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Für Josef Höfinger war es eine schwere Woche gewesen.
Für Josef Höfinger war es eine schwere Woche gewesen.
Am Montag war der Vater mitten bei der Arbeit zusammengebrochen und musste ins Spital gebracht werden. Der Herzinfarkt war schnell diagnostiziert und die Ärzte wollten ihn gleich für ein paar Wochen im Krankenhaus behalten. Da hatten sie aber die Rechnung ohne den alten Höfinger gemacht. Nach drei Tagen schon hatte er darauf bestanden wieder zurück zu seinem Bauernhof zu gehen und wer den alten Hölfigner kannte wusste, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen war, wenn er sich einmal was in den Kopf gesetzt hatte.. Er hatte sich so aufgeregt dass die Ärzte schließlich zum Schluss kamen, dass es weit gefährlicher war den alten Bauern gegen seinen Willen an das Krankenhausbett zu fesseln und ihn, auf eigene Verantwortung, gehen ließen.
Jetzt lag er zu Hause, brachte das ganze Haus durcheinander und ließ einen Wunsch nach dem anderen verlauten, den er noch hätte bevor er jetzt sterben müsse. Das war auch nicht so dahin gesagt, hatten die Ärzte zum Sepp Höfinger gemeint. Der Alte würde es wegen seiner stark angegriffenen Gesundheit, besonders der Leber, nicht mehr lange machen werde. Aber was wusste schon Ärzte. Der alte Höfinger galt allgemein nicht nur als jähzornig sondern auch als außerordentlich zäh.
Aber die schwere Krankheit des Vaters war nicht das einzige was am jungen Höfinger nagte. Mit dem möglichen Tod verbunden rückte für ihn auch der Tag der Entscheidung näher, den er – je näher er kam – immer weiter weg wünschte. Seit gut 15 Jahren war er mit der Stubheimer Doris bekannt, seit über 5 Jahren mit ihr verlobt. Aber der Vater hatte die Heirat mit der herzensguten und tüchtigen, aber bettelarmen Doris bislang erfolgreich hintertrieben.
Er war ein erfolgreicher Bauer, einer der größten in der Gegend, von dem man allgemein mit Respekt sprach. Da wollte er sich seinen guten Ruf nicht ruinieren und vielleicht zum Gespött des Stammtisches werden, dass der gute Hof an eine Häuslerstochter ging. Seine Versuche, den Sohn mit einer guten Partie zu verheiraten war aber gescheitert. Sicher nicht aus Mangel an Interesse, den mehr als ein junges Mädchen „aus gutem Stall“ hatte dem gutaussehenden und humorvollen Jungbauern schöne Augen gemacht.
Aber Vorschriften ließ sich der junge Höfinger auch keine machen, da war er ganz wie sein alter Herr. Bei den zwei Sturschädeln hatte es oft genug gekracht biss sie schließlich Frieden geschlossen hatten und der alte Höfinger darauf verzichtete sich in das Liebesleben seines Sohnes einzumischen.“ Wenn du dich zum Dorfdeppen machen willst dann bitte!“, hatte er im Zorn ausgerufen. „Mir ist das eins, wenn ich unter der Erde liege kannst du machen was du willst!“ So hatten sie es schließlich abgemacht und daran würde sich der Junge halten. Erst nach dem Tod des Altbauern würde er die Ehe mit seiner Verlobten eingehen. So kam es dass Doris Stubheimer seit drei Jahren auf dem Hof wie die Bäuerin arbeitete und auf dem Hof wohnte, ohne dass die beiden wie Eheleute zusammenlebten.
Je näher aber der Tag der Hochzeit näherrückte desto öfter fragte sich Josef, ob er nicht nur aus Bestemm gegen den Vater und aus Gewohnheit verlobt war. Denn so richtige Liebe verspürte er nicht mehr für seine zukünftige Braut. Hübsch war sie ja, kernig und herzlich zu gleich, fleißig und stets freundlich gegen jedermann, sogar gegen den unleidlichen Vater. Aber war das genug? Die Verliebtheit in der Jugend, die Gewohnheit, das Zusammenleben. War da nicht mehr? Er schüttelte den Kopf und brummte: „Was soll das mit der Liebe, man könnt meinen ich bin ein junger Springinsfeld in seinem ersten Frühling.!“ Er hatte Doris ein Versprechen gegeben und eher würde er Sterben wollen als es zu brechen. Doris war immer gut zu ihm gewesen und sie würde ihm nicht nur eine gute und treue Frau sein sondern war als Herrin für den Hof wie geschaffen. Sie jetzt zu verlassen und dem allgemeinen Tratsch und Gelächter preiszugeben hatte sie nicht verdient. In jungen Jahren war der Sepp Höfinger als wilder Hund verschrien gewesen und stur mochte er sein, aber ein Schuft, das war er ganz gewiss nicht.
Der junge Höfinger wandte sich in Gedanken jetzt lieber der Arbeit zu und dachte an die kranke Kuh, die seit der Geburt ihres Kalbes nichts mehr fressen wollte und keine Milch mehr gab. Wenn nicht bald etwas geschah würde das junge Kälbchen sterben müssen, denn die Milch der anderen Kühe wollte es nicht. Deswegen war er auf dem Weg zum Bahnhof um den Tierarzt zu holen, dessen Auto gerade wieder einmal streikte.
Die einzige Reisende, die dem Zug entstieg sah aber gar nicht nach dem Tierarzt aus.
Immerhin, der kleine schwarze Koffer passte, und ihr Gewand war einfach, wenn auch mit einer Spur zuviel Eleganz für den Beruf. Außerdem hatte der Tierarzt nichts davon gesagt, dass er eine Assistentin schicken würde. Wäre der Kopf des Höfingers nicht so voll mit Sorgen gewesen hätte er vielleicht mit ein bisschen nachdenken draufkommen können, dass die junge Frau, die ihm da gegenüberstand, sicher nicht die Tierärztin war. So schoss es ihm nur durch den Kopf, dass die Tierärztin verflixt gut aussah, während er ihr seine wettergegerbte Hand reichte. „Gut dasst kommst, `s Keibl is schon ganz schwach.“
Verdutzt blickte Theresia denn Mann an der ihr da seine raue, schwielige Hand darbot, die sie automatisch ergriff. Einen herzhaften, festen Händedruck hatte er. Bestimmt, aber nicht grob, eigentlich auch sehr angenehm. Theresia, die in ihrem Beruf oft weiche, verschwitzte Hände geschüttelt hatte hielt die Hand etwas länger als unbedingt notwendig. Vielleicht war sie auch nur durcheinander weil sie nicht wusste warum der groß gewachsene Fremde mit den kantigen Zügen und dem besonderen Funkeln in den Augen auf sie zutrat und sie in einer unverständlichen Sprache anredete. Aber sie hatte einen wachen Verstand und schloss blitzschnell, dass es sich um den Kofferträger des örtlichen Hotels handeln musste. Das hatte sie schon in dem einen oder anderen Heimatfilm gesehen.
„Danke, sehr gerne“ sagte sie und drückte dem etwas verwirrten Bauern den Koffer in der Hand, sagte aber nichts was dieses Missverständnis noch hätte aufklären können. So fuhren sie im Wagen des Höfingers in Richtung Bauernhof und der junge Bauer, der noch immer darauf wartete, dass sich die Tierärztin vorstellen würde fragte, in seinem besten Hochdeutsch: “Zum ersten Mal hier, ich habe sie noch nie da gesehen?“. Theresia lächelte: „Ja, zum ersten mal hier, und ich bleibe auch nur ein, zwei Tage. Ich glaube aber dass es mir hier sehr gefallen wird.“ Spätestens da hätte es beim Höfinger schnackeln müssen. Er wunderte sich schon sehr dass eine kranke Kuh gleich den Aufenthalt von ein zwei Tagen erforderlich macht.
Aber auf die Idee, der Besuch der hübschen jungen Dame könnte einen anderen Grund als seine kranke Kuh haben kam er nicht. Zu seiner Verteidigung muss aber gesagt werden, dass es keinen Grund gab, etwas anderes anzunehmen. Touristen waren selten in Weizenheim und wen kamen sie erst später im Sommer. Ansonsten verirrte sich kaum jemand in die kleine, zwischen zwei Bergen gelegene Ortschaft. Bald waren sie am Anwesen angekommen und Sepp geleitete Theresia in die Stube, in der Doris gerade das Abendbrot bereitete, während Thomas, sein jüngere Bruder ein Messer schliff.
Brummig war sein Bruder in letzter Zeit, fand der Sepp. Er schaut ihn nicht einmal richtig an als er ihm einen guten Abend wünschte. Das gab dem Sepp einen Stich ins Herz. Er hatte seinen jüngeren Bruder immer geliebt und hatte sich blendend mit ihm verstanden. In letzter Zeit war im Thomas aber immer wieder ausgewichen, wollte mit ihm nicht mehr am Sonntag nach der Messe ins Wirtshaus, sprach nicht mal über den Vater mehr als notwendig. Wahrscheinlich, dachte Sepp Höfinger, ist es wegen des Hofes.
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