der Unternehmer ein von ihm in den Verkehr gebrachtes Futtermittel wegen des Verdachts der Nichterfüllung der Anforderungen an die Futtermittelsicherheitvom Markt nimmt ( Rn. 129).
b) Aus dem nationalen Recht folgende Pflichten
166
Aus dem nationalen Recht ergeben sich weitere Pflichten, die sich jedoch – soweit sie strafrechtlich von Belang sind – nicht auf spontanes Tätigwerden des Unternehmers, sondern auf Handlungen aufgrund eines Verlangens der Überwachungsbehördenbeziehen, aber dennoch Mitwirkungspflichten sind, so dass der Unternehmer nicht lediglich die behördlichen Untersuchungen (vgl. nur § 41 Abs. 1 LFGB) oder Probenahmen (§ 43 LFGB) zu dulden hat.
167
Die Pflichten im Rahmen der Lebensmittelüberwachung sind durch § 44 Abs. 4a und Abs. 5a LFGB, der durch das 2. ÄndG eingeführt worden ist, auf Verantwortliche für Labore, die Lebensmittel- und Futtermittelanalysen durchführen, ausgedehnt worden. Diese Personen treffen nun verdachtsabhängige Unterrichtungspflichten.
168
§ 44 Abs. 2 LFGB verpflichtet die in § 42 Abs. 2 Nr. 5 LFGB genannten Personen und Personenvereinigungen zur unverzüglichen Erteilungder nach § 42 Abs. 2 LFGB erforderlichen Auskünfte, die von den in der Überwachung tätigen Personen verlangt werden. Dies gilt ausweislich § 42 Abs. 2 Nr. 5 LFGB insbesondere für Auskünfte über die Herstellung, das Behandeln, die zur Verarbeitung gelangenden Stoffe und deren Herkunft, das Inverkehrbringen und das Verfüttern von Erzeugnissen.[389] Die Auskunftspflicht entsteht erst mit dem Verlangen der in der Lebensmittelüberwachung tätigen Person.[390] Dies sind im Hinblick auf § 42 Abs. 1 S. 1 LFGB zunächst fachlich entsprechend ausgebildete Personen wie Tierärzte, Lebensmittelchemiker oder sonstige Mitarbeiter der Überwachungsbehörden, die mit der Lebensmittelüberwachung beauftragt sind. Ist Gefahr im Verzug, so sind zudem gemäß § 42 Abs. 2 LFGB alle Beamten der Polizei zu bestimmten Maßnahmen befugt.[391]
169
Als erforderlichsind Auskünfte anzusehen, die zur Überwachung der Einhaltung des gesamten nationalen und europäischen Lebensmittelrechts notwendig sind. Die Zeugnisverweigerungsrechtedes § 383 Abs. 1 Nr. 1–3 ZPO, die dem Schutz naher Angehöriger vor Verfolgung wegen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten dienen, erklärt § 44 Abs. 2 LFGB für sinngemäß anwendbar.
170
Die Auskunftspflicht wird durch eine in § 44 Abs. 3 S. 1 LFGB normierte Informationsübermittlungspflichtergänzt. Danach hat der Lebensmittel-und Futtermittelunternehmerdie Pflicht, auf Verlangen die Informationenzu übermitteln, die er aufgrund eines nach Art. 18 Abs. 2 UAbs. 2 BasisVO eingerichteten Systems oder Verfahrens besitzt und die zur Rückverfolgbarkeitbestimmter Lebensmittel oder Futtermittel erforderlich sind.
bb) Unterrichtungspflichten
171
Aus § 44 Abs. 4 S. 1 bzw. 44 Abs. 5 S. 1 LFGB ergibt sich eine verdachtsabhängige Unterrichtungspflicht, falls dass der Unternehmer erkennt, dass ein ihm angeliefertes oder von ihm erworbenes Lebens- oder Futtermittel einem Verkehrsverbot nach Art. 14 Abs. 1 bzw. 15 Abs. 1 BasisVO unterliegt. Ferner muss der Unternehmer die Behörde nach § 44 Abs. 4 S. 2 und Abs. 5 S. 2 LFGB über die von ihm hinsichtlich des Lebens- bzw. Futtermittels getroffenen oder beabsichtigten Maßnahmen unterrichten. Ausnahmenvon der Unterrichtungspflicht sind in § 44 Abs. 4 S. 3 und Abs. 5 S. 3 LFGB enthalten. Die Formund die Mindestangaben der Mitteilunggeben § 44 Abs. 4 S. 1 bzw. § 44 Abs. 5 S. 1 LFGB vor.
172
Durch das 2. ÄndG wurde mit § 44a LFGB ferner eine sanktionsbewehrte Pflicht des Unternehmers eingeführt, unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift ihm vorliegende Untersuchungsergebnisse über Gehalte an gesundheitlich nicht erwünschten Stoffenwie Pflanzenschutzmitteln, Stoffen mit pharmakologischer Wirkung, Schwermetallen, Mykotoxinen und Mikroorganismen in und auf Lebensmitteln oder Futtermitteln den zuständigen Behörden mitzuteilen. Die Einzelheiten hierzu regelt die Verordnung zu Mitteilungs- und Übermittlungspflichten zu gesundheitlich nicht erwünschten Stoffen.[392]
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