7Als sie fortgingen, fing Jesus an, zu dem Volk über Johannes zu reden: Was wolltet ihr sehen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das vom Wind bewegt wird? 8Oder was wolltet ihr sehen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Menschen in weichen Kleidern? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige. 9Oder was wolltet ihr sehen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Propheten? Ja, ich sage euch: Er ist mehr als ein Prophet. 10Dieser ist‘s, von dem geschrieben steht: »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.«
11Wahrlich, ich sage euch: Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer; der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer als er. 12Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis heute leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es an sich. 13Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis hin zu Johannes; 14und wenn ihr‘s annehmen wollt: Er ist Elia, der da kommen soll. 15Wer Ohren hat, der höre!
16Mit wem soll ich aber dieses Geschlecht vergleichen? Es ist den Kindern gleich, die auf dem Markt sitzen und rufen den andern zu: 17Wir haben euch aufgespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen und ihr habt nicht geweint. 18Denn Johannes ist gekommen, aß nicht und trank nicht, und sie sagen: Er ist von einem Dämon besessen. 19Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt, und sie sagen: Siehe, dieser Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! Und doch ist die Weisheit gerechtfertigt worden aus ihren Werken.
Mt 11,1–19Johannes befragt Jesus 11,1Diese Gebote […] beendet hatte, Jesus entsendet seine Jünger nicht auf eine selbständige Missionsreise (im Gegensatz dazu: Mk 3,14; Lk 7,18–35). 11,2–3Gefängnis, Josephus lokalisiert den Ort von Johannes’ Inhaftierung in Machaerus, acht Kilometer östlich des Toten Meeres (Ant. 18,116–19). Christus, vgl. Mt 3,13–17. Seine Jünger, vgl. Anm. zu 9,14; Mt 14,12. 11,4–5Was ihr seht und hört, zwar erfüllt Jesus einige messianische Erwartungen, jedoch divergierten die Erwartungen, wer der Messias sei und was passieren würde, wenn er käme (Jes 35,4–6.9–10; vgl. auch Jes 26,19; 29,18–19 und syrBar 29,6; 4Q521; 11QMelch 18). Vgl. „Messianische Bewegungen“. Matthäus lässt den Ausdruck, „den Gefangenen die Freiheit [verkündigen]“ (Jes 61,1) aus. Vielleicht will Jesus auch eine direkte Antwort vermeiden, da ein Bericht an den gefangenen Johannes mit den Worten „Ich bin der Messias“ auch zu seiner eigenen Gefangennahme führen könnte. 11,10Vgl. Mal 3,1. 11,11Von einer Frau geboren, Sterbliche; vgl. Hiob 14,1; 15,14; 25,4; bSchab 88b. Der Kleinste […] im Himmelreich, d.h. alle, die Jesus nachfolgen und im Himmelreich sind. 11,13Propheten und das Gesetz, die Schrift Israels, die den Messias erwartet (Apg 3,24; bBer 34b, „Sämtliche Propheten haben über nichts anderes geweissagt, als über die messianischen Tage“; vgl. auch bSchab 63a; bSan 99a). Tertullian (pud. 8) sah in der Ankunft Johannes’ des Täufers eine Negation der Tora. 11,14–15Vgl. Joh 1,21. Elia, Vorläufer des messianischen Zeitalters, nach Mal 3,23 aber nicht Vorbote eines Messias; vgl. auch Sir 48,10. In bSan 98a wird Elia, als der erwartete Messias, von den Rabbinen bezüglich seiner Ankunft befragt. 11,18Aß nicht und trank nicht, er lebte asketisch. 11,19Menschensohn, vgl. Anm. zu 8,20. Fresser und Weinsäufer, Anspielung auf den widerspenstigen Sohn (Dtn 21,20). Zöllner und Sünder, vgl. Anm. zu 5,46 und 9,10. Weisheit, gr. sophia; hebr. chochma, ist die weibliche Erscheinungsform des Göttlichen (Spr 1–9 [besonders Kap. 8]); Weish 7,21–8,1).
20Da fing er an, die Städte zu schelten, in denen die meisten seiner Taten geschehen waren; denn sie hatten nicht Buße getan:
21Wehe dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Wären in Tyrus und Sidon die Taten geschehen, die bei euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche Buße getan. 22Doch ich sage euch: Es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen am Tage des Gerichts als euch. 23Und du, Kapernaum, wirst du bis zum Himmel erhoben werden? Du wirst bis zur Hölle hinabfahren. Denn wenn in Sodom die Taten geschehen wären, die in dir geschehen sind, es stünde noch heutigen Tages. 24Doch ich sage euch: Es wird dem Land von Sodom erträglicher ergehen am Tage des Gerichts als dir.
Mt 11,20–24Jesus verdammt drei Städte ( Lk 10,13–15) 11,21Wehe dir, ein prophetischer Ausdruck (Jes 5,11–17; 23,1–12; 29,15–21). Chorazin […] Betsaida, jüdische Städte an der Nordspitze des Galiläischen Meeres, nahe Kapernaum (vgl. Mk 6,45; 8,22; Lk 9,10–17; Joh 1,44). Tyrus und Sidon, Städte am Mittelmeer, die wegen ihres übertriebenen Reichtums zurechtgewiesen wurden (Jes 23; Ez 28; vgl. Jer 25,22; 27,3; 47,4; Joel 4,4–7; Sach 9,1–4). 11,23Kapernaum, vgl. Anm. zu 4,13. Hölle, gr. hades, gleichbedeutend mit gehenna; das Totenreich (vgl. Anm. zu 5,22). Sodom, vgl. Anm. zu 10,15.
25Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart. 26Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen. 27Alles ist mir übergeben von meinem Vater, und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.
28Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. 29Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. 30Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.
Mt 11,25–30Jesu Vollmacht ( Lk 10,21–22) 11,25Vgl. Mt 10,42; 18,10. Unmündige, die jüdische Tradition hält dazu an, Kinder (bzw. die „Einfältigen“) zu unterrichten (Dtn 6,7; Ps 8,3; 19,8; 118,30 [LXX]; Spr 1,4; 1QH 7,21–22). 11,27Jesus beansprucht einzigartiges Wissen über das Göttliche. 11,29Joch, steht in Verbindung zum Torastudium (Sir 51,23.26; in mAv 3,5 legen die Rabbinen fest, dass, wer das „Joch der Tora auf sich nimmt“, von politischen Verpflichtungen und weltlicher Sorge befreit ist; vgl. auch mBer 2,2), Disziplin und Gehorsam (Gen 27,40; Jer 5,5; vgl. äthHen 103,11; PsSal 7,30; 17,30; Sib 3,391–92.448.508.537.567; in bAS 5a sehnt sich Gott nach Israels’ Gehorsam.
Matthäus 12
1Zu der Zeit ging Jesus am Sabbat durch die Kornfelder; und seine Jünger waren hungrig und fingen an, Ähren auszuraufen und zu essen. 2Da das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu ihm: Siehe, deine Jünger tun, was am Sabbat nicht erlaubt ist.
3Er aber sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als ihn und die mit ihm waren, hungerte: 4Wie er in das Haus Gottes ging und aß die Schaubrote, die doch weder er noch die mit ihm waren, essen durften, sondern allein die Priester? 5Oder habt ihr nicht gelesen im Gesetz, dass die Priester am Sabbat im Tempel den Sabbat brechen und sind doch ohne Schuld? 6Ich sage euch aber: Hier ist Größeres als der Tempel. 7Wenn ihr aber wüsstet, was das heißt (Hosea 6,6): »Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer«, dann hättet ihr die Unschuldigen nicht verdammt. 8Denn der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.
9Und er ging von dort weiter und kam in ihre Synagoge. 10Und siehe, da war ein Mensch, der hatte eine verdorrte Hand. Und sie fragten ihn und sprachen: Ist‘s erlaubt, am Sabbat zu heilen?, damit sie ihn verklagen könnten. 11Aber er sprach zu ihnen: Wer ist unter euch, der sein einziges Schaf, wenn es am Sabbat in eine Grube fällt, nicht ergreift und es heraufhebt? 12Wie viel mehr ist nun ein Mensch als ein Schaf! Darum ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun.
13Da sprach er zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus; und sie wurde wieder gesund wie die andere. 14Da gingen die Pharisäer hinaus und hielten Rat über ihn, dass sie ihn umbrächten.
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