Alex Lépic - Lacroix und das Sommerhaus in Giverny

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Lacroix und das Sommerhaus in Giverny: краткое содержание, описание и аннотация

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Im August ist Paris wie ausgestorben, Cafés und Restaurants sind geschlossen, die Pariser am Meer oder in ihren Ferienhäusern auf dem Land. Commissaire Lacroix genießt die Ruhe, bis er eine Vorladung der besonderen Art erhält: Madame de Touquet muss etwas mit ihm besprechen und duldet keine Widerrede. Persönlich getroffen hat Lacroix sie noch nie, doch ihr Ruf eilt der Grande Dame voraus. In ihrer Wohnung, einem Prachtbau an der Seine mit Blick auf den Eiffelturm, schildert sie dem Commissaire ihr Anliegen: Jemand will sie töten, seit Wochen verabreicht man ihr kleine Dosen Arsen. Lacroix soll zu ihrem jährlichen Sommerfest nach Giverny kommen, wo Madames Familie residiert und die Lacroix' ein kleines Sommerhaus besitzen, ganz in der Nähe von Monets berühmtem Seerosenteich. Der Commissaire mischt sich unter die Schönen und Reichen, genießt Champagner und Foie gras und merkt bald: Auch in den feinsten Kreisen geht es mitunter reichlich schmutzig zu.

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Alex Lépic

Lacroix und das Sommerhaus in Giverny

Sein vierter Fall

Kampa

Eine Einladung wider Willen

1

Lacroix’ Blick war entrückt. Wie stets, wenn er hier stand, konnte er seine Gefühle nicht im Zaum halten. Sein Staunen. Dominique, die neben ihm auf der niedrigen Bank saß, ging es genauso. Er spürte es. Wie sie schwieg und doch bebte, im selben Augenblick.

Der weiß gestrichene Raum. Die Rundung der Wand. Der goldene Rahmen. Und dann das Zentrum, um welches sich alles gruppierte, auf das jeder hier schaute:

Gebogen hing das riesige Tableau an der Wand, gebogen, weil so überhaupt erst die Dimensionen klar wurden – Monets Seerosenteich auf einer Länge von siebzehn Metern.

Es war epochal, er wusste es, ein Meisterwerk. Aber da war noch etwas anderes, ganz Persönliches. Etwas, was nur wenige Kunstwerke vermochten: Monets Werk erschlug Lacroix nicht mit Opulenz oder Klugheit, sondern es erfreute ihn, mehr noch, seine Bilder machten ihn regelrecht glücklich. Sie waren Schönheit pur – auf die Leinwand gebannt.

Lacroix nutzte immer beide Möglichkeiten. Er ging zuerst ganz nah an das Bild heran. Betrachtete die feinen Pinselstriche, die roten Blüten der nymphéas , genau wie die hellgrünen Blätter, die dunkelgrünen Schlingpflanzen am Ufer und die Lichtstimmung des Wassers, changierend zwischen blau und violett, immer wieder kleine Tupfer von Farbe, wenn der Künstler die Spiegelung der Sonne im Teich einfing.

Und dann, nach einem ausgiebigen Gang an dem raumlangen Gemälde entlang, setzte sich der Commissaire neben seine Frau auf die gepolsterte Bank, nun in ausreichender Entfernung, um das ganze Gemälde in den Blick zu nehmen: Die Vollkommenheit des Teiches, den Lacroix so gut kannte, dass er meinte, in seiner Wohnung umherzugehen, und an dem er doch jedes Mal etwas Neues entdeckte, wenn er mit Dominique hierherkam, in das wunderbare Musée de l’Orangerie.

Vorher hatten sie in einem der Cafés in den Tuilerien gesessen, sich das Journal du Dimanche geteilt und den Möwen im Tiefflug zugeschaut. Der Park war voller Menschen gewesen, an ihrer Kleidung und den neugierigen Blicken erkannten die Lacroix’, dass es in der Mehrzahl Touristen waren. Die Pariser hatten fast vollständig die Stadt verlassen.

Dann waren sie ans Ende des Parks spaziert, wo der Verkehr von Concorde herüberdrang, und Lacroix hatte gemächlich eine Pfeife geraucht. Dank ihrer Dauerkarten hatten sie sich schließlich an der endlos scheinenden Schlange vorbeigeschmuggelt.

»Ich habe plötzlich so Lust auf Giverny«, hatte Lacroix gesagt.

»Wie jedes Mal, wenn wir hier sind«, sagte Dominique und ergriff seine Hand.

Sie beobachteten zwei japanische Mädchen, die vor dem gebogenen Bild Aufstellung für ein Selfie bezogen hatten. Dominique schien die Teenager mit aufrichtigem Interesse zu beobachten. Doch auf einmal wandte sie ihren Blick und sah ihn an.

»Du, ich habe das völlig vergessen, mein Lieber«, sagte sie, und ihre Stimme schien von weit her zu kommen, »aber jetzt fällt es mir wieder ein. Mich hat Madame de Touquet besucht, in der mairie . Sie kam ganz plötzlich, du kennst sie ja, sie ist einfach an meiner Vorzimmerdame vorbeigelaufen. Dabei dachte ich immer, es sei ein Ding der Unmöglichkeit, an Veronique vorbeizukommen. Aber nicht für sie, nicht für Madame de Touquet.«

»Was wollte sie?«, grummelte Lacroix. Mit dem Namen war die Wirklichkeit in sein gedankliches Idyll eingebrochen. Giverny – das war das Paradies, aber es war auch die Welt von Madame de Touquet.

»Sie hat uns eingeladen, für einen der nächsten Tage. Zum dîner in ihrer Wohnung am Pont d’Alma.«

»Wieso das denn?« Aus dem Grummeln war eine deutlich zunehmende Unruhe geworden.

»Sie kam nicht, um mich zu sehen, mon cher . Sie kam, weil sie mit dir reden wollte.«

»Wieso ist sie denn nicht in Giverny, zu dieser Jahreszeit?«

Lacroix verzog das Gesicht.

»Ich denke, sie hat es sehr eilig, mit dir zu sprechen. So schien es mir jedenfalls.«

»Und warum kommt sie dann zu dir und nicht …« Lacroix ließ die Frage in der Luft hängen, und Dominique lächelte ihn an.

»Du weißt so gut wie ich, dass sie keinen Fuß in ein Kommissariat setzt. Sie denkt, dort wäre alles voller Verbrecher. Nein, das Rathaus ist mehr ihr Fall. Ich habe es noch im Ohr, wie sie sagte: Ich muss Ihren Mann sprechen, Madame la Maire. Sie werden zu mir zum Essen kommen, wie ist es am Montag?«

Er sah sie verdutzt an.

»Du hast schon zugesagt? Und einen Termin ausgemacht?«

Dominique sah ihn verschmitzt an, ihr bereitete die Idee offensichtlich eine diebische Freude.

»Es hat mich neugierig gemacht, dass sie den Montag wählte«, erwiderte Lacroix’ Gattin, und er wusste genau, was sie meinte. Der Montag war ein Tag, an dem man in Paris keine privaten Besucher empfing, keine Familie. Es war ein Tag, der für geschäftliche Termine reserviert war.

»Meinst du, sie will mich fragen, ob ich als neuer Butler für sie arbeite?«

»Na, bei dem, was man so hört, hat sie einen ordentlichen Verschleiß an Dienstboten«, entgegnete Dominique lachend. »Aber keine Angst: Ich lass dich nicht gehen.«

»Psst, psst«, zischte die Museumsaufseherin von ihrem Stuhl in der Ecke aus.

Lacroix warf ihr einen entschuldigenden Blick zu.

»Na, dann gehen wir wohl morgen Abend in die Höhle des Löwen«, flüsterte er.

»Der Löwin, chéri , der Löwin. Sie bietet uns sicher ein ordentliches dîner

Der Commissaire betrachtete die wunderschönen Seerosen, die sich vor ihm auf dem Gemälde ergossen, ein so friedvolles Bild, dass er spürte, wie er langsam wieder ruhiger wurde. Noch einmal seufzte er.

»Rohes Fleisch oder Schnecken, beides würde gut zu ihr passen.«

2

Im Büro schrumpften die Aktenberge, denn die zweite Augusthälfte bot sich dafür an, Berichte zu schreiben. Paganelli tat diese Arbeit gegen seine Natur auf geradezu vorbildliche Weise, denn er langweilte sich.

In den zwei Wochen vor der rentrée war die Stadt wie ausgestorben. Die Pariser aalten sich an den Stränden, und sogar die Verbrecher machten Urlaub. Ein paar Taschendiebe, die es auf die vollen Geldbörsen der Amerikaner abgesehen hatten – das war alles. Die Habgierigen und Eifersüchtigen warteten, bis die Geschäfte wieder geöffnet und die untreuen Ehegatten nach Paris zurückgekehrt waren.

Capitaine Rio war mit den Zwillingen auf ihre Heimatinsel nach Mayotte geflogen – mit Camille, ihrer Frau. Die Krise zwischen ihnen war noch nicht gänzlich überstanden, aber es war ein zarter Versuch der Annäherung. Lacroix hatte Rios Urlaubsantrag mit einem Lächeln unterschrieben.

Paganelli war hiergeblieben. Direkt nach der rentrée machte er sich auf nach Korsika, in die alte Heimat. Die Strände in Ajaccio waren dann »pariserfrei«, wie er stets betonte, nicht ohne laut zu lachen.

Lacroix trat aus seinem kleinen Büro in den großen Raum, in dem Paganelli saß, gegenüber stand der verlassene Schreibtisch seiner Kollegin. Der Korse las in einer Akte und hob immer wieder den Blick, um auf den Bildschirm seines Computers zu sehen.

»Ich gehe schon hinaus«, sagte Lacroix, »Sie erreichen mich noch für eine Stunde im Chai, danach habe ich ein dîner . Sie können mir aber daheim auf den Anrufbeantworter sprechen, wenn es etwas Dringendes geben sollte, d’accord

»Keine Sorge, Chef«, sagte Paganelli gedankenverloren. »Wenn es so weitergeht, habe ich meine Jahresberichte fertig, bevor Rio zurückkommt. Was soll ich dann machen? Inventur in der Waffenkammer?« Er grinste.

»Nun, allzu oft fühlt sich die Ruhe vor dem Sturm so an«, gab Lacroix zurück.

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