Faktencheck Unternehmertum
Vorurteile gegenüber Unternehmern gibt es viele. Wir greifen drei besonders gängige heraus und zeigen daran auf, dass es jeglicher Grundlage entbehrt, alle Selbstständigen über einen Kamm scheren und bestimmte Eigenschaften unterstellen zu wollen, die diese Berufsgruppe angeblich von Sportreporterinnen, Kindergärtnern, Richterinnen oder anderen unterscheidet.
Mythos 1: Als Unternehmer müssen Sie risikofreudig sein
Das Leben hält vielfältige Risiken bereit und das gilt nicht nur für Selbstständige. Ob es darum geht, in eine andere Stadt zu ziehen, ein Kind in die Welt zu setzen oder im Job eine neue Aufgabe zu übernehmen – immer braucht es Mut und ein gewisses Maß an Risikobereitschaft, um Entscheidungen wie diese zu treffen. Sind Unternehmerinnen also wirklich wagemutiger als andere Menschen?
Faktencheck: Zwar müssen Unternehmer immer wieder Entscheidungen treffen, von denen sie nicht wissen, ob sie sich später als richtig herausstellen. Aber das Geheimnis des Erfolges liegt gerade nicht darin, hoch zu pokern, sondern kalkulierbare Risiken mit begrenztem Einsatz einzugehen.Schon wahr: Unternehmerinnen, die übervorsichtig sind und zu lange zögern, werden es eher schwer haben. Es ist aber belegt, dass Firmen besonders dann erfolgreich sind, wenn ihre Inhaber keine hohe, sondern lediglich eine mittlere Risikobereitschaft aufweisen (zum Beispiel hier: Marco Caliendo, Frank Fossen, Alexander Kritikos: The Impact of Risk Attitudes on Entrepreneurial Survival , IZA Discussion Paper No. 3525).
Bewertung: Falsch. Um ein Unternehmen zu führen, brauchen Sie keinen ausgeprägten Hang zum Risiko. Eine mittlere Risikobereitschaft ist perfekt.
Mythos 2: Als Unternehmerin müssen Sie ein echtes Arbeitstier sein
Haben Sie schon mal einen dieser Persönlichkeitstests für Gründer gemacht, die darüber aufklären sollen, ob jemand das Zeug zum Unternehmer hat? Eine Frage, die darin zuverlässig auftaucht, lautet: »Sind Sie bereit, mehr als 50 Stunden die Woche zu arbeiten und Ihre Freizeit einzuschränken?« Damit wird suggeriert, dass ein Leben in der Selbstständigkeit eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft voraussetzt und nur etwas für Menschen ist, die nichts kennen außer ihren Beruf. Zu Recht?
Faktencheck: Sicher gibt es sie, diese viel beschäftigten Chefinnen, die morgens die Ersten in der Firma sind und abends die Letzten, und die vor lauter Stress ständig kurz vorm Herzinfarkt stehen. Bei einigen ist das ein Ausdruck ihrer Leidenschaft, bei anderen aber auch aus der Not geboren: Sie schaffen es einfach nicht, ihre Aufgaben abzuschließen oder wirksam zu delegieren.Diese Fälle sollte man aber nicht zum allgemeinen Maßstab erklären. Tatsächlich gibt es auch ausgesprochen faule Unternehmer, die sehr erfolgreich sind. Der wohl bekannteste von ihnen ist Tim Ferriss, der mit seinem Bestseller Die 4-Stunden-Woche (Berlin 2008) gezeigt hat, dass sich ein Unternehmen auch mit minimalem Einsatz führen lässt. Auch wenn einige darin enthaltene Ratschläge hinterfragt werden dürfen, ist das Buch eine tolle Inspirationsquelle für alle, die vom Leben mehr als Arbeit erwarten.
Bewertung: Falsch. Sie müssen nicht jede Woche 50 Stunden und mehr arbeiten, um ein Unternehmen zu führen. Viele Beispiele zeigen, dass es auch anders geht. Wie viel Zeit Sie in Ihren Beruf investieren, hängt auch von der Art Ihres Unternehmens und von der formalen Organisation der Abläufe ab.
Mythos 3: Wenn Sie introvertiert sind, sollten Sie sich lieber um eine Festanstellung bemühen
Ein weiterer Dauerbrenner in besagten Persönlichkeitstests ist die Frage: »Gehen Sie offen auf andere Menschen zu und fällt es Ihnen leicht, Kontakte zu knüpfen?« Eine Frage, deren Aussagekraft gen null tendiert, denn wer sie mit Ja beantwortet, wird es in mindestens 95 Prozent aller Berufe leichter haben als jemand, der nicht gern mit anderen Menschen spricht und die Zähne nicht auseinanderbekommt, wenn er auf Fremde trifft.
Faktencheck: Es gibt keine seriösen Studien darüber, wie viele Firmeninhaberinnen introvertiert und wie viele extrovertiert sind. Aber als gesichert gilt, dass gut ein Drittel der Bevölkerung in die erste Kategorie gehört. Unter ihnen die erfolgreichsten Unternehmer des Planeten: Bill Gates, Warren Buffett, George Soros – allesamt zurückhaltende, aber unternehmerisch immens erfolgreiche Zeitgenossen.Diese Namensliste soll uns als Beleg dienen, dass das Persönlichkeitsmerkmal introvertiert/extrovertiert keine Auswirkungen darauf hat, wie erfolgreich eine Unternehmerkarriere verläuft. Es gibt sehr extrovertierte Unternehmerinnen und sehr zurückhaltende – und alles dazwischen.
Bewertung: Falsch. Ob jemand ein Unternehmen in eine strahlende Zukunft führt oder in die Pleite, hat nichts damit zu tun, wie aufgeschlossen oder schüchtern die Person ist. Extrovertierte Unternehmer fallen nur mehr auf und es wird mehr über sie geredet. Aber sie sind keineswegs erfolgreicher als ihre zurückhaltenden Kollegen.
Unsere Liste der Unternehmermythen ließe sich weiter fortsetzen. Wir belassen es dabei, weil schon diese drei Beispiele zeigen, dass die meisten Geschichten, die über Unternehmerinnen kursieren, schlicht falsch sind.
Es gibt weder einen »Unternehmertyp« noch müssen Sie zum Unternehmertum geboren sein. Es gibt junge und alte, laute und leise, risikofreudige und vorsichtige Menschen, die ein Unternehmen führen. Und sie alle können damit Erfolg haben, auf ihre Weise.
Verschiedene Unternehmerpersönlichkeiten – verschiedene Ziele
So unterschiedlich wie die Unternehmerpersönlichkeiten in der realen Welt, so unterschiedlich sind auch die Ziele, die sie verfolgen:
Die eine möchte viel Geld in kurzer Zeit verdienen, der andere wünscht sich vor allem Freiheit und Autonomie.
Der einen geht es darum, die Welt zu verbessern, der andere hat sich aus der Not heraus selbstständig gemacht.
Die eine brennt für ihre Idee, der andere möchte flexibler arbeiten können, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren.
Wir wissen nicht, was Ihre Gründe dafür sind oder waren, die Selbstständigkeit einer Festanstellung vorzuziehen. Aber wir sind überzeugt: Es hängt nicht von Ihrer Persönlichkeit ab, ob Sie damit glücklich werden, sondern davon, ob Ihr Unternehmen zu Ihrer Persönlichkeit passt. Was Sie dafür tun können, erfahren Sie in diesem Buch.
Letztlich gibt es kein Patentrezept, das in allen Situationen passt. Den richtigen Dreh für Ihr Unternehmen zu finden, ist eine Entwicklungsaufgabe, vor der Sie jeden Tag aufs Neue stehen, und das Ergebnis wird immer eine selbst geschneiderte Maßanfertigung sein.
Sie wissen dabei selbst am besten, wie Ihr Unternehmen funktioniert und wo die Knackpunkte liegen. Mit diesem Buch möchten wir Ihnen lediglich die Werkzeuge an die Hand geben, die Ihnen dabei helfen, ein gelungenes Unternehmerleben zu führen.
Herausforderungen im Unternehmeralltag
Nicht nur Unternehmerpersönlichkeiten sind bunt und vielfältig, die Aufgaben, vor denen Unternehmer tagtäglich in ihren Betrieben stehen, sind es auch. Gleichwohl lassen sich einige allgemeine Herausforderungen benennen, die sie alle kennen, ganz unabhängig von der Branche, der Region oder der Größe des Betriebs (siehe Abbildung 1.1).

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