Thea Mengeler - connect

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Ava ist 28 und arbeitet als Designerin in einer Werbeagentur. Das Arbeitsumfeld erscheint ihr zunehmend ausbeuterisch und oberflächlich, ihr Leben sinnlos. Erst die Begegnung mit Lina reißt Ava aus ihrer Lethargie. Sie nimmt Ava mit zu connect, einer Gemeinschaft, die von dem charismatischen Dev gegründet wurde. Deren Vision: eine post-digitale Gesellschaft, in der Menschen eng miteinander verbunden sind. Je mehr Zeit Ava bei dieser Gemeinschaft verbringt, desto mehr vernachlässigt sie ihre Arbeit und distanziert sich von Familie und Freund*innen, die in connect eine gefährliche Sekte sehen. Eines Tages trifft Ava eine radikale Lebensentscheidung: Sie will ihr Leben ausschließlich der Gemeinschaft widmen.
In ihrem Debütroman wirft uns Thea Mengeler in die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen und verhandelt die aktuellsten Themen unserer Zeit. Wie wollen wir unser Leben gestalten? Wie drängend wird die Sehnsucht nach Gemeinschaft in einer digitalisierten Welt?

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Thea Mengeler

CONNECT Roman Das Video geht live Es flackert nicht hakt nicht Reiht - фото 1

CONNECT

Roman

Das Video geht live Es flackert nicht hakt nicht Reiht sich ein in die Masse - фото 2

Das Video geht live. Es flackert nicht, hakt nicht. Reiht sich ein in die Masse kaum voneinander zu unterscheidender Livestreams. Sie erscheinen auf den Bildschirmen, erst auf wenigen, dann auf tausenden .

Im Vordergrund Dev, den Blick auf die Kamera geheftet. Um ihn herum tanzen sie, tanzen miteinander, umeinander, berühren sich. Fast. Berühren Dev. Fast. Drehen sich weg, verschwinden aus dem Bild. Dann bricht der Erste zusammen .

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

1

Ava kann nicht atmen. Sie drückt die Handflächen gegen die Wände der engen Toilettenkabine, als könnte das die Welt davon abhalten, unter ihr wegzukippen. Hände und Füße sind wie in Eiswasser getaucht und in ihren Ohren rauschen Millionen Wasserfälle. Sie weiß nicht, ob da noch jemand ist in den Kabinen neben ihr, weiß nur, dass Luft in ihre Lungen muss, weiß nur, dass sie nicht ohnmächtig werden darf. Als wäre alles endgültig vorbei, wenn sie auch noch diesen Rest von Kontrolle verlöre.

Atmen, denkt sie. Hätte sie noch Luft übrig, würde sie darüber lachen, dass ihr Körper nicht mehr weiß, wie etwas so Selbstverständliches funktioniert. Atmen.

Es dauert Stunden, Tage, Jahre, bis ihr Atem endlich wieder tiefer geht, das Rauschen in ihren Ohren nachlässt. Vorsichtig löst sie die Hände von den Wänden, die Welt kippt nicht weg und sie ist noch immer hier.

Sie lauscht auf Geräusche aus den anderen Kabinen, hört nichts. Draußen auf dem Gang Schritte, irgendwo klingelt ein Telefon. Sie entriegelt die Tür, geht mit unsicherem Schritt zum Waschbecken, lässt warmes Wasser über ihre unterkühlten Hände laufen.

Im Spiegel sieht sie noch die Schatten der Angst. Sie versucht, ihr Gesicht wieder in Ordnung zu bringen. Die Mundwinkel weiter nach oben, viel weiter, die Augen weniger aufgerissen. Ein Muskel in ihrer Wange zuckt.

Sie schöpft sich Wasser ins Gesicht, probiert es noch einmal. Schon besser. Eine Weile noch betrachtet sie ihr Gesicht im Spiegel, als fände sie darin eine Antwort. Dann kehrt sie zurück ins Büro.

Sie hat das Gefühl, ewig weg gewesen zu sein, doch Mel und Liz sagen nichts zu ihrer Abwesenheit. Es muss weniger Zeit vergangen sein, als sie dachte.

Liz ist aufgedreht, zappelig, als wäre sie diejenige, die befördert worden ist. Mel ist noch dabei, ihr die Einzelheiten von dem Gespräch mit Jan zu erzählen. Dass sie minimal weniger Gehalt bekommen, als sie gefordert hatten. Dass Jan natürlich betonen musste, mit der Beförderung käme auch mehr Arbeit auf sie zu. »Als Senioren habt ihr schließlich mehr Verantwortung«, äfft Mel ihn nach. »Als ob wir das nicht wüssten. Aber das ist wieder so typisch. Sie kommen nicht drum herum, uns zu befördern, aber damit wir unter unserem plötzlich aufgeblähten Ego bloß nicht zusammenbrechen, wollen sie dafür sorgen, dass wir uns ein kleines bisschen überfordert vorkommen.« Mel lacht. »Das ist so armselig.«

Die Luft fühlt sich leergeatmet an. Ava öffnet das Fenster.

Für Mel ist jeder Versuch, ihr Vorankommen zu boykottieren, nur ein weiterer Ansporn. Als wäre ihr Triumph umso größer, je mehr Widerstand sich ihr entgegenstellt.

Ein fast synchrones »Pling« ertönt aus allen drei Rechnern.

Betr.: »Work hard, party harder«

Eine gute Nachricht für alle Bierliebhaber: Ab sofort könnt ihr es nicht nur trinken, sondern auch Werbung dafür machen! Wir haben den »What the beer«-Etat gewonnen! Darauf müssen wir anstoßen. Heute. Ab 18.00. Dachterrasse. Hunger ist keine Ausrede, nicht aufzutauchen, immerhin ersetzen sieben Bier eine Mahlzeit (und für alle, denen das nicht reicht, gibt es auch Pizza) .

Bis später!

Die Geschäftsführung aka Dave, Matthias und Tobi

»Perfektes Timing!« Mel hat die Mail auch gelesen und sofort beschlossen, eine inoffizielle Beförderungs-Party daraus zu machen. Widerstand zwecklos.

Ava will allein sein. Sie will auf keinen Fall allein sein. Vielleicht wird sie verrückt.

»Ab auf die Terrasse«, ruft Mel und klappt ihren Laptop zu.

2

Ava ist froh, draußen zu sein, auch wenn der Wind scharf über die Dachterrasse zieht. Gierig saugt sie die kühle Luft ein, bekommt fast genug davon in die Lungen. Zwei Praktikantinnen, deren Namen sie nicht kennt, stehen als Scherenschnitte vor der untergehenden Sonne. Zwei einander entgegen gereckte Bierflaschen, die sich beinahe berühren, aber nicht ganz. Lockiges Haar, durch das an einigen Stellen das Abendlicht blitzt.

Der Auslöser von Avas Handykamera tut so, als wäre er eine Spiegelreflex, klackt, obwohl er nicht müsste. Drei Filter später kommt das Bild einigermaßen an die Realität heran, hat die gleiche Bierwerbungs-Leichtigkeit. #work-beerbalance.

So wie das Bild aussieht, denkt Ava, müsste sie sich fühlen. Sie stopft das Handy zurück in ihre Gesäßtasche, zieht die Ärmel ihrer Jacke über die Hände, um die Kälte der Bierflasche weniger zu spüren. Neben ihr faltet sich Mel auf dem Sofa zusammen, zieht die Füße unter sich, bevor sie ihre eigene Flasche gegen die von Ava klirren lässt.

»Auf den nächsten Schritt zum Boss.« Ava versucht zu lachen, doch in ihr zieht sich etwas zusammen. Sie kippt einen großen Schluck Bier in sich hinein, in der Hoffnung, dass es den Klumpen in ihrem Innern auflöst. Aber alles, was sie davon hat, ist ein bitterer Geschmack im Mund.

Sie lässt die Bierflasche über ihre Schläfen rollen, doch die Kühle geht nicht tief genug. Bestimmt ist sie nur erschöpft. Sie muss sich ausruhen, sich erholen. Dann wird sie sich auch freuen können. Oder?

»Lass uns tanzen!« Mel zieht sie vom Sofa hoch. Irgendwer hat Britney Spears angemacht und eine Gruppe von Leuten tanzt pseudo-ironisch.

Ava ist immer schon beeindruckt gewesen von Mels scheinbar unerschöpflicher Energie. Auf der Tanzfläche gewinnt ihr schlaksiger Körper an Kontrolle, und während Ava nur alibimäßig ein bisschen vor sich hin wippt, gibt Mel im Mittelpunkt der Tanzenden eine perfekte Britney-Imitation ab. Dann wird Britney ziemlich abrupt von einem harten elektronischen Beat abgelöst, der in Ava vibriert wie ein tausendfach verstärkter Herzschlag. So unauffällig wie möglich tanzt sie sich aus dem Kreis hinaus, geht zurück ins Büro, um ihre Sachen zu holen.

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