2.Weitere Organe der Justiz
101Neben den Richter oder an seine Stelle können im Laufe des Verfahrens andere Personen der staatlichen Rechtspflege treten, etwa der Rechtspfleger(vgl. §§ 3, 20 RpflG), der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle(vgl. § 153 GVG) und der Gerichtsvollzieher(vgl. § 154 GVG). Die spezifischen Regeln zur richterlichen Unabhängigkeit gelten für diese Personen nicht. 16Beim Urkundsbeamten und beim Rechtspfleger finden die Regeln über Ausschließung und Ablehnung aber entsprechende Anwendung (§ 49, § 10 RpflG). Beim Gerichtsvollzieher ist eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht möglich. 17
102Die Parteien sind Privatpersonen, die ihre subjektiven Rechte durch die staatlichen Gerichte gewährleistet sehen wollen ( Kläger) oder gegen die ein Anspruch erhoben oder ein sonstiges subjektives Recht geltend gemacht wird ( Beklagter). Auf Kläger- oder Beklagtenseite können auch mehrere Personen stehen, die dann jeweils Partei sind und Streitgenossen(Rn. 382 ff.) genannt werden, §§ 59, 60.
1.Formeller Parteibegriff
103Mit Partei wird also der konkrete vor Gericht im eigenen Namen Rechtsschutz Suchende und dessen Gegner, also derjenige, gegen den Rechtsschutz begehrt wird, bezeichnet ( formeller Parteibegriff). Partei zu sein ist nicht notwendig identisch damit, tatsächlich einen materiellen Anspruch zu haben oder materiell verpflichtet zu sein, denn die Rechtslage wird im Prozess erst geprüft. Die Parteistellung ergibt sich vielmehr aus der Klageschrift. 18Wer dort als Partei bezeichnet ist, ist Partei des Rechtsstreits. Will der Kläger im Nachhinein die Klage gegen eine andere Person richten als diejenige, die er (ggf. irrtümlich) in der Klageschrift bezeichnet hat, kommt nur eine Parteiänderung (Rn. 209 ff.), in Einzelfällen im Wege der Auslegung eine Rubrumsberichtigung 19in Betracht.
2.Tod oder Erlöschen einer Partei
104Nur eine existente Person kann Partei eines Zivilprozesses sein. Existieren die Parteien oder eine von ihnen nicht, entweder weil es sie niemals gab oder weil eine natürliche Person gestorben oder eine Gesellschaft erloschen ist, ist bzw. wird 20eine Klage gegen sie oder durch sie unzulässig. 21
105Der Tod einer Partei im laufenden Verfahren bewirkt nach § 239 Abs. 1 zunächst die Unterbrechung des Rechtsstreits, es sei denn eine Vertretung wirkt nach § 246 fort. Der unterbrochene Prozess kann durch den Rechtsnachfolger (Erben) aufgenommen werden. Wenn er nicht aufgenommen wird, oder der Prozess von vornherein eine nicht existente Partei betrifft, ergeht ein Prozessurteil, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen (Rn. 222) wird.
3.Die Prozessbevollmächtigten
106Den Parteien zur Seite steht bzw. für sie handelt vielfach ein Rechtsanwalt, § 78. Die Parteien können sich aber auch durch eine sonstige Person vertreten lassen, indem sie dieser eine Prozessvollmachterteilen, § 79. Die Norm lässt allerdings in § 79 Abs. 2 S. 2 nur einen bestimmten Kreis von Personen für eine solche Vertretung zu, etwa Familienangehörige oder Verbraucherzentralen. Im Landgerichtsprozess ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwingend vorgesehen, § 78. Dasselbe gilt im Verfahren vor dem Oberlandesgericht und vor dem Bundesgerichtshof. Die Partei kann auch die Vertretung durch eine sonstige Person nach § 79 mit derjenigen durch einen Rechtsanwalt nach § 78 kombinieren. Die Notwendigkeit und die Voraussetzungen dieser Prozessvertretungsmöglichkeiten sind Teil der Prüfung der Zulässigkeit einer Klage (Rn. 31, 290, 435).
4.Insbesondere: der Rechtsanwalt
107Ein Rechtsanwalt ist einerseits unabhängiges Organ der Rechtspflege (§§ 1–3 BRAO), andererseits ist er mit seinem Mandanten durch privatautonomen Vertrag (Entgeltliche Geschäftsbesorgung, §§ 675 Abs. 1, 611 BGB) verbunden. Insofern hat er gesetzliche Pflichtenzur Beachtung des anwaltlichen Berufsrechts, §§ 43 ff. BRAO. Gleichzeitig ist er vertraglichgegenüber seinem Mandanten zur richtigen Beratung und fehlerfreien Vertretung im Prozess verpflichtet. 22Beide Pflichtenkreise können ineinandergreifen. So ist es beispielsweise dem Anwalt berufsrechtlich nicht gestattet, widerstreitende Interessen verschiedener Mandanten zu vertreten, § 43a BRAO. 23Materiell-rechtlich ist dies dem Mandanten gegenüber auch eine Vertragspflichtverletzung, wobei der Anwalt sogar verpflichtet ist, schon vor Abschluss des Anwaltsvertrages auf Mandatsbeziehungen zum Gegner hinzuweisen. 24Zuletzt ist der Mandant mit dem Anwalt durch die Prozessvollmachtverbunden (§§ 80 ff.), 25was allerdings einer privatrechtlichen Bevollmächtigung i. S. d. §§ 164 ff. BGB nicht gleichsteht. 26Die Prozessvollmacht betrifft nämlich die Prozessvertretung, nicht die Vertretung bei der Vornahme materiell-rechtlicher Willenserklärungen. Ihre Erteilung ist Prozesshandlung. Ihre Reichweite ergibt sich nicht aus einer internen Bevollmächtigung, sondern aus den Regeln des Prozessrechts, §§ 81 ff. Im Prozess wird ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Partei zugerechnet, § 85 Abs. 2. Ist ein Rechtsanwalt bestellt, übt er die prozessualen Rechte und Möglichkeiten seines Mandanten aus. 27
5.Insbesondere: nicht anwaltliche Rechtsdienstleistungen
107aNicht anwaltliche Rechtsdienstleistungen sind im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) geregelt. Da derzeit der Rechtsdienstleistungsmarktvermehrt auch durch private nicht-anwaltliche Anbieter bedient wird 28, enthält das RDG Regelungen, die einerseits die Qualität der professionellen Rechtsberatung sichern, andererseits Betroffenen auch bei kleineren Forderungen eine bezahlbare und einfache Rechtsdurchsetzung ermöglichen sollen. 29Dies betrifft vor allem digital gestützte Rechtsdienstleistungen („Legal Tech“), die immer einfacher anbietbar und zugänglich werden. 30Die entsprechenden Angebote funktionieren regelmäßig über ein Inkassomodell. Die Anbieter setzen also für die Betroffenen im eigenen Namen deren Forderungen klageweise durch. Solange sich Prüfung und Beratung nur auf die Einziehung beziehen, ist dies nach § 2 Abs. 2 iVm § 10 RDG erlaubt. Die Prozessvertretung ist Inkassodienstleistern nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 aber nur im Mahnverfahren und in einzelnen Bereichen der Zwangsvollstreckung gestattet. In der Regel wird dann neben dem Inkassodienstleister ein Rechtsanwalt eingebunden.
III.Weitere Beteiligte am Zivilprozess
108Außer dem Gericht, den Parteien und ihren Vertretern können auch Dritte an einem Prozess beteiligt sein, indem sie etwa auf Kläger- oder Beklagtenseite als Nebenintervenient bzw. Streithelferauftreten, § 66 (Rn. 410 ff.). Beteiligung Dritter gibt es außerdem im familiengerichtlichen Verfahren, §§ 7 ff. FamFG. Geregelt ist schließlich, dass eine Person, die nach dem formellen Parteibegriff (Rn. 103) nicht Partei ist, aber ihre materiell-rechtliche Rechtsinhaberschaft behauptet, am Prozess beteiligt wird, wodurch es zur Hauptintervention, § 64, oder zum Prätendentenstreit, § 75 (ähnliche Wirkungen bei §§ 76, 77 – Urhebernennung), kommen kann. Zu beachten ist allerdings, dass die Hauptintervention zu einer selbstständigen Klage des Intervenienten gegen beide Parteien des Erstprozesses führt, so dass keine dritte Partei, sondern eine zusätzliche Klage hinzutritt. 31
§ 8Die Prozesshandlungen des Gerichts und der Parteien
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