Doch vor ein paar Tagen, als mein Mann mich bat, zurückzukommen, sagte ich zu ihm: »Die, von der du möchtest, dass sie zurückkommt, bin ich nicht mehr.«
Ja, ich muss zugeben – es hat sich einiges verändert, es ist nicht nur die Einhaltung der in diesem Bericht erwähnten Rituale. Ich sehe die Welt mit anderen Augen. Die islamische Sichtweise hat zwar meine allgemeine Einstellung zum Leben, zum sozialen Verhalten und auch zur Politik größtenteils bestätigt, aber es gibt auch Punkte, wo ich meine Meinung geändert habe. Viele Dinge, die mir früher wichtig waren, sind es heute nicht mehr. Und ich lebe anders, ich gebe mir Mühe, mich als Mensch so zu verhalten, wie es die Religion verlangt.
Aber gerade Letzteres ist sehr schwer, und ich muss sagen, dass sich meine schlechten Eigenschaften als da sind – unter anderem – Ungeduld, Nachlässigkeit, Bequemlichkeit, Besserwisserei, Sturheit etc. leider nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Ich kämpfe und versuche, mich zu bessern.
Und so kann man im Großen Ganzen sagen: Nein, ich bin nicht mehr die Alte, aber ich bin auch kein neuer Mensch geworden, ich bin ich, mit Ecken und Kanten, mit guten und schlechten Eigenschaften, mit vielen Fehlern, und mal bin ich gut drauf, mal weniger. Und ich bin Muslimin.
Zweifel beschleichen mich nur noch äußerst selten und können dem unerschütterlichen Glauben in mir drin nichts mehr anhaben. Ich gebe zu, dass ich mich in letzter Zeit nicht mehr »objektiv« weiterbilde, sondern Negativinformation über den Islam meide. Es ist ohnehin immer dasselbe. Kürzlich äußerte im Schweizer Fernsehen der ägyptisch-schweizerische Islamologe Tariq Ramadan die Überzeugung, dass dem Islam in den heutigen Tagen dasselbe passiere wie früher dem Judentum:
»Systematische negative Propaganda prägt spätestens seit »nine-eleven« die Einstellung der Medien und bringt aufgrund einzelner Auswüchse eine ganze Religion in Verruf«.
Wobei ich nicht abstreite, dass es durchaus sogenannte Muslime sind, die für viel Schreckliches auf der Welt verantwortlich sind und so den Vorurteilen Vorschub leisten. Trotzdem ist es doch interessant, dass bei allen Berichten über Kriminalfälle, über häusliche Gewalt, und über Unterdrückung von Frauen in den Medien die Religionszugehörigkeit immer nur dann erwähnenswert scheint, wenn Muslime involviert sind. Dies nur als kleiner Denkanstoß. (Als Beispiel: bei den vielen (katholischen) unterdrückten Frauen in Südamerika, die Geldverdienen, Haushalt, Kindererziehung – einfach alles alleine machen müssen, weil ihre (ebenfalls katholischen) saufenden und nicht selten schlagenden und herumhurenden Männer nichts auf die Reihe kriegen, spricht kein Mensch von Religion.)
Denjenigen, die immer noch von mir erwarten, vernünftig zu werden und diesen ganzen »Unfug zu vergessen«, kann ich nur sagen: Ebenso wenig, wie man ohne Überzeugung, nur durch Willenskraft anfangen kann, etwas zu glauben, kann man durch Willenskraft aufhören, etwas zu glauben, von dem man überzeugt ist. Ich bin ja nicht in den Supermarkt gegangen und habe mir eine Religion ausgesucht, die ich umtauschen könnte, sondern sie ist »zu mir gekommen«. Da müsst ihr schon warten, bis sie von selbst wieder geht...
Mein neues Leben ist nicht leicht. Natürlich – ich habe zu Gott gefunden. Davon bin ich überzeugt – ich fühle es ja. »Meine Haut erschauert und dann werden meine Haut und mein Herz weich hin zur Erinnerung Gottes«. Ich wünschte, ich könnte dieses Gefühl all jenen, die ich liebe, kurz ausleihen: dann könnten sie mich verstehen. Leider geht das nicht. Und so muss ich mich daran gewöhnen, in den Augen einiger meiner Familienmitglieder, Freunde und Freundesfreunde nicht mehr ganz normal, psychisch nicht gesund oder sogar total verrückt geworden zu sein – oder ganz einfach viel dümmer als sie dachten. Mein Verhalten ist auch nicht dazu angetan, diese Befürchtungen oder Anschuldigungen zu zerstreuen, im Gegenteil – das Einhalten von Gebetszeiten, der Verzicht auf Schweinefleisch und Alkohol, das Fasten, die Tatsache, dass ich bei vielen »geselligen Zusammenkünften« nicht mehr dabei bin, nähren den Verdacht, ich könnte eine »Fundamentalistin« sein. Fehlt nur noch das Kopftuch – aber wer weiß...? Und ich möchte hier nebenbei erwähnen – als persönliche Antwort an eine meiner besten Freundinnen – dass es bei diesem Stück Stoff nicht darum geht, sich vom Rest der Menschheit »abzuheben« oder »abzusondern« sondern ganz simpel um den Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes.
Ich gebe offen zu, dass ich auch noch heute Momente habe, wo ich mich frage, ob diese ganzen Rituale und das Einhalten gewisser Gebote und Verbote denn wirklich notwendig seien. Doch wenn ich glaube, dass die Botschaft des Korans göttlichen Ursprungs ist, und das tue ich, dann kann ich ja nicht nur den für mich logischen Teil herauspicken, sondern muss konsequenterweise auch diejenigen Dinge akzeptieren, deren »Warum« ich (noch) nicht verstehen kann.
Zum Abschluss der »Metamorphose« hier noch ein besonders schöner Koranvers:
»Allah ist das Licht der Himmel und der Erde. Das Gleichnis seines Lichtes ist das einer Nische, in der eine Lampe ist. Die Lampe ist in einem Glas. Das Glas ist, als wäre es ein funkelnder Stern. Ihr Brennstoff kommt von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, weder östlich noch westlich, dessen Öl beinahe schon Helligkeit verbreitete, auch wenn das Feuer es nicht berührte. Licht über Licht. Allah führt zu Seinem Licht, wen Er will. Allah prägt den Menschen die Gleichnisse, und Allah weiß über alles Bescheid.« (Sure 24 Vers 35)
Und einer, der besonders erstaunlich ist, wenn man denn darauf beharren wollte, dass ein analphabetischer Wüstenaraber ihn sich vor über 1400 Jahren ausgedacht haben soll:
»Haben die Ungläubigen nicht gesehen, dass die Himmel und die Erde eine Einheit waren, die Wir dann zerteilten? Und Wir machten aus dem Wasser alles Lebendige. Wollen sie denn nicht glauben?« (Sure 21 Vers 30)
Und zu guter Letzt ein muslimisches Sprichwort:
»Der Koran ist ein sprechendes Universum, und das Universum ist ein schweigender Koran.«
Hiermit enden die Aufzeichnungen, die ich für mich selbst und für meine Angehörigen gemacht hatte, bevor ich mit dem Blog an die Öffentlichkeit ging.
Es folgen nun ausgewählte Einträge, wie sie chronologisch im Blog veröffentlicht wurden. Es sind meine Gedanken und Erkenntnisse, Reaktionen auf Reaktionen, Gespräche mit Nichtmuslimen, Selbstgespräche, Berichte über meine Fortschritte beim Erlernen der Sprache des Korans, Reiseberichte, ein paar Gedichte – Freuden und Leiden einer »Konvertitin«. Ich schreibe alles auf, was mir so durch den Kopf geht auf der Suche nach meinem Platz in dieser Religion. Und versuche immer wieder, mich gegenüber denjenigen verständlich zu machen, die so denken, wie ich dachte.
Ich weise darauf hin, dass es sich sowohl beim Online-Blog wie auch bei diesem Buch um ganz persönliche Erlebnisse, Reflexionen und Schlussfolgerungen handelt und nicht etwa um eine Anleitung zum Islam, wenn auch zum besseren Verständnis einige konkrete Informationen eingebettet sind.
La hauwla wa la quwatta illa billah
(Es gibt keine Kraft und keine Macht außer durch Gott)
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