„Da waren ein paar Kerle, die haben euch was ins Glas getan. K. O. Tropfen oder so Zeug. Du hattest mächtig Glück“.
„Du bist wütend!“
„Ja. Natürlich bin ich wütend. K. O. Tropfen in meinem Klub und dann dein Auftritt. Das war ... Ich muss jetzt erst mal runter kommen. Die letzten Stunden saß ich neben dir und hab gehofft, dass du bald zu dir kommst. Entschuldige, aber ich muss erst mal runter kommen. Ruh dich aus“, höre ich ihn sagen, als er auch schon aus der Tür ist. Meine Gedanken kreisen um den Abend. Es war wirklich eine dumme Idee, dass ich den Typen will. Aber so ist es nun mal. Was hat er gesagt? Man hat mir was ins Trinken getan! Fuck! Aber er hat mich gerettet.
Rasch schlüpfe ich aus dem Bett, entkleide mich und laufe hinter Niklas ins Badezimmer. Der Raum ist eingehüllt in Wasserdampf, als ich ihn betrete und auf die Dusche zusteuere. Langsam umkreise ich die Glaswand und trete hinter Niklas, der mit dem Rücken zu mir steht. Ganz automatisch fassen meine Hände an seinen Rücken und berühren ihn. Langsam gleiten sie zu seinem Hintern, als er sich zu mir umdreht, meine Hände packt und mich ansieht.
„Was wird das?“
„Ich ...“, setze ich an und sehe ihn an, lasse meinen Blick an seinem Körper herabgleiten, speichere mir jeden Zentimeter Haut genau ein. Das Vergnügen blieb mir bisher verwehrt. Sein Körper ist perfekt. Breite Schultern, eine muskulöse Brust, ein perfekter Sixpack. Das Tattoo, das ich bereits auf seinem Unterarm erkennen konnte, zieht sich bis zu seiner Schulter. Mein Blick geht weiter nach unten, bleibt direkt an seinem Penis, der auf halb acht Stellung steht, hängen. Erregung schießt durch meinen Körper und meine Brustwarzen stellen sich auf. Wann wird er mich berühren? Doch so schnell kann ich gar nicht reagieren, wie Niklas mich an den Armen festhält und mich umdreht, sodass ich nun unter dem Wasserstrahl stehe.
„Berühr mich!“, flüstere ich und schließe meine Augen. Doch Niklas lässt von mir ab und tritt einen Schritt zurück. Was? Erschrocken öffne ich die Augen und sehe ihn an.
„Du glaubst nicht wirklich, das ich dich jetzt anfassen werde, nach allem, was passiert ist! Du hast Mist gebaut, ich bin stinksauer auf dich und daher jetzt ganz sicher nicht in der Stimmung dich anzufassen oder zu vögeln, selbst wenn du mich noch so scharf machen würdest“.
Mit diesem Satz lässt er mich los und verlässt die Dusche. Langsam rutsche ich auf den Boden und lasse meinen Tränen freien Lauf. Ich habe es vermasselt. Mit einem Handtuch um meinen Körper und meinem Kopf betrete ich wenig später erneut das Schlafzimmer, wo Niklas steht und wartet.
Das glaube ich jetzt nicht!
Fleur möchte von mir angefasst werden. Nachdem sie vor Tagen noch sagte, es war eine einmalige Sache zwischen uns. Liebend gern hätte ich sie zwar angefasst, um sie zu verführen, jedoch bin ich heute definitiv nicht in der Stimmung dazu. Mit einer Jogginghose bekleidet gehe ich nach unten und rufe Gina an, dass sie bitte Fleur abholen soll. Dass es erst kurz nach sechs ist, interessiert mich im Moment recht wenig.
„Wie geht es ihr?“, fragt sie mich am Telefon.
„Wieder gut! Und dir?“
„Es geht. Nachdem mich Klaus wachgerüttelt und zu Hause abgesetzt hat, musste ich mich übergeben. Danach habe ich noch drei Stunden geschlafen“.
„Das ist gut“.
„Ok. Dann hole ich Fleur jetzt ab“.
„Ja und bringe ihr was Anständiges zum Anziehen mit. Ich möchte nicht, dass sie am Helligen Tag wie ein Schlampe herumläuft“.
Ich nenne Gina die Adresse, lege auf und warte. Wenig später steht sie auch schon auf meiner Schwelle und ich lasse sie rein.
„Hmm, nette Hütte!“
„Danke“.
„Ich hoffe du bist nicht mehr allzu böse auf uns!“
„Gina, im Moment weiß ich grade gar nichts, außer das die Idee dumm war,“ antworte ich ihr, als sie mir die Tasche mit den Klamotten reicht und ich sie Fleur nach oben bringe. Gerade als ich die Tasche aufs Bett stelle, kommt Fleur aus dem Badezimmer. Sie wagt es nicht, mich anzusehen.
„Deine Freundin Gina hat dir was zum Anziehen gebracht. Sie wartet unten auf dich“.
„Niklas ...“, höre ich sie sagen und drehe mich um. - „Vergiss es. Schon ok!“
„Dann ist ja gut“, antworte ich ihr und gehe zurück zu Gina, die sich interessiert in meinem Haus umsieht. Da ich ja ein guter Gastgeber bin, biete ich ihr was zu trinken an und nehme mir selber einen Kaffee. Ein weiteres Mal sage ich zu Gina, wie wütend ich über die Aktion bin und das es eine beschissene Idee war. Man spürt meine Wut förmlich.
„Ich weiß. Es war meine Idee, in den Klub zu gehen!“
„Gina, ihr versteht es nicht. Nicht die Idee, in den Klub zu gehen, war beschissen. Euer Aufzug war es. Fleur rennt rum wie eine Schlampe. Kein Wunder, das die Typen euch hinterher sind. Was glaubst du, wäre passiert, wenn ich euch nicht gesehen hätte und so das Schlimmste verhindern konnte?“
„Sorry“.
„Ich darf gar nicht daran denken, wenn man euch irgendwo gefunden hätte - vergewaltigt oder tot“.
„Ich hab´s ja verstanden!“
„Na hoffentlich“.
Keine Ahnung, wie lange wir gewartet haben, als Fleur endlich runter kommt. Mein Blick huscht nur kurz über sie, wende ich jedoch dann ab, um mich unter Kontrolle zu halten. Sonst hätte ich womöglich doch noch geschüttelt.
„Danke noch mal!“, sagt Gina zu mir, als sie zur Tür raus gehen.
„Schon ok!“
Mit meinen Händen in den Hosentaschen verfolge ich, wie Fleur in das Auto steigt und anfängt zu weinen. Fuck! Keine Ahnung, wie lange ich so da stehe. Fleur weinen zu sehen, bricht mir das Herz. Aber da muss ich jetzt durch und auch Fleur wird sich wieder beruhigen. Wenn sie erst mal eingesehen hat, dass das, was sie getan hat, falsch war.
Wie ein begossener Pudel steige ich die Stufen nach unten in die Küche, wo Gina mit Niklas auf mich wartet. Wahrscheinlich hat er ihr auch den Marsch geblasen. Mein Blick geht zu Niklas, der mich zwar ansieht, aber dann den Blick abwendet. Es ist wie ein Stich direkt ins Herz. Mein Magen zieht sich schmerzlich zusammen. Jetzt habe ich die Bestätigung, dass Niklas keinerlei Interesse mehr an mir hat. Bedröppelt schreite ich vor Gina aus dem Haus und steige wortlos in ihr Auto, während Niklas mit den Händen in der Hosentasche an der Tür steht und uns nach sieht. Wahrscheinlich kann er jetzt auch sehen, dass ich heule, aber das ist mir scheißegal.
„Ich hab´s vermasselt, Gina. Jetzt will er endgültig nichts mehr von mir wissen“.
„Blödsinn. Der beruhigt sich schon wieder. Er ist halt nur ein wenig sauer auf uns, weil ... Na ja!“
„Jetzt hatte ich einmal das Glück, einen Typen wie ihn zu bekommen und dann passiert so was. Dabei mag ich ihn richtig gern“.
Gina setzt ich zu Hause ab und lässt mich allein. Ich verbarrikadiere mich in meiner Wohnung, gehe nicht ans Telefon und auch die Tür öffne ich nicht.
Ich will einfach nur allein sein. Meine Stimmung ist auf dem Nullpunkt angelangt. Völlig verheult stehe ich vor dem Spiegel in meiner Diele und bemitleide mich selbst. Das sündhafte Kleid, in einer Tüte verstaut, lasse ich einfach fallen. Die Schuhe werfe ich daneben. In der Theorie war der Plan spitze, in der Praxis jedoch der reinste Horror.
Völlig fertig mit den Nerven lasse ich alle Jalousien runter und schließe die Welt aus. Ich will keinen sehen, hören oder sonst was. Keine Anrufe, keine Nachrichten, keine Besuche. Ich bin einfach nicht da.
Die Tage ziehen sich in die Länge.
Ich geh nicht zur Arbeit und sitze die meiste Zeit heulend in meiner dunklen Wohnung. Selbst meine Einkäufe lasse ich mir vor die Tür stellen. Meinem Vater habe ich gesagt, ich sei erkältet, er solle sich aber keine Sorgen machen. Auf meinem Anrufbeantworter sind Dutzende Anrufe, mein Handy quillt vor Nachrichten über. Doch das Einzige, was ich im Kopf habe, ist Niklas. Scheiße! Ich habe Liebeskummer wie zuletzt als Teenager.
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