Αὐτὸς ἔφα (Autos epha) . «Er selbst hat es gesagt.» Die alles bekräftigende oder auch widerlegende unwiderlegliche Formel, mit der die Mitglieder des Pythagoreischen Ordens, besonders die traditionalistischen «Akusmatiker», sich auch sachlichen Einwänden gegenüber auf die Autorität des Ordensgründers, des alten Pythagoras «selbst», zu berufen pflegten, so angeführt bei Clemens Alexandrinus, Stromata 2, 5, 24; vgl. Diogenes Laërtios, Leben und Lehre der Philosophen 8, 46. Cicero, De natura deorum 1, 5, 10, und Quintilian, Lehrbuch der Rhetorik 11, 1, 27, zitieren die Formel in der gleichbedeutenden lateinischen Version Ipse dixit .
Γηράσκω δ’ αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος (Gerasko d’ aiei polla didaskomenos) . «Ich werde alt und lerne stets noch vieles hinzu.» Ein vielfach – so in dem unter Platons Namen überlieferten Dialog «Amatores», 133 C, und bei Plutarch, Solon 2, 2 und 31, 7 – zitierter Vers aus Solons Elegien, in: Diehl, Anthologia Lyrica Graeca, Fragment 22, 7. Zitate in abhängiger Rede finden sich bereits bei Platon, Laches 188 B und 189 A; Staat 7. 536 D.
Γνῶϑι σεαυτόν (Gnothi seauton) . «Erkenne dich selbst!» (in dem Sinne: «Erkenne, daß du ein Mensch bist!») Platon, Protagoras 343 Af. und Charmides 164 Dff. (vgl. auch Philebos 48 C), zitiert die knappe Mahnung neben Μηδὲν ἄγαν, «Nichts im Übermaß!» (unten S. 21), als Inschrift am Apollontempel in Delphi und schreibt sie den Sieben Weisen zu, als eine «gemeinsame Erstlingsgabe ihrer Weisheit» und Weihegabe an Apollon. Nach Pausanias, Reiseführer durch Griechenland 10, 24, 1, standen die beiden Inschriften in der Vorhalle des Tempels. Aristoteles, Rhetorik 2, 21. 1395 a 21f., nennt die Mahnung als ein Beispiel für «im Volk geläufige Worte» (δεδημοσιευμένα). Bei Stobaios, Anthologie 3, 1, 172 (in: Diels-Kranz, Fragmente der Vorsokratiker, Band I, S. 63, Zeile 25), eröffnet das Wort die Reihe der Weisheitssprüche des Lakedämoniers Chilon. An der genannten Stelle des Platonischen «Charmides» wird die Kardinaltugend der σωϕροσύνη der «Besonnenheit», als ein «Sich-selbst-Erkennen» definiert und der Appell «Erkenne dich selbst!» als ein Aufruf zu solcher «Besonnenheit», das heißt zu maßvollem Denken, Reden und Handeln erklärt. Der alte Weisheitsspruch «Erkenne dich selbst!» erinnert im Sinne der delphischen Theologie an das allseits eng begrenzte Maß der Menschendinge; er fordert nicht etwa, im Sinne der modernen Psychoanalyse, zur Bewußtmachung und Verarbeitung persönlicher Erlebnisse auf. Bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. hatte der Tragiker Ion die delphische Inschrift zitiert (bei Plutarch, Consolatio ad Apollonium 28. 116 D; in: Nauck, Tragicorum Graecorum Fragmenta, Fragment 55): Τὸ Γνῶϑι σαυτόν, τοῦτ’ ἔπος μὲν οὐ μέγα,/ἔργον δ’ ὅσον Ζεὺς μόνος ἐπίσταται ϑεῶν, «Der Spruch: Erkenne dich selbst!, dieses Wort ist nicht groß, das Werk aber so groß, daß Zeus als einziger der Götter sich darauf versteht». Weitere Zitate der beiden anfangs genannten Inschriften bei Plutarch, De E apud Delphos 2. 385 D; De Pythiae oraculis 29. 408 E; De garrulitate 17. 511 B. Vgl. die lateinische Version Nosce te ipsum , unten S. 111.
Δὶς καὶ τρὶς τὸ καλόν (Dis kai tris to kalon) . «Zweimal und dreimal das Schöne!» (in dem Sinne: «Nicht nur einmal, sondern vielmals das Richtige sagen und tun»). Platon, Gorgias 498 E und Philebos 59 Ef., zitiert die Aufforderung als «sprichwörtlich» geläufig; ein Scholion zu der erstgenannten Stelle führt das Sprichwort auf Empedokles zurück (in: Diels-Kranz, Fragmente der Vorsokratiker, Fragment B 25): Καὶ δὶς γάρ, ὃ δεῖ, καλόν ἐστιν ἐνισπεῖν, «Denn auch zweimal ist, was geboten ist, schön zu verkünden».
Δός μoι ποῦ στῶ, καὶ κινῶ τὴν γῆν (Dos moi pu sto kai kino ten gen) . «Gib mir einen Ort, wo ich stehen kann, und ich bewege die Erde.» Archimedes bei Pappos, Collectio 8, 19, S. 1060, Zeile 3f. Hultsch, bei Simplicius zu Aristoteles, Physik (… πᾷ βῶ, καὶ κινῶ τὰν γᾶν, in: Commentaria in Aristotelem Graeca, Band 10, S. 1110, Zeile 5), und bei Tzetzes, Historiarum variarum chiliades 2, 35,130 (… πᾷ βῶ, καὶ χαριστίωνι τὰν γᾶν κινήσω πᾶσαν) und 3, 66, 62 (… ὅπα βῶ, καὶ σαλεύσω τὰν χϑόνα); vgl. Plutarch, Marcellus 14, 12. Mit der herausfordernd überhöhten Ankündigung, er werde die – im Weltmittelpunkt ruhend gedachte – Erde aus den Angeln heben können, wenn man ihm nur einen festen Standort, eine «zweite Erde», dazu biete, bekräftigt Archimedes seine These, jeder noch so schwere gegebene Körper müsse sich unter Zwischenschaltung einer entsprechenden Untersetzung durch jede noch so geringe gegebene Kraft fortbewegen lassen. Plutarch, Marcellus 14, 12ff., schildert eine spektakuläre Demonstration dieses später zur «Goldenen Regel der Mechanik» erhobenen Satzes vor König Hieron.
Δόσις δ’ ὀλίγη τε ϕίλη τε/γίνεται ἡμετέρη (Dosis d’ olige te phile te / ginetai hemetere) .«(Denn von Zeus her sind sie alle, wie die Gastfreunde, so auch die Bettler;) und so gering sie auch ist, so lieb ist doch unsere Gabe» (in dem Sinne: «… so gern wird sie gegeben und genommen»). Homer, Odyssee 14, 58f., wo der treue Sauhirt Eumaios das Wort an den in Bettlergestalt heimkehrenden Odysseus richtet. Der erste Halbvers erscheint auch Odyssee 6, 208, wo Nausikaa ihre Mägde zur Hilfeleistung für den schiffbrüchigen Odysseus aufruft.
Εἶς οἰωνὸς ἄριστος, ἀμύνεσϑαι πάτρης (Heis oionos aristos, amynesthai peri patres) . «Ein einziges Vogelzeichen ist das beste: sich zu wehren um die väterliche Erde.» Homer, Ilias 12, 243; Hektor, der Vorkämpfer der Trojaner, zu seinem Landsmann Pulydamas, der ihn unter dem Eindruck eines unglückverheißenden Vogelzeichens (Vers 195ff.) aufgefordert hat, den Angriff auf das griechische Schiffslager abzubrechen. Aristoteles, Rhetorik 2, 21. 1395 a 14, zitiert den Vers als Beispiel für eine «allgemeine Sentenz» (κοινὴ γνώμη), die «bei allen Zustimmung findet»; Plinius der Jüngere, Briefe 1, 18, 3f., erinnert sich daran, wie er sich vor seinem Auftritt in einem heiklen Strafprozeß mit diesem Vers gegen einen unheilverheißenden Traum seiner Schwiegermutter wappnete, «denn Vaterland, und wenn etwas noch teurer ist als das Vaterland, schien mir die Treue». Bei dem Komödiendichter Metagenes, Fragment 18 (in: Kock, Comicorum Atticorum Fragmenta, Band I, S. 709) ist der Homervers parodiert: … ἀμύνεσϑαι περὶ δείπνου, «… sich zu wehren um das (abendliche) Essen».
Ἔπεα πτερόεντα (Epea pteroenta) . «Gefiederte Worte.» Aus dem vielfach wiederholten Homerischen Halbvers … ἔπεα πτερόεντα προσηύδα, in Vossens Übersetzung: «… sprach er (sie) die geflügelten Worte», zur Einleitung einer wörtlich angeführten Rede, Ilias 1, 201 und öfter. Zugrunde liegt die bildhafte Vorstellung, daß die Worte wie auf Flügeln vom Mund des Sprechenden zum Ohr des Hörenden hinüber «fliegen». Die übertragene Bedeutung des «Geflügelten Wortes» im Sinne eines «geläufigen Zitates» geht auf Georg Büchmanns klassische Zitatensammlung «Geflügelte Worte. Der Citatenschatz des Deutschen Volkes» (1864) zurück.
(Νῦν γὰρ δὴ πάντεσσιν) ἐπὶ ξυροῦ ἵσταται ἀκμῆς (Nyn gar de pantessin epi xyru histatai akmes …) «(Denn jetzt) steht es (für uns alle) auf Messers Schneide: (entweder ein sehr trauriges Verderben für die Achaier, oder daß wir leben).» Homer, Ilias 10, 173f.; Nestor zu Diomedes, mit Bezug auf das trojanische Biwak unmittelbar vor dem griechischen Schiffslager. Herodot, Geschichte 6, 11, 2, hat das Wort wiederaufgenommen; dort ruft der phokäische Heerführer Dionysios auf dem Höhepunkt des ionischen Aufstandes, vor dem Fall von Milet im Jahre 494 v. Chr., seine ionischen Landsleute zum Widerstand gegen die Perser auf: Ἐπὶ ξυροῦ γὰρ ἀκμῆς ἔχεται ἡμῖν τὰ πρήγματα … ἢ εἶναι ἐλευϑέροισι ἢ δούλοισι, «Denn auf Messers Schneide stehen für uns die Dinge, Männer Ioniens, ob wir freie Menschen bleiben oder zu Sklaven werden».
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