Erfolgsqualifizierte Delikte, bei denen durch eine vorsätzliche lebensgefährliche Tat mindestens fahrlässig – oder: leichtfertig (vgl. §§ 176b, 178, 251 StGB) – ein Todeserfolg verursacht wird, sind spezielle Erscheinungsformen der fahrlässigen Tötung. Die Sorgfaltspflichtwidrigkeit hinsichtlich der Todesverursachung ist in der Regel der vorsätzlichen Verwirklichung des Grundtatbestandes immanent. Eine vorsätzliche lebensgefährdende Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) ist eine fahrlässige Tötungshandlung, die nach § 227 StGB strafbar ist, wenn es zum Eintritt des Todeserfolges kommt. Wäre der Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts mit Strafe bedroht, würde jede vorsätzliche lebensgefährliche Körperverletzung mit einer versuchten fahrlässigen Tötung idealiter konkurrieren, § 52 StGB. Ähnlich verhält es sich z.B. mit der vorsätzlichen Teilnahme an einem lebensgefährlichen illegalen Straßenrennen, durch das der Tod eines anderen Menschen verursacht wird. Schon die vorsätzliche Rennteilnahme ist eine versuchte fahrlässige Tötung, der Todeserfolg begründet sodann Strafbarkeit aus § 315d Abs. 5 StGB. Vereinzelt findet man todeserfolgsqualifizierte Delikte im Nebenstrafrecht, so in § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG und in § 97 Abs. 1 AufenthG. Nicht zur Gattung der erfolgsqualifizierten Delikte gehört die Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB). Der strafbarkeitsbegründende Todeserfolg ist in diesem Tatbestand kein qualifizierendes Tatbestandsmerkmal, sondern eine objektive Strafbarkeitsbedingung.[327] Daher gelten bezüglich des Todeserfolges weder § 15 noch § 18 StGB.
Eigenständig tatbestandlich vertypt ist das Handlungsunrecht der fahrlässigen Tötung auch in Lebensgefährdungstatbeständen. Das trifft z.B. auf § 315b und auf § 315c StGB zu. Wer im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit einen Fußgänger in konkrete Lebensgefahr bringt, begeht außer vollendeter Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB auch eine versuchte fahrlässige Tötung, die als solche nach geltendem Strafrecht nicht strafbar ist. Ein abstraktes Lebensgefährdungsdelikt ist die gefährliche Körperverletzung in der Variante § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.[328] Wie bei den todeserfolgsqualifizierten Delikten kommt der Unterschied zu echten Tötungsdelikten im subjektiven Tatbestand zur Geltung: die Tat muss vorsätzlich begangen worden sein, allerdings ist Vorsatzgegenstand nicht der Todeserfolg, sondern die Gefahr des Todeserfolges. Der Lebensgefährdungsvorsatz ist ein Minus im Verhältnis zum Tötungsvorsatz.
1. Abschnitt: Schutz von Leib und Leben› § 1 Tötungsdelikte› Ausgewählte Literatur
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