162
Da der Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheiten den rechtlichen Regelfall bildet (s.o. Rn 158), muss sich die Zuordnung zur Bundesauftragsverwaltung explizit aus dem GG ergeben. Gegenstände der Bundesauftragsverwaltungsind insbes.[58] der Vollzug des Atomrechts, Art. 87c GG sowie der Vollzug bestimmter steuerrechtlicher Normen, Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG[59]. Die Verwaltung von Bundesfernstraßenwar lange Zeit ebenfalls ausschließlich der Bundesauftragsverwaltung zuzuordnen. Bis zum 31.12.2020 war jedoch die Verwaltung von Bundesautobahnen zwingend in die bundeseigene Verwaltung zu überführen, Art. 90 Abs. 2 i.V.m. Art. 143e GG[60]. Im Übrigen, also bei sonstigen Bundesfernstraßen, verbleibt es nach Art. 90 Abs. 3 GG auch weiterhin bei der Bundesauftragsverwaltung.
c) Bundeseigene Verwaltung
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Ein dritter Typ ist die bundeseigene Verwaltung, Art. 86 GG. In diesem Fall erlässt der Bund wiederum die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Die Einrichtung der Behördenregelt er selbst. Auch hier muss sich die Zuordnung wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses (s.o. Rn 158) aus dem GG ergeben. Allerdings ermöglicht Art. 87 Abs. 3 GG die fakultative Bundesverwaltung für (sonstige) Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung[61]. Obligatorisch der bundeseigenen Verwaltung zugeordnet sind etwa[62] die Bundeswehr und die Bundeswehrverwaltung (Art. 87a und 87b GG), die Luftverkehrsverwaltung (Art. 87d GG) die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Bundeseisenbahnen (Art. 87e Abs. 1 GG) sowie die Verwaltung der Bundeswasserstraßen (Art. 89 Abs. 2 GG). Hinzu kommt seit dem 31.12.2020 gemäß Art. 90 Abs. 2 i.V.m. Art. 143 Abs. 1 GG die Verwaltung von Bundesautobahnen (s.o. Rn 162).
3. Nicht-gesetzesakzessorische Verwaltung
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Die durch das GG bestimmte Kompetenzordnung gilt nicht nur für die gesetzesakzessorische, sondern auch für die „gesetzesfreie“ bzw. nicht gesetzesakzessorische Verwaltung (zum Begriff s.o. Rn 24). Da Art. 83 ff GG lediglich den Vollzug von Bundesgesetzen regeln[63], ist bei der „gesetzesfreien“ Verwaltung auf die Grundsatzregelung des Art. 30 GG zur Kompetenzverteilung im Bundesstaat zurückzugreifen. Auch insoweit sind also grundsätzlich die Länder zuständig[64].
4. Vollzug von Unionsrecht
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Von zunehmender Bedeutung ist der Vollzug unmittelbar geltenden oder umgesetzten Unionsrechts. Dabei gelten Verordnungengemäß Art. 288 UAbs. 2 S. 2 AEUV unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Im Gegensatz dazu müssen Richtliniengemäß Art. 288 UAbs. 3 AEUV grundsätzlich zunächst in innerstaatliches Recht umgesetzt werden (s.o. Rn 82). Im Regelfall wird das Unionsrecht ebenso wie das innerstaatliche Recht durch die Mitgliedstaaten vollzogen. Dieser indirekte Vollzugist nicht nur der praktische Regelfall, sondern wegen der Grundsätze des Art. 5 EUV (s.o. Rn 52) auch rechtlich vorrangig gegenüber dem Direktvollzug durch die Stellen der Europäischen Union[65]. Aufgrund der innerstaatlichen Kompetenzverteilung (s.o. Rn 157) führt dies im Regelfall zur Zuständigkeit der Länder. Beim indirekten Vollzug des Unionsrechts haben die Stellen der Mitgliedstaaten den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber innerstaatlichem Recht, das Äquivalenzgebot und das Effektivitätsgebot sowie das Gebot unionsrechtskonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechts zu beachten (s.o. Rn 53)[66].
166
Demgegenüber bildet der Direktvollzugdurch die Stellen der Europäischen Union den praktischen und rechtlichen Ausnahmefall. Organe dieses Direktvollzugs sind neben der Kommission und den rechtlich ihr zugeordneten Stellen insbes. die Agenturen (s.o. Rn 155). In einigen Materien des Besonderen Verwaltungsrechts ist die Entscheidungsfindung derart komplex, dass am Vollzug sowohl Stellen der EU als auch innerstaatliche Stellen beteiligt sind. Der funktionell geeinte Vollzug des Unionsrechts durch mitgliedstaatliche und unionale Stellen wird auch als Europäischer Verwaltungsverbundbezeichnet[67]. Dabei geht es – anders als beim grundsätzlichen Verbot der Mischverwaltung (s.o. Rn 156) – aber typischerweise um gestufte Verwaltungsentscheidungen. Anzutreffen sind solche Konstellationen regelmäßig noch nicht in den Standardvorlesungen des Allgemeinen und Besonderen Verwaltungsrechts, sondern erst in den späteren Schwerpunktbereichen insbes. des Umweltrechts und des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Daher soll an dieser Stelle auf eine eingehendere Behandlung verzichtet werden.
IV. Bestimmung der Zuständigkeit
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Eine klausurrelevante Frage, die zugleich eng mit der Verwaltungsorganisation verwoben ist, bildet die Bestimmung der Zuständigkeit der handelnden Behörde. Hier ist zu unterscheiden zwischen der sachlichen, der instanziellen und der örtlichen Zuständigkeit. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach den einschlägigen Sachmaterien: Hier ist zunächst die Vorfrage der Verbandskompetenzzu klären, also die Frage, welcher Verwaltungsträger für die betreffende Sachaufgabe zuständig ist: der Bund, das jeweilige Land, ein Träger mittelbarer Staatsverwaltung oder die Europäische Union (s.o. Rn 156ff). Die sachliche Zuständigkeitweist sodann innerhalb des zuständigen Verwaltungsträgers die Sachaufgabe bestimmten Behörden oder anderen Organen zu: So sind die Polizeibehörden zuständig für das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht oder die Bauaufsichtsbehörden für das Bauordnungsrecht.
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Die sich anschließende instanzielle Zuständigkeitgeht der Frage nach, welcher Verwaltungsstufe innerhalb eines mehrstufigen Aufbaus der sachlich zuständigen Behörden die Aufgabe zugewiesen wird. Die instanzielle Zuständigkeit führt oftmals zur Zuständigkeit der unteren Stufe bei einem zweistufigen Verwaltungsaufbau bzw. der untersten Stufe bei einem dreistufigen Verwaltungsaufbau (s.o. Rn 133ff). Je komplexer die Einzelaufgabe ist, desto eher betraut der Gesetzgeber aber die höhere oder oberste Verwaltungsstufe damit. Schließlich regelt die örtliche Zuständigkeitden räumlichen Tätigkeitsbereich. Sie wird erst dann relevant, wenn auf der gleichen Verwaltungsstufe eine Aufteilung nach räumlichen Gesichtspunkten erfolgt.
Beispiel:
Aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung sind für das Verfahren zur Erteilung einer Baugenehmigung die Länder zuständig. Die Landesbauordnungen weisen die sachliche Zuständigkeit jeweils den Bauaufsichtsbehörden zu (sachliche Zuständigkeit). Innerhalb der Bauaufsichtsbehörden ist regelmäßig die untere Bauaufsichtsbehörde instanziell zuständig. Da es innerhalb aller Bundesländer mehrere Bauaufsichtsbehörden auf der unteren Stufe gibt, muss auch die örtliche Zuständigkeit bestimmt werden. Diese richtet sich nach der Lage des betreffenden Grundstücks[68].
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Für die Bearbeitung von Klausurengilt Folgendes: Die Zuständigkeit ist nur selten problematisch. Häufig wird im Sachverhalt ein Handeln durch die „zuständige Behörde“ festgestellt. (Eingehendere) Prüfungen der Zuständigkeit wären hier nicht nur zeitintensiv, sondern sogar fehlerhaft, da ungefragt. Wird lediglich das Handeln einer „Behörde“ unterstellt, so wird zwar regelmäßig eine Prüfung der Zuständigkeit erwartet. Diese ist jedoch ebenfalls oftmals einfach festzustellen. (Klausur-)Relevant werden kann die Zuständigkeitsprüfung insbes. beim Erlass eines Verwaltungsakts. Deshalb soll sie in diesem Zusammenhang später etwas ausführlicher behandelt werden (s.u. Rn 470ff).
Ausbildungsliteratur:
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