Mit erstaunlicher Geschicklichkeit bearbeiten sie mit unterschiedlichen Materialien und Themen Plastiken aus Holz. Im Wesen der Balinesen liegt die Liebe zur Kreativität und zu künstlerischen Aktivitäten. Big und ich machen viele Fotos und genießen das bunte Treiben.
Als wir zurück in unser „Green Room“ Suite Nr. 14 sind, erwartet mich eine Überraschung. Überall flackern romantisch kleine Teelichter und auf meinem Nachttischchen aus Bambus entdecke ich einen Blumenstrauß aus Lotusblüten und Orchideen!
„Oh wie schön!“ rufe ich entzückt aus.
Big lächelt. „Die sind für Dich.“
„Das ist eine schöne Geste! Danke Big.“
„Ich wollte mich entschuldigen.“
Ich antworte nicht, warte verblüfft ab.
„Ich habe auch Champagner bestellt, müsste gleich kommen.“
„Oh, du lässt es ja krachen. Muss ich mir Sorgen machen?“
Da kommt auch schon einer der angestellten Balinesen mit dem Champagner und zwei Flöten.
„Absolut!” antwortet Big, und schenkt uns ein. „Auf Bali.“
„Auf Bali!“
Dann nimmt mich Big das erste Mal nach langer, langer, langer Zeit wieder in den Arm und küsst mich sanft, ganz sanft auf meine Lippen.
„Eddie, komm her, mein Surfer Girl.“
Erst zögere ich aufgrund der unerwarteten Zärtlichkeit des ollen Wikingers. Aber dann lasse mich doch in seine Arme fallen und schliesse meine Augen, rieche seine salzige Haut...
Die Entschuldigung – für was auch immer – nehme ich an, denn der wortkarge Big macht keine Anstalten noch ein weiteres Wort zu verlieren. Stattdessen merke ich, dass er hart wird.
Da braucht es nun auch wirklich keines weiteren Wortes mehr. Wir schalten das Licht aus, die Teelichter erlischt für uns der Wind....
Zurück zum Wesentlichen. Nicht nur für Surf Beginner ist Kuta Beach der perfekte Platz, um ein für alle mal stoked zu werden. Auch für Surfer, die schon länger auf dem Brett stehen. In den nächsten Tagen surfen Big und ich die powervollsten Beachbreaks.
Über mehrere Kilometer hinweg laden uns verschiedene Peaks zum Austoben und Glücklichsein ein.
Der Hardcore Spot Balis ist bekanntermaßen Padang-Padang. Balis Pipeline.
Da ich weder zur Elite gehöre, noch suizidgefährdet bin, spare ich mir den Weg zu dem mörderischen Riff mit den hohlsten Wellen Balis.
Die letzten beiden Tage verbringen Big und ich in Dreamland und Belangan. In Dreamland brechen Wellen, die für jede Könnensstufe geeignet ist. Die Wellen brechen weit draußen und selbst Anfänger können hier easy das Weißwasser anpaddeln. Erfahrene Surfer haben hier ebenfalls ihren Spaß: ein Pyramide-Shape Break bietet zwei Left- und eine Righthander. Herrlich.
Nach einer letzten Session schnappe ich mir meine Nikon und klettere in die Felshöhlen. Ich finde tausende von Fledermäusen und habe das unfassbare Glück, ein fesselndes Naturschauspiel zu sehen: eine riesige Schlange auf der Jagd nach Fledermäusen.
Ein bisschen macht mir diese Begegnung Angst.
Ich bin nicht unbedingt abergläubisch, aber die Schlange ist in jeder Kultur und in jeder Religion ein mystisches Wesen. Ihr werden bestimmte Eigenschaften zugeteilt, die zu einer negativen oder positiven Wahrnehmung des Tieres führen.
In vielen mir bekannten Redensarten wird sie sehr negativ gesehen. Mit Schlangen assoziiere ich Eigenschaften wie boshaft, doppelzüngig, falsch, giftig, hinterlistig, heimtückisch, verschlingend. Aber auch verführerisch.
Ich muss an die vergangene Nacht mit Big denken. Es war eine schöne Nacht, aber irgendwie fühlte ich mich danach nicht gut. Irgendwas war falsch. Nicht echt. Gespielt. Ich kann es nicht erklären.
Mit einem letzten Blick über die Schulter verlasse ich fluchtartig die Höhle und sehe noch wie die Schlange eine Fledermaus gepackt hat. Die arme Fledermaus zappelt noch in dem Schlangenmaul.
Ich flüchte angewidert und erschrocken. Gruselig.
Mir ist die Lust auf Höhlen vergangen und den letzten Tag wollen wir mit einer schönen Fotosafari beenden. So mieten wir uns einen Fahrer, der uns in die Reisfelder bringt.
Der Reisanbau wird seit über viertausendfünfhundert Jahren auf Bali betrieben. Nur wenige Landschaften der Welt zeigen die Spuren menschlicher Arbeit so elegant.
Bali liegt auf einer Linie vulkanischer Aktivitäten, die ganz Indonesien betreffen, und es befinden sich dort zwei sehr aktive Vulkane. Der Batur und der Agung. Dies ist die aktivste Vulkanzone der Welt, der pazifische Feuergürtel. Hier ist unser letzter Fotostop.
„Und was ist, wenn der ausbricht?“ frage ich Big ängstlich? Vulkane sind mir genauso wenig geheuer wie Schlangen.
„Eddie, zu deiner Beruhigung, der letzte Ausbruch fand 1994 statt, ist also schon eine ganze Weile her.“
„Hm“, brumme ich ungläubig und bin mir sicher, dass der Nächste bald stattfindet. Das hab ich in der Pisse, würde meine Oma sagen. Aber wenn das geschieht, möchte ich dann doch lieber ausnahmsweise in Kiel sein.
Wie schnell nur können drei Wochen vergehen. Gerade noch sternenklare Nächte in Asien und traumhafter Surf im Sonnenschein und zack, als wäre nichts geschehen, sitze ich wieder an meinem Schreibtisch in Kiel.
Es schneit. Riesel, riesel. Es sind knapp über null Grad. Ich hole mir mal wieder einen schönen, starken duftenden Kaffee. Ja, ja, der Running Gag mit dem Kaffee ist sowas von abgedroschen. Aber ich trinke nun mal viel und gerne Kaffee. Ist so!
Ich checke meine Emails und dann muss ich Flüge suchen und buchen, denn es geht direkt am zweiten Weihnachtsfeiertag nach Lanzarote. Ich bin eben ein Glückskind und Surfer sind nicht dafür gemacht, auf der Couch zu surfen.
Big hat einen coolen Auftrag an Land gezogen. Für einen Surf & Skate Onlineshop sollen günstige Modevideos produziert werden.
Allerdings spiele ich in dieser Produktion gar keine Rolle. Ich darf mal wieder den Assi spielen, die Flüge buchen und die Pampers einpacken.
Ich bin ein bisschen schlecht gelaunt, denn zurück aus den Tropen bin ich ja wieder nur Vollzeit-Mami, Köchin und Filmstudio-Putze. Das nervt mich.
Nur zusehen wie andere arbeiten finde ich sowas von blöd. Ich will den Job in München. Ich will auch arbeiten. Nicht nur daneben stehen.
Auf Bali hab ich gelernt, dass man zur Erfüllung von Wünschen für die guten Geister ein Räucherstäbchen anmacht. Reis und Blumen spare ich mir. Ich mache mir zu Hause also Räucherstäbchen an und wünsche mir den Fotografenjob in München herbei. Dann vertiefe ich mich ins Worldwideweb und buche für Miki, Big, mich selbst und einige unserer Freunde, die für uns modeln, die Flüge nach Lanzarote.
Wir werden fünf bis zehn Personen sein. Und eventuell kommen noch einige nach. Denn ich habe die Idee, unsere überschüssigen Zimmer in Famara wöchentlich mit wechselnden Surf Buddys vollzustopfen. Die zahlen dann ein bisschen dafür, ich kann sie abholen, ihnen meine Lieblingsspots zeigen und sie bekochen.
Ich will ja schliesslich auch was zu tun haben. Und dann verfliegt die Zeit auch wieder schnell. Weihnachten kommt und geht. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Ein aufregendes Jahr.
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