[397]
Betreffend die gesetzliche Differenzierung von Vergehen und Verbrechen im Schweizerischen Strafgesetzbuch s. Art. 10 schwStGB. Art. 118 Abs. 4 schwStGB regelt die Verjährungsfrist für einen strafbaren Schwangerschaftsabbruch nach Art. 118 Abs. 1 und Abs. 3 schwStGB, welche drei Jahre beträgt. Dies stellt im Vergleich zur allgemeinen Regelung der Verfolgungsverjährung in Art. 97 schwStGB eine verkürzte Verjährungsfrist dar, s. BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 118 Rn. 31 m.w.H. Demgegenüber richtet sich die Verjährungsfrist von Art. 118 Abs. 2 schwStGB nach Art. 97 Abs. 1 lit. b schwStGB und beträgt wie gewöhnlich 15 Jahre.
[398]
Das Schweizerische Strafgesetzbuch spricht in Art. 119 schwStGB durchwegs von der Straflosigkeit, währenddem das deutsche Strafrecht in § 218a Abs. 1–4 StGB zwischen fehlender Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Straflosigkeit differenziert, so auch Trechsel , Eser-FS, S. 648.
[399]
BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 3.
[400]
Eine Missachtung des Schriftlichkeitserfordernisses begründet eine Strafbarkeit des abbrechenden Arztes gemäss Art. 120 Abs. 1 lit. a schwStGB, was ein echtes Unterlassungsdelikt darstellt, s. BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 6.
[401]
PK- Trechsel/Fingerhuth , Art. 119 Rn. 2; Donatsch , Strafrecht III, S. 39. Fraglich ist, ob ein Schwangerschaftsabbruch i.S.d. Fristenregelung auch bei urteilsunfähigen Schwangeren durch eine gesetzliche Vertretung erfolgen kann, da sich die Regelung der gesetzlichen Vertretung nach Art. 119 Abs. 3 schwStGB im Sinne der Gesetzessystematik auch auf die Fristenregelung in Art. 119 Abs. 2 schwStGB beziehen müsste; bejahend Donatsch , Strafrecht III, S. 39; Stratenwerth/Jenny/Bommer , BT/1, § 2 Rn. 16, abl. BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 7 m.w.H.
[402]
BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 8; Stratenwerth/Jenny/Bommer , BT/1, § 2 Rn. 15; Trechsel , Eser-FS, S. 642.
[403]
Durch den Gesetzeswortlaut in Art. 119 Abs. 2 schwStGB wird zumindest nicht ausgeschlossen, dass eine zur Berufsausübung zugelassene, schwangere Ärztin einen Selbstabbruch vornehmen kann, s. BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 5.
[404]
Dieser Leitfaden enthält laut Gesetzesbestimmung (Art. 120 Abs. 1 lit. b Nr. 1–3 schwStGB) „ein Verzeichnis der kostenlos zur Verfügung stehenden Beratungsstellen“ (Nr. 1), „ein Verzeichnis von Vereinen und Stellen, welche moralische und materielle Hilfe anbieten“ (Nr. 2) und er gibt ebenso „Auskunft über die Möglichkeit, das geborene Kind zur Adoption freizugeben“ (Nr. 3). Darüber hinaus ist entgegen dem Gesetzeswortlaut keine Personenidentität zwischen dem abbrechenden und dem das Beratungsgespräch führenden Arztes erforderlich, s. Trechsel , Eser-FS, S. 643.
[405]
Trechsel , Eser-FS, S. 645. Bei der Indikationenregelung handelt es sich wie auch im deutschen Strafrecht um einen Rechtfertigungsgrund, s. Schwarzenegger , in: Tag (Hrsg.), Lebensbeginn im Spiegel des Medizinrechts, 2011, S. 164.
[406]
Als drohende, schwerwiegende körperliche Schädigung kommt dabei insb. auch eine drohende Lebensgefahr, worunter auch – gleichsam wie nach h.M. in Deutschland – die Suizidgefahr der Schwangeren zu subsumieren ist, infrage, s. BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 14.
[407]
BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 15; zust. Trechsel , Eser-FS, S. 646; Betreffend die kriminologische Indikation wird gleichsam wie nach deutscher Regelung eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat vorausgesetzt (Art. 187 f., 190 ff. oder Art. 213 schwStGB), die mit großer Wahrscheinlichkeit die Schwangerschaft herbeigeführt hat, s. BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 15.
[408]
Ausf. Schwarzenegger , in: Tag (Hrsg.), Lebensbeginn im Spiegel des Medizinrechts, 2011, S. 169 f.
[409]
Stratenwerth/Jenny/Bommer , BT/1, § 2 Rn. 20; Schwarzenegger , in: Tag (Hrsg.), Lebensbeginn im Spiegel des Medizinrechts, 2011, S. 166 f. m.w.H.
[410]
BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 119 Rn. 12, Donatsch , Strafrecht III, S. 40; Stratenwerth/Jenny/Bommer , BT/1, § 2 Rn. 20; a.A. Trechsel , Eser-FS, S. 647, wonach der Grundsatz „nullum crimen sine lege“ keine derartige Gesetzesauslegung zulässt, somit ein Ärzteerfordernis zu verneinen ist.
[411]
Donatsch , Strafrecht III, S. 39 f.; Trechsel , Eser-FS, S. 647.
[412]
Schwarzenegger , in: Tag (Hrsg.), Lebensbeginn im Spiegel des Medizinrechts, 2011, Lebensbeginn, S. 165.
[413]
S. BSK- Schwarzenegger/Heimgartner , Art. 120 Rn. 1.
1. Abschnitt: Schutz von Leib und Leben› § 4 Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit
Tobias Singelnstein
§ 4 Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit[1]
A. Einführung1 – 5
B.Grundlagen6 – 26
I. Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG6 – 8
II. Begriff, gesellschaftliche Bewertung und Formen der Gewalt9 – 13
III. Praktische Bedeutung des Bereichs14 – 20
IV. Kriminologische Einordnung21 – 26
C.Rechtliche Regelung und besondere Fallgruppen27 – 129
I.Allgemeine Fragen27 – 71
1. Rechtsgut und Schutzobjekt27 – 32
2.Voraussetzungen der einzelnen Tatbestände33 – 61
a) Grundtatbestand des § 223 Abs. 1 StGB33 – 39
b) Qualifikationen wegen besonderer Gefährlichkeit (§ 224 StGB)40 – 45
c) (Erfolgs-)Qualifikationen wegen dauerhafter schwerer Folgen (§ 226 StGB)46 – 51
d) Erfolgsqualifikation wegen eingetretener Todesfolge (§ 227 StGB)52 – 54
e) Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB)55 – 58
f) Weitere Tatbestände (§§ 225, 226a, 229 StGB)59 – 61
3. Verhältnis zu anderen Tatbeständen62 – 64
4. Strafrahmen und Strafzumessung in der Praxis65 – 71
II.Besondere Fragestellungen auf der Ebene des Tatbestands72 – 86
1. Bagatellgrenze72 – 74
2. Eigenverantwortliche Selbstgefährdung und einverständliche Fremdgefährdung75 – 78
3. Kausalität und Produkthaftung79 – 86
III.Besondere Fragestellungen auf der Ebene der Rechtswidrigkeit87 – 119
1. Rechtfertigungsgründe, erlaubte Verletzungen87 – 91
2. Einwilligung und ihre Grenzen92 – 103
a) Grenze des § 228 StGB93 – 97
b) Einzelne Fallgruppen98 – 103
3. Der ärztliche Heileingriff im Besonderen104 – 114
a) Einordnung und rechtliche Behandlung105 – 109
b) Mutmaßliche Einwilligung110, 111
c) Hypothetische Einwilligung112 – 114
4. Amtsbefugnisse im Besonderen115 – 119
IV.Aktuelle und zukünftige Entwicklungen120 – 129
1. Präventionsorientierung120, 121
2. Häusliche Gewalt122 – 124
3. Besonderer Schutz bestimmter Berufsgruppen125, 126
4. Reformbestrebungen des Gesetzgebers127 – 129
D.Sonstiges130 – 139
I. Historische Entwicklung der Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit im deutschen StGB130 – 132
II. Rechtsvergleich133 – 135
III. Bezüge zum Strafverfahrensrecht136 – 139
Ausgewählte Literatur
1. Abschnitt: Schutz von Leib und Leben› § 4 Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit› A. Einführung
1
Die körperliche Unversehrtheit stellt in praktisch allen Rechtsordnungen ein besonders zentrales Schutzgut (auch) des Strafrechts dar. Die deutsche Rechtsordnung macht hier keine Ausnahme. Die körperliche Unversehrtheit gehört zusammen mit dem Leben und mindestens ebenso wie Eigentum und Vermögen zu den Kernrechtsgütern des StGB. Ihre Bedeutung als Schutzgut ist insbesondere durch das 6. StrRG 1998 noch einmal deutlich gestärkt worden. Mit dieser rechtlichen Wertung befindet sich der Strafgesetzgeber in weitgehender Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Vorstellungen und Einstellungen. Gewaltdelikte werden auch in der Bevölkerung zunehmend als besonders problematisch wahrgenommen. Aus beiden Umständen – rechtlicher wie gesellschaftlicher Bewertung – folgt die große praktische Bedeutung, die den Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit zukommt. Neben Angriffen, Aggressionen und körperlichen Auseinandersetzungen spielen dabei auch Ereignisse im Straßenverkehr eine erhebliche Rolle.
Читать дальше