»Ich werde Sie jetzt über unsere aktuelle Lage informieren, und es versteht sich von selbst, dass nichts von dem, was wir im Folgenden besprechen, den Raum verlässt«, sagte König Artorius.
»Natürlich, mein Herr«, versicherte Terius.
Der König richtete seine Augen auf die Karte, schaute aber durch sie hindurch, als er mit den Fakten herausrückte. »Der Krieg läuft für uns schlecht. Viel schlechter als offiziell bekannt. Wenn wir nicht schnell etwas unternehmen, dann werden die Fünf Königshäuser spätestens zum Herbst alle gestürzt sein, und Ilbétha wird in die Hände der Invasoren fallen.«
Antilius kribbelte es am ganzen Körper, so angespannt war er. Endlich gab es Antworten, also wollte er sich die entsprechenden Fragen nicht entgehen lassen. Allerdings merkte er, dass er nur die Fragen stellen konnte, die er damals auch gestellt hatte. Eine andere Frage zu stellen als damals, ließ die Vergangenheit nicht zu, denn sie konnte man nicht verändern. Zum Glück war seine Neugier schon damals sehr ausgeprägt gewesen. »Wo ist Ilbétha jetzt?«, fragte er.
Terius rollte mit den Augen, weil es ein Frevel war, den König zu unterbrechen. Artorius legte jedoch auf die Etikette in diesen Tagen keinen Wert und beantwortete die Frage, weil er in Anbetracht ihrer Situation davon überzeugt war, es den Männern und Frauen schuldig zu sein.
»Ilbétha ist noch hier auf Eventum. Aber schon heute werden wir sie an einen sicheren Ort nach Finfin bringen, weit weg vom Kriegsgeschehen. Das Versteck, das wir für sie vorbereitet haben, hat uns immense Anstrengungen abverlangt. Seitdem wir mit ihr kommunizieren können, sind uns gewisse Dinge verständlicher geworden. Mit ihrer Hilfe konnten wir ein Versteck für sie kreieren, das schon bald vollendet sein wird und Ilbétha die Möglichkeit gibt, sich auszuruhen und zu regenerieren. Nur ein paar Eingeweihte wissen von Ilbéthas Verlegung. Der Feind soll weiter davon ausgehen, dass sie hier auf Eventum sei. Aus diesem Grunde kann ich nicht weiter auf die Details zu Ilbéthas Versteck eingehen.«
Einer von Terius' Adepten schnaufte verächtlich: »Wäre sie doch nie auf unsere Welt gekommen! Sie hat uns ins Verderben gestürzt.«
Antilius erinnerte sich an den Namen des Adepten. Gorgus. War das etwa der Gorgus, der später seinen Verstand in das Flüsternde Buch transferiert und die Gorgens erschaffen hatte? Gorgus war ein Mensch. Wie sollte das möglich sein? Aber je länger er Gorgus ansah, seine Mimik und seine Gestik studierte, desto sicherer war er sich, dass vor ihm der spätere Vater der Gorgens stand.
»Das ist nicht wahr!«, fuhr Terius seinen Schüler an. »Es lag nie in ihrer Absicht, jemandem Schaden zuzufügen. Sie wollte nur eine neue und bessere Welt erschaffen. Sie ist damit gescheitert, ja. Aber niemand, auch nicht sie selbst, konnte ahnen, was uns widerfahren würde. Was geschehen ist, ist geschehen. Wir sind nicht hier, um über unser Leid zu klagen, sondern um dem ein Ende zu setzen.«
»Ich bin froh, dass Sie so denken«, sagte König Artorius. »Terius hat vollkommen recht. Wir müssen jetzt unsere Kräfte auf die Durchführung unseres Plans lenken.
Wie ich bereits angedeutet habe, halte ich Finfin für den letzten sicheren Ort auf Thalantia. Eventum ist zwar bislang verschont geblieben, aber die Nachbarstadt Ventum ist letzten Berichten zufolge gestern gefallen. Wir wissen nicht, ob jemand überlebt hat. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis Eventum angegriffen wird.«
Alle waren bestürzt. »Wisst Ihr, welche der Invasoren dafür verantwortlich sind?«, fragte jemand.
»Ich schäme mich, zugeben zu müssen, dass wir keine Ahnung haben. Das ist es ja, was mich zur Verzweiflung bringt: Wir wissen nicht einmal, wie viele Spezies durch die Dimensionsrisse, die sich nach Ilbéthas Ankunft aufgetan haben, zu uns gelangt sind. Es könnten ein Dutzend verschiedene Spezies sein. Vielleicht sind es auch doppelt so viele.
Wir wissen nur, dass die Uwore - diese kristallinen Wesen - auf allen Inselwelten die treibende Kraft sind. Sie wollen nicht nur an Ilbéthas Macht, sie wollen auch Thalantia unterwerfen und es in ihr Empire integrieren. Wahrscheinlich sind die Uwore auch für den Sturz von Ventum verantwortlich. Es gibt Gerüchte, dass sie einen Angriff auf Eventum starten wollen. Es heißt, sie buhlen um die Gunst des Leviathans oben im Stausee.«
»Der Leviathan würde sich nie mit den Invasoren einlassen. Er ist seit Jahrhunderten ein Freund des Königreichs Eventumien«, sprach Terius mit einer unüberhörbaren Empörung in seiner Stimme.
In diesem Augenblick schoss Antilius wieder eine verlorene Erinnerung ins Gedächtnis: Er erinnerte sich, dass er und sein Bruder auf Eventum aufgewachsen waren, und dass sie schon oft den Leviathan gesehen und gesprochen hatten. Ja, er erinnerte sich lebhaft daran und wusste daher, dass Terius in Bezug auf die Loyalität des Leviathans die Wahrheit sprach. Es machte ihn aber auch traurig, da niemand der Anwesenden (außer Gilbert) wissen konnte, dass der Leviathan gefoltert werden würde, um später den Staudamm zu zerstören und somit Eventum in den Fluten versinken zu lassen.
Der König fuhr fort: »Ich weiß sehr wohl, dass sich der Leviathan nicht gegen uns wenden würde, aber die Uwore sind listig. Sie werden alles dafür tun, Eventum unter ihre Kontrolle zu bringen oder es im Zweifelsfall zu zerstören. Auch wenn das jetzt merkwürdig klingt, aber das ist auch gut so. Denn während sich die Aufmerksamkeit des Feindes auf Eventum richtet, haben wir die Gelegenheit andernorts, einen koordinierten Gegenangriff zu starten.«
Artorius schaute zur Karte und zeigte auf die Inselwelt Panthea. »Wie ich bereits eingangs sagte, läuft der Krieg für uns äußerst schlecht. Das Königreich Terzien auf Panthea wurde vernichtet. Man wurde von etwas überrannt, das die überlebenden Sortaner als Schattengeister bezeichneten.«
Der König führte seinen Zeigefinger auf Truchten. »Das Königreich der Largonen wurde von Uworen und anderen Spezies eingekesselt. Die äußeren Verteidigungswälle sind gefallen. Ohne Hilfe wird Largosien in den nächsten Tagen in die Hände des Feindes fallen.
Meinem eigenen Königreich auf Bétha ergeht es nicht besser. Seit Wochen kämpfen wir gegen merkwürdige Gestaltwandler, die sich als Menschen tarnen und versuchen, uns von innen heraus zu unterwandern. Sie werden bald eine groß angelegte Offensive starten, für welche sie im Osten meines Reichs ein gigantisches schwebendes Schlachtschiff konstruiert haben.
Fahros steht schon seit zwei Monaten unter der Kontrolle der Uwore und dient ihnen als Stützpunkt.
Bleibt noch Brigg. Auch von dort kommen keine guten Nachrichten. Die Königin von Xanthien ist nicht mehr. Auch sie wurde Opfer der Uwore.
Die Berichte der überlebenden Releganer sind äußerst verstörend. Wie es scheint, stehen die Uwore dort unter der Herrschaft eines Anführers, der sich selbst schon mal vorsorglich zum Imperator Thalantias erklärt hat. Er ist aber kein Uwor, sondern ein Wesen, das wir bislang keiner uns bekannten Spezies zuordnen konnten. Releganer erzählten uns, dass seine Augen einen in Brand stecken würden. Zuerst würde er einen mit seinem Blick in den Wahnsinn treiben und anschließend bei lebendigem Leib verbrennen. Niemand hätte eine Begegnung mit ihm überlebt.«
Keiner sagte etwas. Alle waren geschockt von der Tatsache, dass es so schlimm um Thalantia stand.
»Unabhängig von diesen Berichten steht Eines fest: Der Imperator ist der Anführer der Uwore. Er zieht alle Fäden. Er koordiniert die Angriffe. Er ist der Kriegstreiber. Er ist der Kopf der Schlange. Und deshalb, meine tapferen Damen und Herren, kommen Sie hier ins Spiel. Ich werde Sie mit einem Spezialauftrag betrauen. Sie werden nach Brigg reisen und den Imperator töten.«
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