1 ...6 7 8 10 11 12 ...20 „Aber was denn für eine Geschichte, Leo?“
Er lächelte schwach: „Ach ja, ich bin vom Thema abgekommen. Jedenfalls, von Karpat kennt den wahren Grund nicht, warum er vom Prinzen beschäftigt wird. Er weiß nur, dass er sich das Vertrauen seiner Hoheit vor zehn Jahren verdienen konnte, als er sich auf unsere Seite schlug. Aber ich weiß, was für einen Auftrag der Prinz Corry, Irony und Boo gab.“
Elaine zog die Augenbrauen hoch – Boos Name war das erste Mal in diesem Zusammenhang gefallen. „Boo schlägt also nicht nur seine Zeit tot?“
Leo schüttelte den Kopf: „Nein, die Sache ist so: Corry ist viel unterwegs, sie führt die Aufträge seiner Hoheit aus. Irony ist sein Berater, aber zugleich ist er auch sehr damit beschäftigt, Informationen zu sammeln und mit allen möglichen Leuten zu sprechen. Der Mann ist auch ziemlich am rotieren, glaub mir. Boo ist eine etwas andere Sache. Er ist ein Ausländer, dazu sieht er noch so jung aus und du musst zugeben, auch sehr vertrauenerweckend. Er ist geradezu niedlich, das ist zumindest die gängige Meinung über ihn in den weiblichen Kreisen, aber auch unter Männern bestimmten Schlags, wenn du verstehst, was ich meine.“
Elaine nickte, nahm die Bemerkung hin und verfolgte sie lieber nicht weiter in Gedanken.
„Jedenfalls, keiner hält ihn für gefährlich, mehr noch, sie denken, dass er naiv und völlig harmlos ist, ein Spielball seiner Hormone. Zum Teil trifft es sicherlich zu – aber diejenigen, die sich in der Anwesenheit der Agentin oder des Beraters des Prinzen hüten, auch nur einen falschen Gedanken zu haben, werden in Boos Gegenwart enthemmter, geradezu sorglos. Verstehst du?“
Elaine nickte wiederum: „Sie lassen sich gehen und Boo kann somit wichtige Details aufschnappen?“
„So ist es. Und wenn Boo mal selbst nicht aufpasst, nun, Corry kennt Mittel und Wege, dennoch an diese Informationen zu kommen. Sie beobachten den ganzen Hof, die Agenten, die Gendarmen und die Behörde ebenfalls, um an wichtige Hinweise zu kommen. Kannst du dir vorstellen, wie eingespannt sie sind?“
Elaine seufzte: „Kein Wunder, dass ihr nicht mehr viel Zeit miteinander verbringen könnt. Aber warum bist du hier?“
Leo grinste: „Nun, ich gebe einen miserablen Höfling ab, der Prinz hat bereits gute Leibwächter, er selbst ist zudem auch nicht ganz hilflos, wenn es darauf ankommt. Und was sollte ich sonst dort tun? Es wäre verdächtig. Ich bin sicherlich immer wieder mal da, wenn es um mein Können geht, aber auch nicht so häufig. Ich mag den Hof nicht und das weiß man in diesen Kreisen. Zumal ich auch vermeiden möchte, einer gewissen entmachteten Herzogin über den Weg zu laufen“, er schüttelte sich.
Elaine musste schmunzeln bei der Erinnerung daran, wie er sich darüber aufgeregt hatte, dass Herzogin von Herz ihn wie ein Sexobjekt behandelt hatte. „Aber jetzt hast du doch nichts mehr von ihrer Seite zu befürchten, ist das nicht so?“
Er nickte: „Ja, schon. Ich will aber dennoch kein Risiko eingehen. Abgesehen davon, was will ich mit dieser Hexe, wenn ich eine Frau wie Siren hab'?“ Das war ein Argument.
„Na ja, ein anderer Grund, warum ich nicht am Hof bin, ist, dass ich meine Familie habe. Erstens will ich meine Zeit lieber ihr widmen als diesen Adligen, und zweitens wird es sicherlich für sie gefährlich werden, wenn etwas über diese Mission rauskommt. Man kann nie vorsichtig genug sein. Und schließlich, es gibt noch einen dritten Grund, warum ich hier bin, anscheinend zurückgezogen und verlassen – sollte es irgend ein Problem geben, so bin ich noch da, unbeeinflusst und ganz der Alte.“
„Also gibt es doch ein Problem mit dem Hof?“
Leo seufzte: „Ja und nein. Die Sache ist komplizierter, als es den Anschein hat. Du erinnerst dich sicherlich an unsere Maskerade?“
Elaine nickte: „Ja, natürlich, wie könnte ich das vergessen? Eure Rollen haben euch fast übernommen. Ist es etwa wieder so eine Geschichte?“
Leo schüttelte den Kopf: „Eben nicht. Sieh mal, man erwartet doch von jedem, dass er früher oder später so wird, wie alle am Hof – dekadent, korrupt, unmoralisch und so weiter. Angenommen, Corry, Irony und Boo halten sich jahrelang am Hof auf, ohne dass ihre schlimmsten Charakterzüge in Erscheinung treten – wäre das nicht verdächtig? Würden sich nicht zu viele Leute zu viele Fragen stellen? Es war kein Zufall, dass deine Rolle auch so eine hirnlose adlige Schlampe war, nichts für ungut.“
Elaine seufzte: „Dann bin ich also völlig grundlos hier? Ich meine, von mir aus mache ich hier etwas Urlaub und komme dann wenige Augenblicke später nach Hause, aber was macht das dann für einen Sinn?“
Leo fasste sie an den Schultern und sah sie durchdringend an: „Und genau das ist das Problem – du wirst nicht einfach so hier Urlaub machen können, sonst fliegt alles auf.“
Er senkte seine Stimme zu einem bedrohlichen Flüstern. „Wenn du jetzt so tust, als wäre alles in Ordnung, dann gibt es ein Problem. Du kannst nicht einfach so hier auftauchen, um uns zu besuchen, so gern wir das alle hätten. Es ging letztes Mal nicht und dieses Mal erst recht nicht, zumal der Prinz auch nicht die Erlaubnis gab, dich zu holen. Ich weiß es, weil ich von Corry davon gehört habe. Sie besucht mich öfters, was keiner mitbekommt – und das ist verdammt gut so.“
Elaine sah ihn etwas verängstig an und flüsterte ebenfalls: „Aber was soll ich dann deiner Meinung nach tun?“
Leo lehnte sich zurück und seufzte: „Das ist das Problem, ich bin kein großer Denker und Planer und das alles. Was genau hattet ihr denn vor?“
Elaine sah auf den Tisch: „Zuerst zu dir gehen, dich aufrütteln, dann dasselbe mit Boo tun und schließlich Corry und Irony besuchen, in der Hoffnung, ich könnte euch alle wieder aufwecken.“
Leo schmunzelte: „Uns aufwecken? Das klingt nett, aber ist völlig daneben.“ Dann lehnte er sich zurück und trank still und nachdenklich seinen Tee. Elaine wartete. Sie war immer noch sehr von dem irritiert, was sie gehört hatte.
Schließlich stellte Leo seine Teetasse leer auf den Tisch und nickte: „Ich denke, ich weiß, was als nächstes angebracht wäre. Ihr bleibt bei eurem Plan – zumindest sollte es so aussehen. Ich will nicht unterstellen, dass Malvina, Kryss oder der Graf so schlampig waren, dass jedermann von deiner Anwesenheit hier weiß, aber sollte das trotzdem so sein, dann wäre es gut, wenn du dich vorhersehbar verhältst. Ich muss immer denken, was Corry oder Irony an meiner Stelle vorschlagen würden, und ich denke, das ist keine schlechte Idee soweit. Du wirst sicherlich auch Boo aufsuchen, das kann nicht schaden. Er wird sich sicher freuen, dich wiederzusehen. Ähm...“, dann sah er etwas verlegen aus, „aber lass dich nicht von seinem Benehmen aus der Ruhe bringen, okay?“
Elaine sah ihn fragend an: „Was ist denn mit seinem Benehmen?“
Leo sah nach unten: „Momentan scheint es, als ob er sich den Grafen zu seinen schlimmsten Zeiten als Vorbild genommen hat – nur dass es ihm noch etwas an Erfahrung und Fähigkeiten mangelt.“
Elaine zog die Augenbrauen hoch: „Das klingt aber ganz und gar nicht nach Boo.“
Leo sah sie wieder an: „Tja, auch der Junge muss eben so tun, als wäre er ganz und gar dem Hof verfallen.“ Dann machte er eine kleine Pause: „Aber es würde mich nicht wundern, wenn du ihn tatsächlich etwas aufrütteln musst. Er hat nicht Corrys oder Ironys Willensstärke und Erfahrung. Es war sicherlich auch nicht meine Idee, den Jungen so sehr in diese Geschichte mit hineinzuziehen, aber er wollte unbedingt mitmachen.“
Leo seufzte: „In seinem Fall könnten die Befürchtungen unserer Freunde teilweise stimmen. Ich denke nicht, dass er seine Aufgabe vergessen hat, aber ich könnte mir vorstellen, dass er sich zu sehr in seine Rolle versetzt hat. Verstehst du, was ich meine?“
Читать дальше