Bis dein Atem gefriert
Lügen mögen den Sprint gewinnen,
aber die Wahrheit gewinnt den Marathon.
Michael Jackson
Auf das in Schweden übliche Duzen wurde zugunsten der Lesbarkeit verzichtet.
Die Geschichte sowie sämtliche Protagonisten, Institutionen und Handlungen sind in diesem Roman frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Wo tatsächlich existierende Orte erwähnt werden, geschieht das im Rahmen fiktiver Ereignisse. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Epilog
Nachwort
Weitere Bücher der Autorin
Impressum
Frija setzte sich mit einer Tasse Tee an den Schreibtisch und schaltete den Rechner und die Monitore an. Der Blick hinaus auf den See verhieß nichts Gutes, denn der Wetterbericht hatte eine Sturmwarnung herausgegeben.
Frija hatte ihre sechzehnjährige Tochter pünktlich zur Schule gefahren und endlich eine kurze Nachricht auf dem Messenger erhalten, wann sie Sara wieder abholen konnte. Gott sei Dank. Zwar hasste es Sara mittlerweile, von ihr gegängelt zu werden, aber Frija hatte keine ruhige Minute, wenn sie nicht genau wusste, wo ihre Tochter gerade steckte.
Frija umfasste die Tasse, um ihre Hände aufzuwärmen, und trank einen Schluck. Sie schmeckte die Süße des Honigs heraus und leckte sich über die Lippen. Seit sie damit begonnen hatte, wieder etwas mehr für ihre Gesundheit und Fitness zu tun, fühlte sie sich bedeutend wohler.
Der Wind peitschte die Wellen, auf denen die weiße Gischt thronte, an das Seeufer des Erken und riss die letzten Blätter von den Bäumen. Aufgrund der Wetterwarnung hatte Frija das Joggen am Morgen ausfallen lassen. Mittlerweile war sie fast süchtig danach, sich die Laufschuhe anzuziehen, um am Ufer des Sees entlangzulaufen und sich körperlich zu verausgaben. Sobald die Endorphine ausgeschüttet wurden, verblassten die Sorgen. Und bei Gott, dieses Glücksgefühl hatte sie seit Jahren vermisst.
Seufzend wandte sie sich wieder den Monitoren zu. Die große Fensterfront im Arbeitszimmer mit Blick auf den See war ausschlaggebend für den Kauf des Hauses gewesen. Im Grunde genommen war es viel zu überteuert und renovierungsbedürftig angeboten worden, aber sie hatte ein Kleinod daraus erschaffen. Den größten Raum des Hauses hatte sie kurzerhand in ein Kinderzimmer umfunktioniert und sich nur ein schnödes Klappbett ins Arbeitszimmer gestellt. Aber es reichte und sie war zufrieden damit.
Die Tastatur klackerte leise, als sie mit der Arbeit begann. Sie war in der Werbebranche tätig, weitab von der Firma, die ihren Hauptsitz in Stockholm hatte. Das Material wurde per Mail hin- und hergeschickt oder landete gleich nach Fertigstellung in der Cloud. Einmal im Vierteljahr musste sie sich in der Stockholmer Zentrale blicken lassen, um die neuen Aufträge zu besprechen. Während dieser Zeit wohnte Sara bei Matilda, Frijas bester Freundin.
Alles in allem war sie mit ihrem Leben zufrieden und bis auf einen passenden Mann fehlte ihr nichts. Aber das war ein Kapitel für sich. Entweder zog sie immer die falschen Typen an Land oder sie ließ es gleich nach dem ersten Date bleiben. Gebrannte Kinder scheuten das Feuer, obwohl einst aus diesem leidenschaftlichen Funkenschlag Sara entstanden war. Und sie sah ihre Tochter tatsächlich als ein Geschenk des Himmels.
Das Smartphone gab einen leisen Ton von sich und Frija schaute aufs Display. Die Nachricht war von Matilda.
Hast du Lust, übernächsten Samstag mit unserer Clique zu kegeln?
Und ob sie das hatte. Endlich einmal wieder raus aus den eigenen vier Wänden, unter denen sie sich doch ab und zu begraben fühlte. Sie liebte das Leben fernab der großen Städte, fühlte sich aber manchmal doch sehr allein. Hier draußen konnte es schon recht einsam werden und nur selten verirrten sich Wanderer oder Touristen an diesen Ort.
Frija pickte sich verschiedene Grafiken heraus, die das Produkt des Kunden perfekt in Szene setzen sollten. Sie hatte drei Entwürfe in der engeren Auswahl, war aber immer noch nicht hundertprozentig überzeugt. Inzwischen hatte sie sich in der Branche einen guten Ruf erarbeitet und legte sich jedes Mal aufs Neue ins Zeug.
Ein Geräusch ließ sie aufhorchen. Hatte es gerade geklopft?
Fröstelnd zog sie die Schultern hoch. Gestern war ihr das Gleiche schon einmal passiert. Als sie jedoch nach unten gestürmt war, hatte niemand vor der Tür gestanden. Sie versuchte, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren, doch das Geräusch ließ ihr keine Ruhe.
Neugierig trat sie ans Fenster und musterte aufmerksam die Umgebung. Es war keine Menschenseele zu sehen. Der kleine Garten hinter dem Haus, den sie liebevoll hergerichtet hatte, lag nackt und verwaist vor ihr. Schließlich wandte sie sich ab und lief hinunter in die untere Etage. Sie linste durch den Spion und stieß erleichtert die Luft aus. Niemand stand vor der Tür. In letzter Zeit war sie schreckhafter als sonst, warum auch immer, und sie wusste ganz genau, dass sie sich das Klopfen am gestrigen Tag nicht eingebildet hatte.
In der Küche angelte sie sich einen Schokoriegel aus der Packung und schob ihn in den Mund. Nervennahrung, dachte sie lächelnd, manchmal muss man auch sündigen. Dann nahm sie ihre Arbeit vor dem Rechner wieder auf. Der Wind heulte ums Haus und die Fensterläden klapperten. Heute war genau das richtige Wetter, um sich wie in einem Horrorfilm zu fühlen.
Aus der unteren Etage drang wiederholt ein Geräusch nach oben und Frija fühlte sich gestört. Mit einem Seufzen erhob sie sich und ging nach unten.
„Na, ausgeschlafen“, sagte sie zu Smilla.
Schnurrend strich ihr die getigerte Katzendame um die Beine und setzte sich anschließend demonstrativ vor die Tür.
„Willst du wirklich bei diesem Wetter raus?“, fragte Frija, während Smilla wiederholt an der Eingangstür kratzte und Freilauf einforderte.
„Ist ja schon gut, wie Madame befiehlt.“
Die Tür wurde Frija vom Wind beinahe aus der Hand gerissen und das Haar wirbelte ihr ins Gesicht.
„Lauf nicht so weit weg …“, rief sie der Katzendame besorgt hinterher, die davonstiefelte und sie keines Blickes mehr würdigte.
Frija wollte die Tür gerade wieder zusperren, als sie nur wenige Meter vom Haus entfernt einen roten Stofffetzen entdeckte, der sich in den Sträuchern verfangen hatte.
„Was zum Teufel …“
Mit nur wenigen Schritten war sie am Gebüsch angelangt und griff nach dem roten Stoff. Sie rieb das Material skeptisch zwischen ihren Fingerspitzen und hob ihren Blick, um sich genauer umzusehen. Irgendetwas stimmte hier nicht, das konnte sie deutlich spüren. Oder wurde sie mit der Zeit paranoid?
Sie lief zurück zum Haus, knallte die Tür hinter sich zu und lehnte sich mit dem Rücken an das weiß lackierte Holz. Erneut betrachtete sie das ausgefranste Stück Stoff und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Es schien von einem Strickpullover zu stammen. Genau so einen hatte sie nach der Geburt ihrer Tochter gestrickt. War es tatsächlich möglich, dass sich jemand unbemerkt an ihren Sachen zu schaffen gemacht hatte?
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