Als erstes klettert der Sigma gesponsorte Sportfotograf Franky aus Dubei in die Do, danach ein paar Profi Springer und Hauke der Heaven & Sky Betreiber: sie alle tragen schicke, schwarze "Fraks" zum Fallschirm.
Mit Fliege. Sie sehen eigentlich aus als wollen sie in die Oper. Sie sollen auf dem Sylter Polo Tunier Punkt landen und somit für Action sorgen.
Dann steigt mein Buddy Franky mit seinem Tandem Master ein, ein paar andere Skydiver und ziemlich zum Schluss dann kommen Lea, ich und Tarn, das ist mein zugewiesener Tandem Master.
Meine kultige, alte Reise Nikon, die schon viel von der Welt gesehen hat, darf ich leider nicht mitnehmen. Aber mir wird versprochen ich bekomme Pics von meinen Extrem Sports Fotografen Kollegen aus Dubai. Na, da bin ich aber gespannt.
Die Maschiene setzt sich in Richtung Startbahn in Bewegung. Dort angekommen wird sie gleich schneller, um bei Erreichen der richtigen Geschwindigkeit abzuheben. Ich sitze mit dem Rücken zur Flugrichtung mit allen anderen auf dem Boden und kann sehen, wie wir an Höhe gewinnen.
Mein Blick wandert auf Tarns Höhenmesser. Erst 200 Meter sind wir hoch. Tapfer steigt die Do auf auf. So ein kleiner Flieger vermittelt irgendwie das Fliegen direkter als ein Touribomber.
Schnell wird die Startbahn kleiner, genauso wie die Menschen dort.
1000 Meter - ich kann Sylt komplett erkennen, der Hindenburgdamm wird klein und schmal wie ein Streichholz.
Es gelingt mir nicht. Wer weiß, wo die wieder rumgurken... Ich genieße den Ausblick. Unermüdlich steigen wir weiter.
1500 Meter. Ich schaue auf die Uhr. Wir sind schon 10 Minuten unterwegs. Ab jetzt ist die Höhe gleichgültig. Ob Du nun 1000 oder 1500 Meter hoch bist, macht keinen Unterschied mehr. Du bist irgendwie abgekoppelt von der Welt. Es ist für mich der helle Wahnsinn, dieses unbeschreibliche Gefühl.
2000 Meter. Den Höhenunterschied entnehme ich nur noch dem Höhenmesser. Und es geht weiter.
2500 Meter. Jetzt sind wir in den Wolken. Ich sehe nur noch grau. “Schade”, denke ich. Kein Ausblick mehr. Ich lausche dem Motor, genieße das Gefühl.
3000 Meter. “Nur noch drei Minuten” sagt der Pilot. Mein Ohr ploppt.
3500 Meter. “Nur noch zwei Minuten”. Tarn und ich beginnen, wie am Boden besprochen, uns zusammen zu zurren.
Alle regen sich plötzlich, aber es herrscht keine Hektik. Nur ich bin nervös, denke ich. Du kannst es nicht aufhalten, denke ich. Nicht weiter drüber nachdenken. Du wirst jetzt einfach nur vertrauen, den Dingen seinen Lauf lassen. Zum Glück sind die Wolken wieder verschwunden und ich habe freie Sicht. Ein Traum!
4000 Meter. Es geht los. Aber erst passiert noch etwas absolut Magisches.
Alle Profis und Tandemmaster halten eine Sekunde inne. Alle im Flieger schauen sich kurz tief in die Augen. Wortlos. Es sind nur wenige Sekunden, als sich alle Blicke unabgesprochen treffen. Außer dem Propeller ist kein Ton zu hören. Niemand sagt auch nur einen Piep. Einzig Blicke. Blicke, die aus der tiefsten Seele entspringen. Durchdringend. Ehrlich. Und unfassbar klar.
Ein Schauer durchfährt mich.
Diesen einen magischen Moment werde ich ein Leben lang nicht vergessen. Noch nie habe ich so eine Verbundenheit mit wildfremden Menschen gespürt. Ich spüre keine Angst mehr, mein Herz schlägt schneller, aber vor Freude und Vertrauen.
Und dann geht plötzlich alles ganz schnell. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Tarn schiebt mich unbarmherzig zur Luke. Ich habe Probleme meine Füße nach außen zu bekommen. Aber dann konzentriere ich mich einfach nur auf den einstudierten Ablauf.
Ich hänge meine Füße über das schmale Brett nach draußen, nehme den Kopf ganz zurück. Ein Ruck. Wir fallen. Auf einmal dreht sich alles um mich und ich habe das Gefühl von Schwerelosigkeit. Nun nehme ich die Füße zurück, genau wie vorher besprochen, und mache ein Hohlkreuz.
Tarn bringt uns in Position. Das Gesicht nach unten. Ich rase auf die Erde zu. Mit über 250 km/h. Doch irgendwie ist sie sehr weit weg. Ich will Luft holen, aber das geht nicht. Also halte ich einfach die Luft an und stelle mir vor eine große Welle zu durchtauchen. Das hilft. Ich kann den Atemreflex unterdrücken.
Ich gucke durch die Brille und es kommt mir vor, als hätte ich einen Wasserfilm vor Augen. Ich sehe aber alles sehr klar. Wir werden immer schneller.
So ist also der freie Fall!
Es ist Irrsinn. So etwas übersteigt die menschliche Vorstellungskraft. Man muss es einfach erlebt haben.
Ich falle und falle und fühle mich dabei unendlich frei. Ok, da wäre noch Tarn an dem ich praktisch klebe, aber ansonsten fühle ich mich fast frei wie ein Vogel. Dass es solche Gefühle gibt, hab ich vorher nicht gewusst. Schon seit dem Aufstieg denke ich an den guten alten Reinhard Mey und sein Lied “”Über den Wolken”. Tarn klopft mir auf die Schulter. Kann der nicht aufpassen? Autsch!
“Eddie, nimm die Arme auseinander!” muntert er mich auf...
Der Wind ist sehr laut. Ich tue so, als hätte ich ihn nicht gehört. Denn ich traue mich nicht. Meine Schulter schmerzt noch von meinem dummen Windunfall.
Ich bin nicht bereit meine Federn zu spreizen, denn noch fühlt sich mein Flügelchen gebrochen an.
Aber im Herzen, da bin ich bereit zu fliegen! So schreie ich lieber in die Welt hinaus, höre mich aber selber nicht. So laut ist der Fallwind.
Wir fallen immer schneller. Jetzt klopft Tarn mir wieder auf die Schulter. AUTSCH!!!
Wir sind bereits 2000 Meter gefallen - in nur 45 Sekunden.
Ich kenne dieses Tempo vom Motorradfahren mit meinen Eltern, nur dass dann vieles an einem vorbei fliegt.
Jetzt ist immer noch alles weit weg. Subjektiv eigentlich noch genauso weit, wie ganz oben. Die Welt ist weit weg. Tarn löst den Fallschirm aus. Wir werden stark abgebremst. Der Orkan wird leise. Wir hängen am Fallschirm. Es wird ganz ruhig. Ich hole erst mal ganz tief Luft. Und dann juble ich so laut ich kann.
Dann besinne ich mich. Genieße das hier und jetzt. Totenstill ist es im Himmel. Unbeschreiblich, was ich empfinde. Nun gleiten wir langsam tiefer.
“Eddie, jetzt musst Du Dich auf meine Füße stellen und abstützen.” Ich merke, dass Tarn irgendwas am Gurtzeug macht und lasse mich einfach hängen. Wir gleiten der Welt langsam entgegen. Irgendwo unter uns befinden sich Franky und Lea. Jetzt hält er mir die Schlaufen zum Lenken hin. Ich erfasse sie und wir fliegen einige Kurven. Irre gut.
Leider kommt der kleine Hangar vor dem Sylter Flughafen immer näher. Ich winke und rufe, bin mit Adrenalin vollgepumpt bis in die Haarspitzen.
Nur noch wenige Meter bis zur Landung. Tarn ist Profi. Er trifft genau den Fleck, den er anvisiert. Nun bekomme ich das Kommando zum Füße heben. Ich gebe mir Mühe. Der Fallschirm bremst uns.
Bautz! Wir sind auf dem Hintern gelandet. Ich sitze im Gras, bin überwältigt und kann es kaum fassen. Mein Herz klopft wie bekloppt. Neben dem Feld stehen fremde Leute und klatschen. Natürlich entdecke ich auch die Skydiverin Ilka, bei der ich meinen Miki geparkt habe. Beide winken mir aufgeregt zu und ich winke noch aufgeregter zurück.
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