Major Pitschmann, der im Generalstab der Heeresgruppe Nord seinen Dienst versah, war der verantwortliche Offizier als es darum ging, das Bernsteinzimmer von Zarskoje Selo nach Siwerskaja und von dort in Eisenbahnwaggon nach Königsberg zu bringen. Er war im Generalstab für den Einsatz der militärischen Kräfte im Nachschubbereich verantwortlich. Ihm unterstellt war Hauptmann Blumschein vom Stab des „A . Nachschub F 516“.
Hauptmann Blumschein wiederum unterstand die „3. Komp./Nachsch. Btl.(mot) 553 in Siwerskaja“. Hauptmann Blumschein erfüllte gewissenhaft den Auftrag von Major Pitschmann und teilte ihm die Erfüllung der übertragenen Aufgabe in einem Schreiben, datiert vom
„ O.U. den 26. Januar 1942“ mit.
„ Herrn
Major i.G. Pitschmann
O.Qu./Ou.2
Sehr geehrter Herr Major:
In der Anlage reiche ich das Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Königsberg (Pr.) vom 13.1.42 zurück.
Die Kunstgegenstände wurden wunschgemäß aus dem Schloss Zarskoje Selo zur 3. Komp./Nachsch.Btl.(mot 553)Siwerskaja transportiert und dort verpackt.
Sobald der Bhf. Siwerskaja einen Waggon zur Verfügung stellt werden die Kunstgegenstände nach Königsberg abgesandt.“
Der Brief trägt die handschriftliche Unterschrift von Hauptmann Blumschein. Dieser Brief reiht sich damit in die erhalten gebliebenen Dokumente, die der Wahrheit entsprechen, ein.
Während Iwanow in seinem Buch „Von Leningrad nach Königsberg“ auf Seite 43 übereinstimmend den Inhalt dieses Briefes von Hauptmann Blumschein an Major Pitschmann veröffentlicht (er soll sich angeblich im Stein Archiv befunden haben, das Falz Fein den Russen schenkte), wird der Brief von der Städtischen Kunstsammlung an Major Pitschmann nicht veröffentlicht.
Heute fragt man sich, wie kommt das Dokument Blumschein an Pitschmann ins Stein-Archiv wenn das Originaldokument heutzutage im Bundesarchiv – Militärarchiv liegt. Das kann nur eine Kopie sein. Das ist immer noch keine Erklärung dafür, warum sich keine Kopie des Briefes von Alfred Rohde an Pitschmann im Stein-Archiv befand? Dafür gibt es nur zwei Erklärungen. Entweder wurde dieser Brief von Iwanow unterschlagen, oder er hat sich tatsächlich nie im Stein-Archiv befunden. Die Originaldokumente, das ist unanfechtbar, liegen gegenwärtig im Bundesarchiv – Militärarchiv.
Eine Begebenheit steht auf jeden Fall der Wahrheit entsprechend im Raum und kann dokumentarisch belegt werden. Der Direktor der Städtischen Kunstsammlung Königsberg Alfred Rohde wandte sich, nachdem er über Georg Poensgen die Anschrift von Major Pitschmann in Erfahrung gebracht hatte, am 13.1.1942 an diesen Major.
An diesem Tag befand sich das ins Königsberger Schloss gebrachte Bernsteinzimmer im Aufbau. Vor diesem 13.1.1942, das ist damit authentisch bewiesen, hat es von Alfred Rohde keinen persönlichen Kontakt zur Nachschubgruppierung der Heeresgruppe Nord gegeben. Diesen Kontakt hatten nur Georg Poensgen und Ernstotto Graf Solms zu Laubach. Alfred Rohde waren bis zum 13.1.1942 die Namen der verantwortlichen Offiziere im Nachschubbereich der Heeresgruppe Nord unbekannt.
Das Bernsteinzimmer (bestehend aus nunmehr 144 Teilen da zwei Doppeltüren dazu gekommen waren) soll „in 27 Kisten verpackt gewesen sein... “, (1) als es nach Königsberg gebracht wurde? Woher nimmt Enke diese Gewissheit? Enke, der sich diesbezüglich auf eine Meldung des „ Sonderkommandos AA “ (das war die „Gruppe Künsberg“ und nicht das Einsatzkommando „Hamburg“) bezieht übersieht hier scheinbar, dass es in diesem Bericht keinen Beweis über einen Zusammenhang zwischen der Sicherstellung des Bernsteinzimmers und dem Abtransport mit den 18 LKW nach Königsberg gibt.
In dem Bericht des „ Sonderkommandos AA “ heißt es zwar” Aus dem Katharinenschloß wurde im Herbst 1941 das Bernsteinkabinett... sichergestellt” - und an einer anderen Stelle: „Ebenso wurden bereits damals etwa 18 LKW wertvollstes Möbel - und anderes Kunstgut, vor allem Gemälde ... zur Sicherstellung nach Königsberg überführt.” (2)
Hier liegt anscheinend eine Verwechselung vor. Die Überführung erfolgte nicht nach Königsberg sondern nach Siwerskaja. Das Bernsteinzimmer wurde mit den „ wertvollsten Möbel “ von Zarskoje Selo bis nach Siwerskaja transportiert und keineswegs bis nach Königsberg. Das ist ein wesentlicher Unterschied, ergäbe aber einen sinnvollen Zusammenhang.
In Siwerskaja wurden später diese „wertvollsten Möbel “ gemeinsam mit dem Bernsteinzimmer in fünf Eisenbahnwaggon verladen und nach Königsberg gebracht. Wenn dort die Entladung erfolgte und diese „wertvollsten Möbel“ ins Königsberger Schloss gebracht wurden waren wiederum 18 LKW erforderlich. Das wäre ein logischer Zusammenhang.
Der Beweis, dass die 144 Teile des Bernsteinzimmers von Zarskoje Selo nach Königsberg mit der Eisenbahn transportiert wurden, ist inzwischen belegt. Der Transport erfolgte nur zu unterschiedlichen Zeiten. Die Türen wurden erst am 13.1.1942 nachgeliefert.
Nicht die Anzahl der Kisten ist bedeutsam, sondern die Anzahl der Teile aus dem Bernsteinzimmer, die nach Königsberg gebracht wurden.
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1. Enke, Seite 57
2. Enke, Seite 49
Anmerkung
Kopien für die Beweisführung, die aus urheberrechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden können, liegen im Archiv des Autors.
Raum 37 im Königsberger Schloss
Bevor der Zweite Weltkrieg begann war im Königsberger Schloss die kunsthistorische Welt noch in Ordnung. Keiner gab sich dem Gedanken hin, dass im Königsberger Schloss einmal ein Zimmer benötigt wird, in dem barocke Teile des größten Werkes der Bernsteininkrustation zur Ausstellung kommen sollten. Als es so weit war und die 144 Teile des Bernsteinzimmers aus Zarskoje Selo in Kisten verpackt im Schloss ankamen, waren umfangreiche Veränderungen in zwei Räumlichkeiten erforderlich - Raum 7 und Raum 37. Die Bernsteinsachen aus Raum 7 kamen alle in Raum 37.
In Raum 7 des Schlosses stand in der Mitte eine Vitrine, in der 14 kunsthistorisch wertvolle Stücke aus Bernstein zu sehen waren. Darunter befand sich sogar eine Bernsteinmadonna aus dem 14. Jahrhundert.
Diese Situation entsprach in Friedenszeiten noch der Normalität. Das betraf insbesondere die beiden Räume Nr. 37 und 38 in denen die Bilder des „ deutschen Impressionismus und Nachimpressionismus“ bewundert werden konnten. Diese beiden Räume lagen neben dem Corinthsaal und vermittelten dem Betrachter einen Einblick in die vielgestaltige Malwelt der Zeit um 1900 bis zur Gegenwart „ wobei neben den Meistern von allgemeiner deutscher Bedeutung die ostpreußischen Künstler ihre besondere Berücksichtigung fanden. Bilder von Liebermann, Modersohn-Becker, Slevogt, Rößler, Brockhusen, Claus, Dettmann, Jernberg; vom jüngeren: Nolde, Müller, Schmidt-Rottluff, Pechstein, Hofer, Kanoldt, Dix, Lenk; von einheimischen: Burmann, Meseck, Neumann, Degner, Bischoff, Partikel, Kossol, Schnell, Kolm. Plastiken: von Cauer, Brachert, Hardt u.a.“ (1)
Der Insidern bekannte Kabinettschrank aus Bernstein stand zunächst „ In Raum 7 im I. Geschoss.“ In diesen Raum war der Kabinettschrank „ nordostdeutsch“ aus dem Jahr „1680 gegenüber den Fenstern zwischen zwei Brüsseler Gobelins mit Wappen des Bischofs von Zaluski von Ermland“ zu sehen. In den Räumen 1-17 im I. Geschoss kam „ Die deutsche Kunst und deutsche künstlerische Kultur vom Mittelalter bis zur Biedermeierzeit“ zur Ausstellung. (2)
Im Zusammenhang mit der Ausstellung des Bernsteinzimmers in Raum 37 blieb der Raum 38 unverändert. Im Raum 38 wurde „ Neuzeitliche Malerei und Plastik meist ostpreußischer oder in Ostpreußen lebender Maler “ gezeigt . (3)
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