Ihre Stimme hatte einen scharfen Unterton angenommen. Es war nicht zu überhören, dass sie von diesem Gespräch genervt war und sich überfordert fühlte. Als Sanja nicht antwortete, hakte Klara nach. »Sind Sie verheiratet?«
Sanja verneinte. »Also können Sie mich nicht verstehen und meine Situation nicht nachvollziehen«, triumphierte Klara. Die Stimmung wurde aggressiver. Caduff versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Könnte es sein, dass Ihr Mann Feinde hatte?«
»Feinde? Mein Mann hatte nicht mehr Feinde als jeder andere Banker auch. Das Geschäftsleben sei kein Ponyhof, erklärte er immer seinen Kunden, wenn er sie enttäuschen musste. Und Sie als Polizist machen sich definitiv keine Freunde mit Ihrer Fragerei. Meinen Sie, Benno sei selbst schuld an seinem Tod? Oder glauben Sie, dass ich ihn erschlagen habe?«
»Natürlich nicht«, versicherte Caduff und bemühte sich, die Wogen zu glätten. Das Gespräch ging in eine komplett falsche Richtung. Er blieb ruhig und beobachtete Frau Niedermann, wie sie um Fassung rang. Als sie sich nach einer Weile etwas beruhigt hatte, fragte er, ob ihr Mann gern Banker gewesen sei.
»Sehr gern. Er konnte stundenlang über Bankgeschäfte sprechen«, lächelte Klara. Caduff und Sanja warfen sich einen Blick zu. Gut. Sie schien sich gefasst zu haben und das Gespräch konnte weitergehen.
»Was waren seine Hauptaufgaben?«
»Als Private Banker verwaltete er die Vermögen von gut situierten Privatpersonen sowie kleineren bis mittelgrossen Firmen und tätigte in deren Namen neue Anlagen«, erklärte Klara. Aus ihrem weiteren Bericht schloss Caduff, dass er wohl selbstständig gearbeitet hatte und stolz darauf war, Entscheidungen autonom zu fällen. Ihm kam es vor, als zitierte Klara die wichtigsten Punkte aus einem Anforderungsprofil für Private Banker. Benno hatte insgesamt neun Mitarbeitende unter sich, für die er die Verantwortung trug. Gemäss ihrer Meinung war er ein fordernder, aber fairer Chef. Leider habe er kaum ein privates Wort mit seinen Untergebenen gewechselt und sich nicht ansatzweise für ihr Privatleben interessiert. Das ginge ihn nichts an, habe er immer gesagt, wenn sie ihn darauf ansprach. An Jahresend-Essen wollte niemand neben ihm sitzen, weil sich seine Themen ausschliesslich um Bankgeschäfte drehten. Er war freundlich, aber distanziert und lachte aus Prinzip selten. Klara konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihm jemand aus der Bank nach dem Leben trachtete. Auch mit seinen Kunden und Geschäftspartnern war er in keinem herzlichen, aber nichtsdestotrotz guten Einvernehmen.
Nach weiteren Fragen zu Bennos Job realisierte Caduff, dass aus Klara Niedermann heute nichts mehr herauszuholen war. Sie war erledigt und wollte zu ihren Kindern. Eine traurige, heikle und schwierige Aufgabe wartete auf sie, sodass sich ihre Gedanken nur noch darum drehten. Es war auch nicht der Moment für private Fragen.
Caduff schaute sie an. »Eine letzte Frage habe ich noch für heute. Weshalb hat Ihr Mann seine Golftasche im Hotelzimmer aufbewahrt?«
Klara hob erstaunt die Augenbrauen. Sie hatte eine weitere Frage zu seiner Arbeit erwartet. »Das ist eine gute Frage. Er reinigte und pflegte seine Schläger selbst. Seine Golfsachen waren ihm heilig. Mein Mann traute grundsätzlich nur wenigen Leuten. Mit seinem Putter führte er jeden Abend vor dem Schlafengehen noch ein paar Übungsschläge aus. Dieses Ritual war ihm wichtig, auch zu Hause. Deshalb stand sein Putter stets griffbereit neben der Schlafzimmertür.«
Obwohl Caduff keine Ahnung hatte, um was für einen Golfschläger es sich beim Putter handelte, erhob er sich und streckte ihr die Hand entgegen, die sie ergriff. »Ich danke Ihnen, Frau Niedermann. Sie können jetzt heimfahren. Ich bitte Sie, zu Hause zu bleiben und sich weiterhin zu unserer Verfügung zu halten. Es tut mir sehr leid. Ich wünsche Ihnen alles Gute.«
Unter der Tür drehte er sich nochmals um. »Wo haben Sie Ihre Golfschläger im Hotel aufbewahrt, Frau Niedermann? Wir haben nur die Tasche Ihres Mannes im Zimmer gefunden.«
»Mein Golfbag befand sich im Caddy-Raum. Wie die Taschen aller anderen Gäste ebenfalls«, kam ihre postwendende Antwort.
»Ich danke Ihnen, Frau Niedermann.«
Mit diesen Worten verliess er den Raum zuerst und machte sich im Kopf eine Notiz. Er wollte sich erkundigen, um welchen Schläger es sich beim Putter handelte. Ob und wie sich Sanja und Frau Niedermann voneinander verabschiedeten, kümmerte ihn nicht mehr.
Zum Mittagessen fuhr Caduff heim, was selten vorkam. Meistens nahm er im Büro eine Kleinigkeit zu sich. Aber heute zog es ihn zu seiner Frau Carole, die ihm nicht nur etwas Gutes zu essen kochen würde, sondern auch eine ausgezeichnete Zuhörerin war und kluge Fragen stellte. Sie kannte ihn in- und auswendig und wusste, wann ihm zum Sprechen zumute war. Und das brauchte er heute.
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