„Akira ist mir seit ihrem 4. Lebensjahr eine treue Gefährtin gewesen. Ich kenne sie genauso gut wie mich selbst!“ protestierte Iain heftig. William lächelte erneut und sah den mit hochrotem Kopf vor ihm stehenden Jüngling mit warmem Blick an.
„Das und deine aufrichtigen Gefühle für sie stelle ich doch gar nicht in Frage, lieber Iain. Ich meinte etwas ganz Anderes. Doch genug für heute. Wie ich dir mit der kleinen Geschichte am Anfang sagen wollte, sollte dir ein Trost sein, dass die Zeit ein wunderbarer Arzt in Herzensangelegenheiten ist. Deshalb warte einfach ab und widme dich in den nächsten Monaten umso intensiver deinen Studien.“
Iain war vollkommen verwirrt wegen des gerade Gehörten und zweifelte, ob er jemals seine Liebe zu Akira vergessen würde. Je mehr er an sie dachte, ihr schönes Gesicht vor sich sah und sich vorstellte, wie sie ausgerechnet diesen hässlichen McCullum küsste, desto verzweifelter wurde er. Er fand wenig Trost in den Worten Williams, der sich vor dem Dormitorium von ihm verabschiedete.
*
Um sich abzulenken, stürzte er sich in den folgenden Wochen und Monaten wie wild auf Bücher. Er las jedes Werk, das er in die Finger bekam. Das half allerdings nur bedingt. Zwar entdeckte er den Reiz der Geschichte und der Naturwissenschaften, lernte Latein und Griechisch und konnte bald mit William und seinen Mitbrüdern komplizierte philosophische Themen diskutieren. Besonders Bücher über das Glücksspiel las er mit großem Interesse, weil er sich insgeheim ausmalte, wie er mit geschickten Manövern beim Écarté eine Vermögen gewinnen und Akira von dem reichen Malcolm zurückgewinnen könnte. In seinem Innern loderte unaufhörlich das Feuer der Eifersucht. Sobald er alleine in seinem Bett lag, überkam ihn dumpfe Verzweiflung. Für was nahm er das alles auf sich? Seine gemeinsame Zukunft mit Akira hatte sich in Luft aufgelöst und er fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggerissen.
Außerdem überkam ihn immer wieder nicht nur eine heftige Sehnsucht nach Akira, sondern auch nach seinem Vater und Leslie. Er hatte noch keinen Weg gefunden, ihnen auf sicherem Weg eine Nachricht über seinen Verbleib zukommen zu lassen. Mit der gut funktionierenden königlichen Post ging das auf keinen Fall, da Robert McLeod persönlich alle Briefe entgegennahm, die an die Bewohner von Dunvegan adressiert waren. Woher sollte er einen verlässlichen Boten nehmen, der die Post heimlich abliefern würde, und womit sollte er ihn entlohnen? Er hatte kein Geld, sein Lohn als Novize war die exzellente Ausbildung. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf einen Zufall zu warten. Mit Tränen in den Augen ergab er sich seinem Schicksal.
Im Frühsommer des nächsten Jahres überreichte Bruder William ihm eines Tages eine neue braune Kutte. Iain sah ihn erstaunt an.
„Du gefällst mir nicht. Statt des zähen Burschen, der mir vor einigen Jahren bei meinem Radbruch half, meine Karre ab und aufzuladen, steht heute ein bleicher, schmächtig gewordener Stubenhocker vor mir. Denke immer daran: Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper. Du hast deinen über dem vielen Lernen völlig vergessen. Deshalb wirst du auf den Feldern mithelfen, um wieder zu Kräften zu kommen.“
Von nun an musste sich Iain jeden Morgen nach den Exerzitien und dem Frühstück aufmachen, um auf den Wiesen des erzbischöflichen Hofes die Sense zu schwingen und große Heuhaufen mit der Gabel aufzutürmen. Bald schon genoss er die schwere Arbeit an der frischen Luft. Er merkte, dass er die Bücher gar nicht so sehr vermisste. Der anfängliche Muskelkater legte sich ebenso schnell, wie die Blasen an seinen Händen heilten und Schwielen hinterließen, und stolz fühlte er, wie seine Kraft und Ausdauer zurückkehrten. Nachdem alle Wiesen gemäht waren, hatte er keine Einwände, gleich beim Schnitt der Weizenfelder mitzuhelfen. Nicht wenig trug zu seiner Bereitschaft bei, dass die Gesellschaft der Knechte und Mägde des erzbischöflichen Hofes eine angenehme Abwechslung zum klösterlichen Gelehrtendasein war. Die einfachen Menschen, ihr Gelächter und ihre Streitigkeiten um Alltägliches riefen ihm die Zeit in Dunvegan in Erinnerung und bei ihnen fühlte er sich sofort wie zu Hause.
Außerdem gab es da noch die blonde Gwyn, die in ihrem dünnen Kleid, das ihre Figur mehr betonte als verhüllte, jeden Tag mit einem strahlenden Lachen beschwingt aufs Feld kam, um den schwer Arbeitenden Leichtbier und einen Mittagsimbiss zu bringen. Iain unterhielt sich gerne mit dem fröhlichen Mädchen, das ihn wegen seiner gestelzten Ausdrucksweise neckte und über ihn lachte, ihn manchmal auch ernst und versonnen ansah. Wenn sie dann mit halboffenem Mund gebannt an seinen Lippen hing und sein Blick auf ihren wohlgeformten Busen fiel, der sich unter dem dünnen Stoff ihres Kleides abzeichnete, überliefen ihn oft wohlige Schauer und er dachte an die leidenschaftlichen Umarmungen Akiras.
Eines Abends, an dem er sich auf dem Heimweg die Kutte vom Leib gerissen hatte, um seinem verschwitzten Körper in einem verschwiegenen kleinen Teich eine Erfrischung zu gönnen, staunte er nicht schlecht, als plötzlich Gwyn aus den Büschen am Ufer trat und ihn anstarrte. Langsam ließ sie ihr dünnes Sommerkleid von den Schultern gleiten und kam nackt wie Gott sie schuf zu ihm ins Wasser. Iain blickte sie stumm an. Wie von einem Magneten gezogen ging er ihr ohne sie aus den Augen zu lassen schweigend entgegen. Sie standen sich im nur knietiefen Wasser des Teiches gegenüber und er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er umarmte die ihn lächelnd Ansehende und endlich küsste er ihre Lippen, die ihn schon so lange gereizt hatten.
Er hob sie hoch und trug sie ans Ufer. Dort legte er sie sanft ins weiche Moos. Sein Glied stand machtvoll, und als sie sich ihm willig mit gespreizten Beinen anbot, drang er mit einem wilden Stoß sie ein. Nach nur wenigen Bewegungen entlud sich die so lange in ihnen aufgebaute Spannung und sie schrien gleichzeitig wie verwundete Tiere. Iain rollte sich von ihrem nassen Leib und schloss die Augen. Gwyn küsste ihn sanft auf den Mund. Er hörte, wie sie aufsprang, sich ihr Kleidchen überwarf und leichten Schrittes davonlief. Er blieb nackt am Ufer des Teiches liegen. Ohne zu denken starrte er in den sich verdunkelnden Himmel, bis die ersten Sterne aufgingen. Dann stand auch er auf, zog sich die Kutte über und lief zum Kloster.
Gwyn wollte nichts von ihm außer ihren heimlichen Vereinigungen, während derer sie voller Gier im Gras oder im Heuschober übereinander her fielen. Für Gwyn war er ein künftiger Priester, mit dem sie sich zwar keine gemeinsame Zukunft vorstellen konnte, der jedoch verschwiegen war und mit dem sie ihre Lust ausleben konnte. Und Iain genoss Gwyns Unbekümmertheit, mit der sie die sensiblen Stellen seines Körpers liebkoste und ihn zu höchsten Wonnen trieb.
In den Pausen zwischen ihren Vereinigungen hatte Gwyn ihm oft von den Nöten der Landbevölkerung erzählt und ihm von einer ihrer Ideen zur Verbesserung deren Lage berichtet. Eines Abends fragte er William, der sich sehr über Iains gesundes Aussehen und seine wiedererwachten Lebensgeister freute: „Wäre es den Arbeitern vom Feld möglich, einen Kredit vom Erzbischof zu bekommen? Mit zehnprozentiger Verzinsung und in fünf Jahren rückzahlbar?“
William hob erstaunt die Brauen: „Wie um alles in der Welt kommst du auf so eine Idee? Und wofür sollte das wohl gut sein?“
Iain erklärte ihm Gwyns Plan, bei dem es um die Anschaffung moderner Webstühle und die Anwendung neuer Färbetechniken für die Schafswolle ging, die die Frauen der Bauern verarbeiteten.
„Mit 100 Pfund Sterling könnten sie sogar noch Wolle dazukaufen und das mit den neuen Stühlen feiner gewebte und gefärbte Tuch in London viel teurer verkaufen. Die Nachfrage nach gutem Tuch ist dort gewaltig, wie ich höre. Was hältst du von der Idee?“
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