impliziert viertens mit dem übergreifenden Wort Sozialarbeit eine komplexe Angebotspalette mit intervenierenden und präventiven Angeboten, während andere Begriffe eher eine ausschließliche Begrenzung auf additive Freizeitangebote („Jugendarbeit“) oder zielgruppenbegrenzte Angebote für Benachteiligte oder Beeinträchtigte („Jugendsozialarbeit“) nahelegen,
beschreibt fünftens ein eingrenzbares Arbeitsfeld, während andere Begriffe, die einen starken Bezug der Jugendhilfe auf die Schule aufweisen, auch sehr unterschiedliche Angebote der Jugendhilfe für die Schule umfassen könnten (z. B. einmalige projektbezogene Angebote),
verdeutlicht sechstens begrifflich die gemeinsame Verantwortung von Schule und Sozialer Arbeit für das Angebot, während bei anderen Begriffen, z. B. mit einem starken Bezug der Jugendhilfe auf die Schule, die SozialpädagogInnen unter Umständen auch in der Außenwahrnehmung auf eine reine Dienstleistungsfunktion für Schule beschränkt werden,
macht siebtens auf die gemeinsame Finanzierungsverantwortung von Schule und Sozialer Arbeit (bzw. Jugendhilfe) aufmerksam, während bei anderen Begriffen die potenzielle Gefahr besteht, dass das Arbeitsfeld mit Verweis auf eine jugendhilfespezifische Begrifflichkeit allein aus dem Jugendhilferessort finanziert werden soll,
ermöglicht achtens im Sprachgebrauch eine begriffliche Übereinstimmung zwischen dem Arbeitsfeld („Schulsozialarbeit“) und dem Personal („SchulsozialarbeiterInnen“), während bei anderen Begriffen Unstimmigkeiten auftreten und für das Personal meist wieder auf die Begriffe „Schulsozialarbeiterin“/„Schulsozialarbeiter“ zurückgegriffen werden muss.
Angesichts dieser Argumente ist sehr nachdrücklich für die Verwendung des Begriffes Schulsozialarbeit zu plädieren. Legt man die Fachdiskussion zugrunde, so bedeutet eine solche Einigung auf die Bezeichnung Schulsozialarbeit allerdings noch nicht, dass es ein einheitliches Verständnis über den grundsätzlichen Auftrag, die Rechtsgrundlage, die Ziele, die Zielgruppen, den Leistungsumfang, die institutionelle Anbindung und Zusammenarbeit sowie den Arbeitsort von Schulsozialarbeit gibt. Zu einer gewissen inhaltlichen Schärfung gelangt man jedoch, wenn man vorliegende Definitionen zur Schulsozialarbeit in ihrem historischen Kontext betrachtet:
In den 1970er Jahren wurden die Definitionsversuche zur Schulsozialarbeit entscheidend durch erste Berührungspunkte zwischen Jugendhilfe und Schule sowie die Schulreform und daraus abgeleitete, kompensatorische und sehr optimistische Zielvorstellungen zur Schulsozialarbeit bestimmt (wie z. B. Chancengleichheit, Abbau von Benachteiligungen, soziales Lernen). In dem ersten ausführlichen Artikel zur Schulsozialarbeit in Deutschland formulierte Abels 1971:
„Die Schulsozialarbeit kann die Defizite unseres Schulsystems ausgleichen helfen. Vor allem aber ist sie der Beitrag, den die Schule als Kompensationshilfe für die Jugendlichen leisten muß, die […] den sich immer rascher differenzierenden und komplizierenden Anforderungen und Möglichkeiten der Industriegesellschaft nicht gerecht werden.“ (Abels 1971, 359)
In eine ähnliche Richtung wies der Leitfaden der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendaufbauwerk zur Einrichtung von Modellversuchen der Schulsozialarbeit aus dem Jahre 1973:
„Zukünftige Schulsozialarbeit muß sich an den Zielen der Bildungsreform orientieren und [diese] zu realisieren helfen. […] Sie muß die Ziele dieser Bildungsreform aber auch ständig kritisch reflektieren. […] Schulsozialarbeit wird also: a) bei der Sozialisation von Schülern aus unterprivilegierten Schichten schichtspezifische Hemmungen und Schwierigkeiten abbauen und überwinden; b) antizipatorisch sozialisieren, indem sie alle anzusprechenden Schüler – gleich aus welchen sozialen Schichten sie stammen – mit den Rollenerwartungen, Ansprüchen und Chancen der Gesellschaft vertraut macht und sie zu einer kritischen Auseinandersetzung mit ihnen befähigt; c) personale und soziale Bildungsprozesse in der Lern- und Berufsfindungsphase fördern; d) potentielle oder bereits ausgebrochene Konflikte pädagogisch fruchtbar machen.“ (BAG JAW 1973, 17)
Letztlich wurde die Schulsozialarbeit in den 1970er Jahren angesichts eklatanter Probleme des bestehenden Schulsystems auf die Zielvorstellungen der Bildungsreform ausgerichtet. Davon ausgehend leitete man sehr klare Ziele für die Schulsozialarbeit, ein schulunterstützendes Aufgabenverständnis und sehr hohe Erwartungen an das Arbeitsfeld ab. Aufgrund erster kritischer Erfahrungsberichte zu den Möglichkeiten der Schulsozialarbeit in der Schule (Tillmann 1972; BMBW 1978b) wurde dann zunehmend eine „kritische Integration“ (Helbrecht-Jordan 1978, 22) der Schulsozialarbeit in die Schule bzw. eine „Schulsozialarbeit als Bestandteil der offensiven Jugendhilfe“ (Arbeitskreis Hessische Schulsozialarbeit 1980, 21) eingefordert.
In den 1980er Jahren wurden die Definitionen zur Schulsozialarbeit zum einen durch ernüchternde Erfahrungen mit den installierten Schulsozialarbeitsprojekten und zum anderen durch die Vielfalt an unterschiedlichsten Trägern und Ansätzen der Schulsozialarbeit bzw. eigentlich der Kooperation von Jugendhilfe und Schule sowie der damit einhergehenden Intransparenz geprägt. Die Definitionen zur Schulsozialarbeit zeichneten sich auf der einen Seite durch a) deutlich zurückhaltendere bis fehlende Zielvorgaben, b) einen stärkeren eigenständigen sozialpädagogischen und präventiven Anspruch sowie c) eine schulkritischere Haltung aus. Auf der anderen Seite bestand in zahlreichen Definitionen auch der Anspruch, die gemeinsamen Merkmale der verschiedenen Kooperationsprojekte herauszukristallisieren, um so das Arbeitsfeld beschreiben zu können. Eine auch noch vielfach zitierte Definition zur Schulsozialarbeit von Tillmann (1982b) lautete:
„Arbeitsformen der Schulsozialarbeit haben gemeinsam, daß sie darauf ausgerichtet sind,
die räumlich-organisatorische Trennung zwischen Schule und Jugendhilfe zumindest partiell aufzubrechen;
Sozialpädagogische Fachqualifikationen dauerhaft in (oder an) der Schule anzusiedeln, um
damit eine Korrektur und Ergänzung der erzieherischen Wirkung von Schule zu erreichen, die insbesondere auf die Hilfestellung bei schwierigen oder gefährdeten Schülern zielt.“ (Tillmann 1982b, 13)
Im Vergleich zu den 1970er Jahren bestand in den 1980er Jahren ein sehr weites Verständnis von Schulsozialarbeit, bei dem „Schulsozialarbeit“ als Oberbegriff für alle Kooperationsansätze zwischen Jugendhilfe und Schule bzw. LehrerInnen und sozialpädagogischen Fachkräften fungierte. Als typisch kann hier das erste Handbuch zur Schulsozialarbeit von Raab et al. aus dem Jahre 1987 gelten, das den sehr weiten Untertitel „Konzeption und Praxis sozialpädagogischer Förderung von Schülern“ trägt und in dem in einem sehr breiten Verständnis „unter dem Oberbegriff Schulsozialarbeit auch Schülertagesheime, Horte, Hausaufgaben- und Schülerhilfen und andere Maßnahmen der Jugendhilfe für Schüler“ verstanden und in die Analysen einbezogen wurden (Raab et al. 1987, 141).
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