„Deine Truppe?“, verhört Mark den Bruder seiner Kollegin wissbegierig. Auch Stefan Wolf ist ihm durch die Zeit, die er beim Bundeskriminalamt mit Emma zusammengearbeitet hat, gut bekannt. „Wo bist du untergekommen?“
„Stefan ist der neue Truppenführer bei einem eurer Spezialeinsatzkommandos“, antwortet Emma ihm.
„Ich muss schon sagen“, staunt Mark. „Ihr zwei habt ganz schön Karriere gemacht. Es kommt selten genug vor, dass eine Frau einen leitenden Posten erhält, aber dass ihr beide in eurem Alter schon so weit seid, grenzt an ein Wunder.“
„Oder an Können“, spottet Stefan frech, woraufhin sie alle fröhlich auflachen.
Ihr Bruder hat nicht zu viel versprochen, in Kürze ist der Tisch durch die Kollegen aus Stefans Einheit regelrecht belagert. Die harte Arbeit hindert sie nicht daran, ausgiebig mit der bildhübschen jungen Frau zu flirten, über die sie neugierig alles wissen wollen.
Doch ihre Arbeit in Berlin gibt sie nicht preis, da dies der höchsten Geheimhaltung unterliegt. Jeder, der diesem Gespräch zuhört, geht davon aus, dass Emma Wolf in Berlin eine ähnliche Arbeit als Polizistin verrichtet hat, wodurch sie mit dem Posten der stellvertretenden Leitung hier ihre Karriere steigert. Dass sie in Berlin für ihren Vater, dem als Leiter der Abteilung Sechs im Bundeskanzleramt unter anderem der Bundesnachrichtendienst unterstand, als knallharte Geheimdienstagentin tätig war, wissen außer Mark Sievers nur noch einige wenige Vorgesetzte. Und auch nach Richard Wolfs Tod blieb sie unter dessen Nachfolger Wolfgang Keller weiterhin ihrer Arbeit treu, bis sie Gerd Bach kennenlernte.
1Paternoster = historische Aufzug
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An dem darauffolgenden Montagmorgen fährt die leistungsstarke Limousine, ein Audi A6 TDI mit 3,0-Liter-Dieselmotor und einer Leistung von 286 PS, langsam auf der Abflugebene am Düsseldorfer Flughafen in eine der Kiss and Fly Parkbuchten, die lediglich für einen kurzen Halt zum Aussteigen und Entladen gedacht sind.
Während der Chauffeur sich in aller Eile um das Gepäck seiner Passagiere kümmert, steigt Peter Staller aus dem Wagen, um seiner Schwiegermutter aus dem Fond zu helfen. Galant streckt der gutaussehende achtundvierzigjährige Konzernchef ihr seine Hand entgegen, welche diese gern ergreift.
Dorothea Waldners blaugraue Augen leuchten belustigt auf. „Das kann ja nur eine wunderbare Reise werden, wenn ich schon vor ihrem Antritt so würdevoll behandelt werde.“
Auch Peter lächelt. Selbst die legere Kleidung verhindert nicht, dass man dem 1,86 Meter großen dunkelhaarigen Mann die Macht und den Einfluss ansieht, den seine Stellung als Unternehmer eines Großkonzerns mit sich bringt. Eilig umrundet er das Fahrzeug, um auch seiner Frau beim Aussteigen behilflich zu sein. Zu dritt finden sie sich am Heck des Wagens ein, um ihr Handgepäck von Jochen, dem privaten Chauffeur des Unternehmers, entgegenzunehmen. Das Reisegepäck wurde bereits am Vorabend aufgegeben.
„Vielen Dank für das Chauffieren, Jochen“, wendet sich Peter an seinen Angestellten.
„Keine Ursache, Chef. Ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub. Kommen Sie alle heil zurück.“
Die Unternehmers-Gattin Karola Staller ist Dozentin für Ernährungswissenschaften, die in ihrer selbstständigen Tätigkeit diversen Universitäten, Laboren und anderen Einrichtungen zur Seite steht. Überrascht schaut die 1,68 Meter große Frau mit dem modischen Kurzhaarschnitt und den grauen Augen in das lächelnde Gesicht des Chauffeurs. „Ich glaube, Sie verwechseln uns mit meinem Sohn und seinem Freund. Wir jedenfalls haben nicht vor, uns in ein gewagtes Abenteuer zu stürzen, sondern werden redlich ausspannen.“
„Ja, natürlich. So habe ich das gemeint“, erwidert Jochen ernst, während er mit dem Konzernchef einen amüsierten Blick tauscht. Sie alle wissen, dass sowohl Andreas Staller, der Sohn des Hauses, sowie dessen Freund Gerd Bach schon mehr als ein gewagtes Abenteuer hinter sich haben. „Gute Reise“, wünscht Jochen den Urlaubern, bevor er sich mit der Limousine auf den Rückweg macht.
Sie schauen dem Chauffeur kurz hinterher, dann begeben sich die drei Reisenden zu ihrem Check-in-Schalter im Abflugterminal.
Dorothea Waldner, die ehemalige Chefchirurgin eines Konstanzer Krankenhauses und mittlerweile geschätztes Mitglied des Aufsichtsrats, wird in den nächsten zehn Tagen in der Hauptstadt der Thailändischen Provinz Udon Thani helfen, die Pläne für die Modernisierung des dortigen Krankenhauses zu erstellen. In Kooperation mit ihrem Klinikum wird der Ausbau noch in diesem Jahr beginnen. Die Mittel dafür wurden bereits vom Aufsichtsrat und der Geschäftsführung freigegeben, so dass die Ärztin bestens auf ihre Aufgabe vorbereitet ist. Ihre Tochter Karola Staller und ihr Schwiegersohn haben sich entschlossen, die sechsundsechzigjährige Geschäftsfrau auf dieser Reise zu begleiten.
Nachdem alle Passagiere ihre Plätze in dem Airbus A320 der Fluglinie Lufthansa eingenommen haben, startet diese ohne weitere Verzögerung, der Anschlussflug von Frankfurt nach Bangkok mit einem Airbus A380 der Thai Fluggesellschaft geht über Nacht und die letzte Etappe vom Flughafen Bangkok-Suvarnabhumi nach Udon Thani legen sie mit einem Airbus A320 der Thai Smile Fluggesellschaft zurück. Nach einer Gesamtflugzeit von neunzehn Stunden landen sie an ihrem Zielflughafen Udon Thani in Thailand. Die Strecke bis zum Centara Hotel & Convention Centre Udon Thani, einem 4-Sterne-Hotel, legen Sie in fünfzehn Minuten mit dem Taxi zurück. Durch die Zeitverschiebung von sechs Stunden erreichen die Urlauber ihr Hotel erst am Dienstag zur Mittagszeit.
Um sich von der Strapaze des langen unbequemen Sitzens im Flugzeug zu erholen, entschließen sich die drei Familienmitglieder zu einer ersten Besichtigungstour, die sie nach einem leichten Mittagessen neugierig starten.
„Wo wollt ihr zuerst hin?“, erkundigt sich Peter bei den Frauen, die sich daraufhin mit schalkhaft blitzenden Augen ansehen.
„Shoppen!“, kommt die fröhliche Antwort von beiden gleichzeitig, bevor sie vergnügt loslachen.
„Warum frage ich auch?“, stöhnt der Konzernchef. „Das hätte ich mir eigentlich denken können. Aber ich mache euch einen Vorschlag. Laut meinem Reiseführer bieten sich für euch zwei Möglichkeiten. Gleich hier neben dem Hotel befindet sich die Central Plaza mit westlichen Kaufhäusern und einigen Händlern von ansässigen Marken. Ich könnte mir vorstellen, dass für euch ein Einkaufstripp auf den Posri Road reizvoller ist. Dort finden wir aneinandergereiht kleinere Boutiquen mit Kleidung oder handgefertigtem Kunsthandwerk, lokale Möbelbauer, Gold-Shops und Juweliere. Das ist zu Fuß gerade einmal eine Viertelstunde entfernt.“
„Hört sich doch gut an“, bewertet Dorothea die Aussage. „Worin besteht denn jetzt dein Vorschlag?“
„Im Reiseführer steht, dass sich das wirkliche Leben dort erst gegen Abend abspielt. Lasst uns die Einkaufstour bis nach dem Abendessen verschieben, stattdessen sehen wir uns einmal die Stadt an.“
„Was schwebt dir denn da so vor?“, will seine Frau wissen.
„Udon Thani hat eine rund sechstausend Jahre alte Geschichte vorzuweisen“, liest Peter aus seinen Unterlagen ab. „Die Stadt hat rund einhundertvierzigtausend Einwohner und ist eine der wichtigsten wirtschaftlichen und infrastrukturellen Knotenpunkte am Mekong-Zufluss Mae Nam Luang. Sie hat viele Sehenswürdigkeiten zu bieten, wie den Octagonal Pavilion, die Orchideenfarm Udorn Sunshine Nursery, dort bekommt ihr übrigens auch selbsthergestellte Parfüms, dann den Tempel Wat Pho Chai Sri mit der eintausendzweihundert Jahre alten berühmten Buddha-Statue Luang Pho Phra Sri, angeblich wurde sie bisher vier Mal gestohlen und kam doch immer wieder hierher zurück, faszinierend“, staunt Peter.
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