30Es war aber fern von ihnen eine große Herde Säue auf der Weide. 31Da baten ihn die Dämonen und sprachen: Willst du uns austreiben, so schick uns in die Herde Säue. 32Und er sprach: Weg mit euch! Da fuhren sie aus und fuhren in die Säue. Und siehe, die ganze Herde stürmte den Abhang hinunter ins Meer, und sie ersoffen im Wasser.
33Und die Hirten flohen und gingen hin in die Stadt und berichteten das alles und wie es den Besessenen ergangen war. 34Und siehe, da ging die ganze Stadt hinaus Jesus entgegen. Und als sie ihn sahen, baten sie ihn, dass er ihr Gebiet verlasse.
Mt 8,18–34Die Stillung des Sturms und Dämonenaustreibungen 8,19Schriftgelehrter, vgl. Anm. zu 7,28–29. 8,20Menschensohn, rabbinische Quellen benutzen den Ausdruck – ausgehend von Dan 7,13–14 – in eschatologischem Sinne und in Verbindung mit dem Messias (bSan 98a: „Wie ein Menschensohn kam er mit den Wolken des Himmels heran“; vgl. Anm. zu 10,23; vgl. Mt 16,27sowie Ps 62,13; Spr 24,12; Röm 2,6; 1Joh 2,28; Offb 2,23; 22,12). Vgl. „Übernatürliche Wesen“. 8,21–22 Lk 9,57–62. Meinen Vater begrabe, vgl. 1Kön 19,19–21. Im Judentum gilt eine siebentägige Trauerzeit (hebr. schiva, übers. „sieben“; Jdt 16,24; Sir 22,12; ApkMos 43,3; bSan 47b). Lass die Toten ihre Toten begraben, jüdische Quellen betonen, dass es von größter Bedeutung ist, einen Leichnam zur Bestattung zu begleiten (bBer 18a, wo Spr 17,5 zitiert wird); Gen 25,9 bekundet, dass Abraham von seinen Söhnen begraben wird; Tob 6,13–15 enthält eine Erzählung über einen Sohn, der sich darum sorgt, dass im Falle seines Todes niemand seine Eltern bestatten könne. 8,23–27 Mk 4,35–41; Lk 8,22–25. 8,24Großes Beben, gr. seismos, sonst auch als „Sturm“ übersetzt; ein apokalyptisches Bild (vgl. Mt 24,7; 27,51; 28,2). Er aber schlief, das Entspannen in einer Notlage signalisiert Glauben (Lev 26,6; Ps 3,6–7; 4,9; Spr 3,24–26; Hiob 11,18–19; Apg 12,6). 8,26[Er] bedrohte den Wind, Matthäus stellt Jesus – wie Gott – als Herrn über die Natur dar, wodurch er Jona übertrifft. 8,28–34 Mk 5,1–20; Lk 8,26–39. 8,28Gadarener, Menschen aus Gadara, einer Stadt 10 km südöstlich des Galiläischen Meeres (in Mk 5,1wird die Stadt Gerasa genannt; vgl. Jos.Vit. 42). Matthäus hat gegenüber Markus den Namen des Schauplatzes abgeändert, vermutlich damit er zu den geographischen Details der Erzählung passt. 8,29Ehe es Zeit ist, das Jüngste Gericht (äthHen 16,1; Jub 10,7–10). 8,31Säue, Schweine sind nicht koscher (Lev 11,7; Dtn 14,8; Jes 65,4; 66,3.17; 1Makk 1,47; 2Makk 6,18–23); Gadara ist nichtjüdisches Gebiet. 8,32Weg mit euch, die rabbinische Tradition überliefert eine Begebenheit, bei der R. Simeon b. Jochai mit diesem Befehl einen Exorzismus durchführt (bMeil 17b). Die ganze Herde […] ersoff im Wasser, die Erzählung veranschaulicht Jesu Macht über böse Geister; Schweine können schwimmen. 8,34Baten sie ihn, dass er ihr Gebiet verlasse, ökonomische Interessen scheinen bei den Gadarenern stärker ins Gewicht zu fallen als Heilungswunder.
Matthäus 9
1Da stieg er in ein Boot und fuhr hinüber und kam in seine Stadt. 2Und siehe, da brachten sie zu ihm einen Gelähmten, der lag auf einem Bett. Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sei getrost, mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben.
3Und siehe, einige unter den Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst: Dieser lästert Gott. 4Da aber Jesus ihre Gedanken sah, sprach er: Warum denkt ihr so Böses in euren Herzen? 5Was ist denn leichter, zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf und geh umher? 6Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Macht hat, auf Erden Sünden zu vergeben – sprach er zu dem Gelähmten: Steh auf, hebe dein Bett auf und geh heim!
7Und er stand auf und ging heim. 8Als das Volk das sah, fürchtete es sich und pries Gott, der solche Macht den Menschen gegeben hat.
Mt 9,1–8Jesus heilt einen Gelähmten ( Mk 2,1–12; Lk 5,17–26) 9,1Seine Stadt, Kapernaum (vgl. Mt 4,13; 8,5). 9,2Deine Sünden sind dir vergeben, einige Quellen führen Krankheit auf Sündhaftigkeit zurück (Ps 103,3; 4QSchir; 1QS 3,20–24; mAv 2,7; tBer 6,3). 9,3Dieser lästert Gott, entweiht den Namen Gottes; es gibt keinen Anhaltspunkt, dass Jesus nach jüdischen Rechtsnormen der Blasphemie schuldig war. Die Vollmacht Sünde zu vergeben, liegt bei Gott (Ex 34,6; Num 14,18; 2Sam 12,13; Jes 6,7; 43,25; 44,22; Dan 9,9), aber andere können in seinem Auftrag sprechen. 9,6Menschensohn, vgl. Anm. zu 8,20. 9,8[Das Volk] pries Gott, vgl. Anm. zu 6,9. Das Volk hält Jesu Handeln nicht für blasphemisch. Der solche Macht den Menschen gegeben hat, vgl. bBer 58a: Die Rabbinen erörtern, wem das Recht zusteht, Autorität auszuüben – vor allem ohne Erlaubnis des Staats.
9Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.
10Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. 11Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? 12Als das Jesus hörte, sprach er: Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. 13Geht aber hin und lernt, was das heißt (Hosea 6,6): »Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer.« Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
Mt 9,9–13Sünder und Zöllner ( Mk 2,14; Lk 5,27–28) 9,9Matthäus, hebr. mattitjahu, übers. „Geschenk JHWHs“ (vgl. Mt 10,3; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13). Vgl. bSan 43a, wo die Rabbiner erwähnen, dass Matthai ein Jünger von Jeschu – eine hebr. Ableitung von „Jesus“ – war. 9,10Zöllner, vgl. Anm. zu 5,46, vgl. auch Mk 2,15–16; Lk 3,12–13; 15,1; in bSan 25b nennen die Rabbinen Zöllner in einem Atemzug mit anderen Verbrechern (z.B. mit Räubern); vgl. auch Philo spec. 3,30; jChag 2,2/77d–78a; bBech 31a. Sünder, wer gegen das Wohlergehen der Familie oder der Gemeinschaft handelt (vgl. Mt 15,2und Tob 4,17; PsSal 2,34; 13,1; 14,6–7; Sib 3,304; bBer 61a). 9,13Barmherzigkeit will ich […], Hos 6,6. Sowohl bei Hosea als auch bei Jesus zielt die Rhetorik darauf, dass Barmherzigkeit Vorrang vor dem Opfer hat, nicht dass jenes beseitigt werden soll ( Mt 5,23–24).
14Da kamen die Jünger des Johannes zu ihm und sprachen: Warum fasten wir und die Pharisäer so viel und deine Jünger fasten nicht? 15Jesus sprach zu ihnen: Wie können die Hochzeitsgäste Leid tragen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten.
16Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von neuem Tuch; denn der Lappen reißt doch wieder vom Kleid ab und der Riss wird ärger. 17Man füllt auch nicht neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißen die Schläuche und der Wein wird verschüttet und die Schläuche verderben. Sondern man füllt neuen Wein in neue Schläuche, so bleiben beide miteinander erhalten.
Mt 9,14–17Fasten ( Mk 2,18–22; Lk 5,33–39) 9,14Jünger des Johannes, dass Johannes (der Täufer) sich Jünger suchte, deutet an, dass er Jesus nicht als Messias betrachtete. Fasten der Pharisäer, vgl. Anm. zu 6,16–18; 2Sam 12,22–23; 1Kön 21,27–29; Sach 8,19; bzgl. der Fastenzeiten vgl. bRHSch 18b. 9,15Bräutigam, eine frühchristliche Metapher für Jesus, der als Bräutigam der Kirche verstanden wurde ( Joh 3,29; 2Kor 11,2; Eph 5,21–33; Offb 19,7; 21,2.9; 22,17); Jesus hat den Begriff vermutlich als Selbstbezeichnung verwendet. Bzgl. der Befreiung von Bräutigamen von bestimmten Handlungen, z.B. der Feier des Laubhüttenfestes, vgl. bSuk 25b (vgl. auch Dtn 20,7). 9,17Beide [bleiben] miteinander erhalten, sowohl biblisches Recht als auch dessen Interpretation durch Jesus, bzw. die Kirche.
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