»Ein Mord? Hier in der Gegend?« Ich setze eine künstliche Pause ein, dann reiße ich im gespielten Begreifen die Augen auf und sehe kurz zu Caplan, dann wieder zu Trent, weil er mir die Frage gestellt hat.
»Die Absperrung unten. Wurde jemand vor diesem Gebäude erschossen?« Erschossen ist gut, damit stelle ich eine Vermutung in den Raum, die meilenweit von der Wahrheit entfernt ist. Das weckt zumindest Zweifel an meiner Schuld, sollte jemand aus irgendeinem Grund annehmen, dass ich der Mörder bin.
Trent runzelt die Stirn und blinzelt verunsichert. Der Hundebiss in meinem Arsch ist eben etwas lockerer geworden. Aber mit dieser Reaktion hat er mehr verraten, als er wollte. Sie haben mich tatsächlich im Verdacht. Nur warum? Hat jemand mich gesehen? Die Überwachungskameras kenne ich alle. Ich habe sie gemieden, um sie nicht manipulieren zu müssen. Manipulationen sind zu leicht zu entdecken. »Nicht erschossen. Vom Dach geworfen.«
Ich nicke verstehend. »Also soll ich Ihnen die Aufzeichnungen der letzten Nacht geben?« Ich wende mich wieder Caplan zu und setze meine professionelle Miene auf. Er soll glauben, dass ich absolut dazu bereit bin, mit ihm zusammenzuarbeiten.
»Die haben wir schon gesichtet«, sagt er und sein Blick huscht kurz zu Campbell, ohne dass er den Kopf auch nur einen Millimeter wegdreht. »Mr. Campbell war so nett uns seine volle Unterstützung zuzusichern.«
»Was es auch ist, ich werde Ihnen behilflich sein«, sage ich trocken.
»Nun ja«, sagt Caplan und sieht mich direkt an. »Wir befragen jeden mit Zugangsberechtigung für das Gebäude. Sie sind einer davon.«
Ich presse die Lippen aufeinander. Ein bisschen Frustration ist an dieser Stelle angebracht. Würde ich die Ankündigung einer Befragung zu emotionslos hinnehmen, wäre es verdächtig. Keiner wird gerne befragt, weder schuldig noch unschuldig.
»Sie können gerne das Protokoll einsehen. Ich bin gestern nach dem Schichtwechsel gegen 22:00 Uhr gegangen. Ich bin keine der Nachtwachen, ich teile die Männer nur ein und trage die Verantwortung für sie.« Was Campbell natürlich nicht wissen kann, ist, dass ich meine Karte unten am Haupteingang durchgezogen und tatsächlich das Gebäude verlassen habe. Aber ich habe es durch einen der rückwärtigen Eingänge im Keller wieder betreten und mich dort versteckt. Es gibt keine Kameras im Keller. Dafür einen alten Speisenaufzug, der von ganz unten bis ganz nach oben führt. Diesen habe ich genommen, um mich in Stones Büro zu schleichen, das sich direkt neben diesem Aufzug in dieser Etage hier befindet. Ich wusste ja, dass Stone sich gerne spät abends noch mit einer der weiblichen Securitys in seinem Büro vergnügt. Der Rest war wirklich einfach, die Frau arbeitet nämlich für mich. Sie hat ihn zwischen ihre Beine gelassen und ich hab ihm die Flasche Sekt, die er mit ihr geleert hat, über den Schädel gezogen. Nicht zu heftig, um keine Dellen in seinem hässlichen Schädel zu hinterlassen, die verraten könnten, dass der Mann vor seinem Sturz schon einen anderen Unfall hatte. Die Chance so etwas zu entdecken war bei einem Sturz aus der Höhe wahrscheinlich nicht groß, aber besser kein Risiko eingehen.
»Wie kommen Sie darauf, dass es Mord war? Vielleicht ist er selbst gesprungen«, werfe ich ein. Jetzt wird es Zeit, das FBI zu verunsichern und von ihrer Fährte abzulenken, um sie in eine andere Richtung zu schubsen.
»Warum sollte er selbst gesprungen sein?«, mischt sich Campbell ein. »Stone war ein guter Mann, der beste, den ich hatte.«
Ich sehe Campbell mit bedauerndem Blick an. »Dann wussten Sie nicht vom Tod seiner Frau?«
»Was? Nein?«
»Seine Frau ist gestorben?«, hastet der Fanatiker vor und mustert mich fast schon panisch. Seine Zähne lösen sich ein weiteres Stück aus meinem Fleisch.
»Woran?«, will Trent wissen.
Gleich werde ich auch die volle Aufmerksamkeit des Langweilers bekommen. Ich sehe kurz zu ihm hin. Noch schaut er eher teilnahmslos.
»Sie wurde von einem Betrunkenen überfahren. Sie war hochschwanger.« Auch wenn dieser Unfall bedauerlich ist, er hat uns in die Hände gespielt. Summer löst seinen Blick von der Aussicht vor dem Fenster und sieht mich interessiert an. Na bitte, der Familientyp kann unmöglich kalt bleiben, wenn eine tote Ehefrau und ihr Ungeborenes ins Spiel kommen.
Campbell sieht mich nachdenklich an. »Davon hat er nichts erwähnt.«
Ich lege Bedauern in mein Gesicht und in meine Stimme. »Stone hat Arbeit und Beruf strikt getrennt. Er hat es mir vor ein paar Tagen bei ein paar Bier in der Bar unten an der Ecke erzählt.« Nichts hat er mir erzählt. Der Schweinehund hat wahrscheinlich nicht mal das Gesicht verzogen, als er von dem Unfall gehört hat. Ein paar Bier haben wir trotzdem getrunken. Aber das habe ich nur getan, um mir sein Vertrauen zu erschleichen.
Campbell schluckt und seine Stirn legt sich vor Wut in Falten. »Wir waren Freunde.«
»Bei allem Respekt, Sir. Aber er hat in Ihnen seinen Boss gesehen. Er hat seinen Job ernstgenommen.« Ich ziehe vielsagend eine Augenbraue hoch, um Campbell zu verdeutlichen, dass ich genau weiß wie ernst. »Das wissen Sie so gut wie ich.« Campbell weicht meinem Blick aus. Vorsichtig, alter Junge. Du willst die Wachhunde doch nicht aufscheuchen.
»Warum wussten Sie das nicht?«, wendet Caplan sich jetzt an den Fanatiker. Ja, das hätten sie wissen müssen. Aber sie wussten es nicht, weil sie unvorbereitet hier reingeplatzt sind. Der Mord interessiert sie gar nicht. Er ist nur die Eintrittskarte ins Paradies. »So was hätten Sie doch prüfen müssen.«
Er sieht mich an. »Gab es denn irgendwelche Anzeichen, dass er labil war?«
Labil? Der Mann hat sich den feuchten Dreck für seine tote Frau interessiert. Oder das Kind. Hätte er sonst sofort rumgevögelt? Der hatte Eiswasser in seinen Adern.
»Er hat versucht, es zu überspielen. Aber sein Alkoholkonsum war nicht von dieser Welt.« Auch dieser Punkt hat uns sehr geholfen, diesen Plan umzusetzen. Stone hat eine Menge vertragen, ohne Zweifel, aber sein Frühstück war Whiskey. Der Gerichtsmediziner wird das sicher prüfen, und er wird feststellen, dass Stones Leber auf den Schrott gehört. Oder als Warnung an unsere Jugend als Foto auf sämtliche Whiskeyflaschen und Alkopops. Außerdem hatte er gestern Abend kurz vor seinem Tod eine halbe Flasche Sekt. Und natürlich hatte er keinen verräterischen Sex. Meine hilfreiche kleine Freundin und ich haben den Kerl gesäubert. Auch seinen verfickten Schwanz.
Ich wende mich wieder an Trent. »Wenn Sie seine Flugbahn überprüfen, werden Sie mit Sicherheit feststellen, dass der Mann gesprungen ist.« Ist er tatsächlich. Nur mit etwas Hilfe von mir.
Trent zieht misstrauisch eine Augenbraue hoch. Ich sehe ihm an, dass er glaubt, ich hätte mich eben verraten. Dieser Mann ist wirklich aufgeweckt. Ganz anders als unser Fanatiker. Der hat nichts mitbekommen. Er hat in Gedanken schon abgeschlossen und seine Zähne eingefahren. Aber das hier ist nur die Endrunde, Junge. »Sie kennen sich aus?«
»Natürlich. Bevor ich hier angefangen habe, waren wir Kollegen.« Jetzt reißt er erstaunt die Augen auf. Das hat ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich leiere ihm meine Dienstnummer und meine Dienststelle runter und Trent notiert alles sofort. Er wird das prüfen. Das darf er ruhig. Alles in bester Ordnung, Junge. Nichts davon ist gelogen.
»Warum haben Sie aufgehört?«, will jetzt der Familienvater wissen. Ich könnte ihm jetzt sagen, dass ich die Kurve nicht bekommen habe, bevor es zu spät war. Er könnte das noch schaffen. Aber ich sage nichts. Sie werden es in meiner Akte finden.
»Persönliche Gründe.« Womit wir beim Abschluss wären in dieser Spielrunde. »Wie kommt es, dass ihr Jungs euch für diesen Fall interessiert? Normalerweise kommt ihr nicht wegen eines einzigen eventuellen Mordes.« Ich setze bewusst ein provozierendes Lächeln auf. Alle drei wissen genau, dass ich recht habe. Ein einziger Mord lockt das FBI nicht hinterm Ofen vor. Dazu braucht es ein paar mehr. Ein Mord an einem unbedeutenden Security ist Sache der örtlichen Polizei.
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