Ich halte nur diese langweiligen Spielplätze unter grauem Himmel mit viel zu bunten Super-Mamis und den ganzen käsgesichtigen und ewig heulenden Paulas, Emils, Martas und Emmas nicht aus. Es muss doch Alternativen geben! Und außerdem, es gibt doch soviele andere Papis, die sich eine Auszeit nehmen und zusammen mit Partnerin und Baby eine Reise starten, oder sich zumindest ergänzen!
Goldene Mittelwege. Oder ich kümmere mich um das Kind - was ich sehr gern tue - dafür werde ich ab und an für Reportagen, Recherche oder irgend so etwas eingespannt. Oder der Herr Robben- äh... Storyjäger macht eine Jagdpause und spielt mit seinem Wikingersohn. Und ich nehme ab und an einen kleinen Auftrag an, um nicht ganz aus dem Berufsleben raus zu sein.
Meine Mama, eine studierte Medizinerin mit eigener Praxis und weltweit - von Chile bis nach St. Petersburg - gereist, hat mir definitiv andere Werte mitgegeben.
Eine Frau muss nun wirklich nicht durch und durch Feministin sein, um sich neben der Mutterschaft zu verwirklichen. Aber dann darf der Partner sich auch nicht im Nachhinein als Möchtegern-Patriarch entpuppen, der sich von Monat zu Monat rarer macht.
Mich beschäftigt nun immer mehr die Frage, was insbesondere Jungen wie Miki für eine glückliche Kindheit brauchen. Braucht er denn einen Vater, der sich von morgens bis abends nicht blicken lässt? Ist dieses altbackene Mama-Papa-Kind-Modell nicht überholt? Was ist, wenn ich jetzt wieder ins Berufsleben einsteige und arbeiten gehe? Dann müsste sich der Herr Robbenfänger auch mal morgens vor zehn Uhr aus der Koje quälen und aufstehen, um das liebe Kindchen zu bespaßen.
Mir geht die Email meiner Freundin nicht aus dem Kopf - ein SURFCAMP.... Wave Sissis… Lanzarote. Mutig, denke ich mir. Mutig. Aber machbar!
Ich seufze tief. Dann schlürfe ich meinen inzwischen kalt gewordenen Blümchenkaffee aus und beschließe mit Miki an den Strand zu fahren. Mit Blick auf das Meer wird mein Kopf immer so schön klar.
Platsch. Plitsch. Plitsch. Platsch. Es regnet. Es regnet immer in Kiel. Seit wenigen Wochen ist Miki nun vormittags in einer Krippe.
Ich sitze auf meinem Schreibtisch, gerade habe ich eine virtuelle Mappe mit Arbeitsproben an die Münchner Agentur gesendet. Ich habe mich getraut. Ich habe mich beworben!
Ich zeichne mit den Fingern Regentropfen nach, die außen an der Scheibe hinunter kullern. Ich fühl mich deprimiert. Gefangen. Bin genervt.
Ich habe Fernweh. Ich hasse Kiel. Die roten Backsteingebäude wirken auf mich bei dem Schietwetter wie nasse, gruselige Monster. In Reih und Glied stehen sie in dieser Stadt und starren mich düster an. Kiel kann nur ein Kieler lieben, denke ich. Ich bin aber keine Kielerin.
Ich erinnere mich, wie ich Big im wunderschönen Hamburg kennen gelernt habe. Einen coolen Skater, Surfer und Filmemacher.
Wir wurden eigentlich verkuppelt. Von jemandem, der uns beide kannte und fand “die müssten sich mal über den Weg laufen”. Sind wir. Und haben uns Hals über Kopf ineinander verknallt.
Mein Sohn ist also Kieler – ich bin und bleibe gebürtige Kölnerin. Meine Jugend verbrachte ich also in Kölle. Dot war ne Superjeilezick- auf kölsch, das war eine geile Zeit!
Ich wollte nur kurz ein Studium in Hamburg nachlegen. Das Wahlfach gab es nur in Hamburg. Und dann blieb ich länger als gewollt, denn die Bahnverbindung zu Sylt war einfach spitze.
Samstagmorgens konnte ich mit dem Schleswig- Holstein-Ticket zum Wochenend-Surfen nach Sylt fahren. Für nur 5 Euro. Ich glaube das Schleswig-Holstein-Ticket gibt es auch nicht mehr. Zum Preis von insgesamt 34 Euro mit bis zu 5 Personen ein ganzes Wochenende lang durch Schleswig-Holstein fahren – das machte schnell die Runde. So suchte ich mir einfach eine wildfremde Gruppe zusammen und teilte mir das Ticket. Der einzige Nachteil: man musste auch zusammen sitzen und so tun, als wäre man eine Gruppe.
Obwohl allen, also auch den Schaffnern der Bahn, damals bewusst war, dass wir keine Reisegruppe sondern wild zusammengewürfelte Geizhälse waren, funktionierte es mit dem Ticket einige Jahre ganz gut.
Bis dann Big auftauchte. Verliebt, verlobt, schwanger. Nicht, dass wir nicht verhütet hätten. Aber der damals ach so geniale Anti-Baby-Ring - eine Weltneuheit - war wohl doch noch nicht so ganz ausgereift. So strandeten also Miki und ich in Kiel. Das Studium hab ich auf den letzten Drücker noch gewuppt bekommen und mit Mikis Geburt quasi das Diplom eingereicht.
Kiel. Das Beste an Kiel ist die Autobahn nach Dänemark, geht es mir durch den Kopf. Gegessen hab ich noch nichts. Ich zittere leicht. Bin nervös. Irgendwie rieche ich Abenteuer. Mit dem dritten Pot Kaffee in der Hand setze ich mich erneut an den Schreibtisch und öffne meinen Email-Account. Als wenn dort Wunder geschehen könnten. Oder mir ein Geist aus einem anderen Universum einen spannenden Liebesbrief schreibt. Blödsinn. Aber ich guck halt trotzdem rein.
Da! Geil! Waaaas? Ich lese im Internet:
“Gewinne eine KIMA BALI SURFARI! Nutze die einzigartige Chance auf einen gratis Surftrip auf Bali!
In Zusammenarbeit mit der Surfers und FUNK verlost KIMA einen 3-wöchigen Aufenthalt im KIMA Surfcamp auf Bali incl. Flug und Surfschule. Damit du auch komplett ausgerüstet bist, gibt’s obendrauf noch eine funky Sonnenbrille, KIMA Boardshorts und Rashie und einen Funk Reisetrolley mit Beachbag. (Gesamtwert: ca. 2000 €). Und so geht’s: Schickt uns euer bestes Surf-Pic an dailydose.de - und mit etwas Glück wird der Traum von der perfekten Welle auf Bali Wirklichkeit. Einsendeschluss ist der 5.November”
Sofort bin ich Feuer und Flamme. Bali! Ein Traum!
Ich suche sofort Pics raus. In dem Jahr bevor ich Big kennenlernte war ich einen Winter auf Maui Hawaii und weiß, es muss ein Foto von Maui werden. Denn dort waren bisher nur wenige Surfer die ich kenne und es sollte schon ein ganz besonderes Bild sein. Mit einem Hawaii-Pic habe ich gute Chancen, so rechne ich es mir aus.
Ich wähle eines aus, öffne Photoshop auf meinem Laptop und mache mich sofort an die Arbeit....
Das Leben ist schön. Es steckt voller Wendungen und positiver Überraschungen. Gerade noch traurig weil es nicht so klappen will, weder mit einer erfüllten Partnerschaft noch mit dem Endless-Summer-Trip, und schon hat man das nächste Flugticket und somit einen Freisurfschein in der Hand. Man findet sich ab und zack – gewonnen!
Ich glaub es nicht. Ich rufe gleich Mama, Papa, Nimue, Riki, Kiki, Dee und alle Nummern an, die mein Handy hergibt um meine große Freude zu teilen. Ich habe gewonnen und fliege nach Bali! Yeah! Das Hawaii-Foto mit einem 1960er Chevrolet Parkwood SurfWagon, dass ich ausgesucht, bearbeitet und eingesendet hatte, hat tatsächlich gewonnen. Ich habe eine Reise mit Kima Surfaris nach Bali gewonnen. Gewonnen. Gewonnen. Ich lasse das Wort wie Schokolade auf meiner Zunge zergehen... Gewonnen. Wow!
Gut, ich habe einen ganzen Tag und eine halbe Nacht an dem Bild gebastelt. Hier noch Schatten, da noch mehr Kontrast, Licht, Motiv – alles war perfekt. Natürlich war es perfekt, ich bin eine Perfektionistin.
Mit Sicherheit war es eines der besten Fotografien die eingereicht wurden, aber dann auch zu gewinnen ist eine andere Sache. Die Fotos durften auch gevotet werden. Es konnte also auch gewinnen, wer die meisten Leute kennt. Aber anscheinend fand mein Bild viele Fans im Netz.
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