Spätsommer-Liebe
Mit Herz und Spaten
Mathilde Berg
Erstveröffentlichung August 2019
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Hinweis
Danke
Rechtliche Hinweise
Impressum
Lesetipp
„ Frau Specht, Sie kommen zu spät zu Ihrem Termin!“
„Ich weiß. Aber das ist ein sehr wichtiger Auftrag. Die Auftragsbestätigung muss heute unbedingt noch raus und …“
„Das kann ich doch auch machen! Ich wurde schließlich eingestellt, um Sie zu entlasten, Frau Specht.“
Resigniert schaute Sybille in das Gesicht der jungen Frau, die vor ihrem Schreibtisch stand.
Wie hatte Michael nur diese Person einstellen können? Was war bloß in ihn gefahren? Bei dem Vorstellungsgespräch muss er wohl unter geistiger Umnachtung glitten haben , dachte sich Sybille. Wie sonst hätte ihr Mann dieses unfähige Mädel einstellen können?
Darüber würde sie sich nachher beziehungsweise gleich beim Abendessen mit Michael ernsthaft unterhalten müssen. Ihr mir nichts, dir nichts dieses langhaarige, junge Ding vor die Nase zu setzen! Ihren Kopf schien sie nur zum Haare kämmen zu haben, und sie war so langsam, dass man beim Laufen ihre scheinbar endlos hohen High Heels besohlen könnte, wenn man sie überhaupt mal beim Gehen ertappte. Hatte sie sich erst einmal in Bewegung gesetzt, glich es eher einem Schreiten, bei dem sie ihre Hüften weit nach rechts und nach links schwang in ihrem, wie Sybille fand, viel zu kurzen Rock. Ihr puppenhaftes Gesicht lag unter einer dicken Schicht Make-up mit grell geschminkten Augenlidern und Lippen in einem knalligen Pink. Ihre Kulleraugen wurden von langen, falschen Wimpern eingerahmt.
Sybille war noch bei ihrem letzten Gedanken, da beugte sich die neue Kollegin über den Schreibtisch zu Sybille und nahm die Papiere, die vor ihr lagen, in die Hand. Sybille griff schnell zu und für einen Moment befürchtete sie, dass die riesigen, zusammengequetschten Brüste der fähigen Mitarbeiterin aus dem tiefen Dekolleté auf ihren Schreibtisch plumpsen würden. „Frau Meyer, ich bin sehr wohl in der Lage, meine Arbeit selbst zu erledigen! Schließlich habe ich diese Firma zusammen mit meinem Mann gegründet und aufgebaut.“
Daniela Meyer verzog ihren Mund zu einem beleidigten Schnütchen. „Na, wenn Sie meinen!“
„Ja, das meine ich!“
„Ihr Mann hat mir aber ausdrücklich aufgetragen, dass Sie pünktlich zu dem Termin heute Abend kommen sollen. ‚Frau Meyer‘, hat er gesagt, ‚sorgen Sie persönlich dafür, dass meine Frau pünktlich das Büro verlässt‘.“
„Sie sollten sich angewöhnen, zwischen den Zeilen zu lesen.“
„Hä? Wie meinen Sie das? Er hat mir das doch am Telefon gesagt. Da kann ich doch nur zuhören! Oder hätte ich mir das aufschreiben sollen?“
Sybille atmete hörbar laut ein und aus. So viel Blödheit auf zwei Beinen! „Wie dem auch sei. Ich würde pünktlich aus dem Büro kommen, wenn ich nicht auch noch Ihre Arbeit machen müsste!“
„Also, das finde ich jetzt voll unfair von Ihnen!“
„Sehen Sie, da sind wir ja immerhin zum ersten Mal einer Meinung.“
Daniela lächelte stolz. Um sie loszuwerden, griff Sybille nach einem Stapel unwichtiger Papiere und reichte in ihr. „Diese Unterlagen können Sie bitte zwei Mal kopieren, zusammentackern und lochen. Dann unter P oder Ablage rund ablegen.“
Siegessicher schnappte sich Daniela Meyer den Stapel und schlenderte mit wackelndem Hinterteil zum Kopierer am Ende des Flurs.
Mein Gott, ist dieses Mädchen dumm! Sybille wandte sich wieder ihren Unterlagen zu.
Vor ihr lag eine Auftragsbestätigung für eine Küche, adressiert an Phillip und Maren Wiesner, Mühltal bei Nußdorf am Inn.
Versonnen dachte Sie an den Zeitungsartikel in dem Hannoverischen Sonntagsblatt ‚Hallo Wochenende‘. Vor zwei Jahren war dort die Überschrift Die Frau, die sich was traut zu lesen gewesen. Maren Förster, die Tochter einer Freundin ihrer Freundin, hatte kurzerhand ihren damaligen Freund nebst Spielgefährtin kurzerhand vor die Tür gesetzt, nachdem sie die beiden in unmissverständlicher Zweisamkeit vorgefunden hatte. Anschließend hatte sie deren Habseligkeiten über den Balkon ihrer Dachwohnung im fünften Stock auf die Straße geworfen.
Auf der Titelseite war ein Bild zu sehen gewesen, auf dem ein Mann, nur in Micky Maus-Shorts bekleidet, seinen Hintern einer Handykamera entgegenstreck und eilig einige Kleidungsstücke vom Bürgersteig zusammengerafft hatte. Seine Begleitung hatte versucht, mit einem kurzen Hemdchen und einem peinlich berührten Gesichtsausdruck das Nötigste von ihrem nackten Körper zu verdecken. Eine Menschenmasse hatte das groteske Schauspiel verfolgt. Maren Förster hatte danach eine Reise mit ihren Eltern nach Süddeutschland angetreten und dort die Liebe ihres Lebens gefunden. Nun wohnte sie zusammen mit ihrem Mann in Mühltal bei Nußdorf am Inn.
Sybille war stolz, dass ihre Küchenmöbel, die unten in der Werkstatt in Handarbeit angefertigt wurden, in ganz Deutschland ihren Platz fanden.
Akribisch arbeitete sie weiter. Bei jedem Blick auf die Bahnhofsuhr über ihrer Bürotür zog der große Zeiger mit riesigen Schritten weiter. Die Zeit verging wie im Flug. Ausgerechnet heute stapelten sich die Aufträge auf ihrem Schreibtisch. Sybille war natürlich froh über die hohe Auftragslage. Es war zum größten Teil ihr Verdienst, dass es so war. Aber ausgerechnet heute, am Freitag, dem letzten Tag vor den zweiwöchigen Betriebsferien und ihrem fünfzigsten Geburtstag, wäre eine helfende Hand nützlich gewesen.
Sybille schaute zu Daniela Meyer am Ende des Flures, wie sie fragend das Kopiergerät anschaute, der verzweifelt mit akustischen Signalen darauf aufmerksam machte, dass der Papiervorrat alle war. Daniela drückte immer wieder auf die Starttaste, klappte den Deckel, unter der die Kopiervorlage lag, auf und zu.
„Frau Specht? Ich glaube, der Kopierer ist kaputt!“
„Vielleicht liegt es am Papier?“
„Nö, glaube ich nicht. Es ist ganz dünn, und gestaut ist, glaube ich, auch nichts.“
„Offenbar ist der Papierschacht leer. Sie müssen neues einfüllen!“
„Meinen Sie? O ja, tatsächlich! Ach, das muss man ja erst mal wissen. Ich bin schließlich noch nicht so lange hier.“
Sybille griff sich an die Schläfe. Ein leichter Druckschmerz breitete sich aus.
Michael hatte Sybille heute zum Abendessen eingeladen, wobei sie schon gedacht hatte, er hätte ihren Geburtstag, wie schon so häufig, vergessen. Immerhin war er die ganze letzte Woche im Außendienst gewesen, um eine neue Küche aufzubauen. Das Ausliefern und Aufbauen war Chefsache. Das ließ sich Michael nicht nehmen.
„ Viertel vor fünf! , erkannte Sybille. O mein Gott, ich muss los! Dann muss das Mädel eben doch den Rest machen. Wenn das mal gut geht. Aber ich habe keine Wahl, wenn ich nicht zu spät sein will.
Schnell und mit geübten Handgriffen räumte Sybille ihren Schreibtisch auf, schloss ordnungsgemäß die Schubladen ab und schob ihren Bürostuhl unter die Arbeitsplatte. Der Rechner fuhr gerade runter.
Welch himmlische Ruhe , dachte Sybille.
An einem Arm baumelte die große Handtasche, unter dem anderen klemmte ein Stapel Unterlagen. So eilte sie in Richtung Ausgang. Im Vorbeigehen legte sie mit etwas Schwung die Unterlagen, die noch bearbeitet werden sollten, auf den Schreibtisch der jungen Kollegin.
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