Kostrow blickt wieder auf seinen Freund. "Jannik, nun mal ehrlich. Warum bist du in München?"
"Hab ich doch schon gesagt. Rein privat, Münchner Luft schnuppern, Freunde treffen."
"Hast du nicht gerade selbst gesagt, ich wäre der bessere Analyst von uns beiden?"
"Denkst du, ich lüge dich an?"
"Ich denke, du befolgst die Dienstvorschriften."
Bornemann zögert. "Und wenn es so wäre?"
"Darf ich dich mal an etwas erinnern, was du während unserer Zeit immer gesagt hast?"
"Und was wird das wohl sein?"
"Du hast gesagt: Ich befolge nur Vorschriften, deren Sinn ich erkennen kann."
"Das soll ich gesagt haben?"
"Jetzt aber! Stell dich nicht dümmer als du bist."
Bornemann grinst verlegen. "Gut, schön, ich habe wohl etwas in der Art gesagt."
"Na also."
"In diesem Fall gibt es allerdings einen guten Grund. Du bist nicht mehr beim Bau."
"Aber wir sind doch wohl noch Freunde?"
"Klar sind wir das."
"Oder vertraust du mir nicht mehr?"
"Das ist unfair, Jokim."
Nachdenklich blickt Kostrow seinen Freund an. "Mag sein, entschuldige. Aber glaubst du wirklich, dass deine Infos bei mir nicht mehr sicher sind?"
Nun ist es an Bornemann, seinen Freund nachdenklich anzusehen. "Nein, natürlich nicht."
"Ich versichere dir, ich behandle alles, was du mir erzählst, so, als wäre ich noch beim BKA. Also, warum bist du in München?"
Bornemann hebt eine Hand in einer unauffälligen Bewegung so an seine Nase, dass sein Mund gegen Sicht abgeschirmt ist. "´Ndrangheta", murmelt er.
"Bitte?"
Der BKA-Mann beugt sich zu Kostrow vor. "´Ndrangheta."
"Du meinst diese italienische ..."
"Sprich – bitte – leise!", flüstert Bornemann eindringlich.
"Entschuldige", murmelt Kostrow. "Also, du bist in München, um gegen diese ... Dingsda zu ermitteln?"
"Es ist etwas im Busch."
"In welchem Busch?"
"Im Münchner Busch."
"Du meinst, die ... du weißt schon ... plant ein Ding hier bei uns?"
"Es sieht so aus."
Plötzlich fällt Kostrow eine Ungereimtheit auf. "Aber sag mal, wir waren doch Abteilung ST. Bist du zu SO oder OK gewechselt?"
"Nein ich bin immer noch ST."
"Was hat der Staatsschutz mit organisierter Kriminalität zu tun?"
"Das, mein Freund, kann ich dir leider wirklich nicht erklären. Absolute Verschlusssache."
"Das ist merkwürdig."
"Du kennst doch den behördeninternen Umgang mit Verschlusssachen."
"Das meine ich nicht."
"Was dann?"
"Dass sich der Staatsschutz mit der ´Ndrangheta beschäftigt." Bornemann lässt die Bemerkung unbeantwortet.
"Es sein denn ..."
"Bitte lass es sein."
"Vielleicht haben sie bereits Erfolg mit ihren Versuchen, staatliche Einrichtungen zu infiltrieren. Haben sie?"
"Erwartest du, dass ich das beantworte?"
"Warum nicht? Nach allem, was wir schon gemeinsam durchgestanden haben ..."
"Nun komm mir bloß nicht so. Es war deine Entscheidung, den Kram hinzuschmeißen." Bornemann stößt verärgert die Luft aus.
Er nimmt es mir übel, wer hätte das gedacht. "Tut mir leid, Jannik. Ich weiß, dass du Verschlusssachen nicht anders behandeln kannst." Er will einen weiteren Schluck nehmen, doch sein Glas ist leer, wie das seines Freundes. Er zeigt auf das Glas. "Sollen wir uns noch einen gönnen? Ich lade dich ein."
"Wie könnte ich da nein sagen?"
Kostrow gibt dem Barmann ein Zeichen. Nach kurzer Zeit tritt er zu den beiden Freunden. "Könnten Sie uns noch zwei davon machen?"
"Sicher, gerne." Der Barmann räumt die beiden leeren Gläser ab.
Kostrow spielt mit dem Papieruntersetzer, auf dem sein Glas gestanden hatte. "Stephan hat also wieder einmal richtig gelegen."
"Womit?"
"Mit seinem Rat, dich zu kontaktieren."
Bornemann senkt die Stimme. "Habt ihr etwa auch mit der ´Ndrangheta zu tun?"
"Nicht konkret. Nur ein Anfangsverdacht."
"Und dazu möchtest du meinen Rat?"
"Allerdings. Kennst du jemanden mit Namen Enzo Milano?"
Bornemann richtet sich auf. "Woher hast du diesen Namen?"
"Er ist der Besitzer eines Restaurants, in dem ich öfter esse."
"Tartufo Nero", brummt Bornemann, mehr zu sich selbst.
"Du kennst ihn also."
"Könnte man so sagen, ja."
"Verstehe. Und da du in Sachen ´Ndrangheta ermittelst, dürfte Milano zu dem Verein gehören."
"Das kann ich absolut nicht bestätigen. Du weißt, die ganze Angelegenheit ist ..."
"... Verschlusssache, schon klar. Unser Verdacht war also begründet." Nachdenklich trommelt Kostrow mit den Fingern auf die Tischplatte.
Bornemann reibt sich mit Daumen und Zeigefinger die Augenwinkel. "Also, ehrlich gesagt, wir wissen es nicht sicher."
"Was wisst ihr nicht sicher?"
"Ob Milano involviert ist oder ein ganz normaler Restaurantbetreiber."
Der Barmann bringt die Cocktails. "Wohl bekomm‘s, die Herren." Er wendet sich seinen anderen Bestellungen zu. Die Freunde nehmen ihre Gläser auf, prosten sich zu und trinken.
Die Kois! kommt es Kostrow blitzartig in den Sinn. "Warst du eigentlich schon einmal in dem Restaurant?"
"Im Tartufo Nero? Nein, bisher nicht. Das Lokal hat bei meinem letzten Besuch in München noch nicht existiert, soweit ich weiß. Die Küche soll ausgezeichnet sein."
"Ist sie wirklich. Ich bin gerne da."
"Wenn das so ist, sollte ich auch einmal hingehen, bevor ..."
"Bevor was?"
"Bevor ich wieder zurückfahre."
"Das wolltest du nicht sagen."
"Natürlich wollte ich das sagen, was denn sonst?"
"Irgendetwas passiert in München, und sowohl Milano als auch das Tartufo Nero spielen dabei eine Rolle."
"Das kann ich nicht bestätigen."
"Jetzt komm schon. Vielleicht kann ich helfen. Schließlich bin ich vor Ort."
Bornemann sieht seinen Freund abschätzend an. Kostrow erwidert den Blick abwartend. Jetzt gib dir schon einen Ruck!
"Weißt du, ich werde das erwägen, ernsthaft."
"Und er sah ihn niemals wieder."
"Nein, das meine ich im Ernst. Es könnte sein, dass ich deine Hilfe wirklich brauche."
"Das ist ein Wort. Also, worum geht's?"
"Tut mir leid, Tiger. Alles zu seiner Zeit."
Kostrow stöhnt. "Es kann ziemlich nervtötend sein, mit dir zu reden, ist dir das klar?"
Bornemann lacht. "Daran müsstest du inzwischen gewöhnt sein, oder?"
"War ich, früher. Langsam bekomme ich wieder ein Gefühl dafür. Aber wir sind vom Thema abgekommen."
"Und das wäre?"
"Ich habe dich aus einem bestimmten Grund gefragt, ob du schon in Milanos Restaurant warst."
"Da bin ich gespannt."
"Das Lokal ist, Milanos Angaben zufolge, im italienisch-japanischen Fusionsstil eingerichtet."
"Nie davon gehört."
"Meiner Meinung nach hat nicht einmal er selbst davon gehört. Das scheint eine Schutzbehauptung zu sein."
"Woraus schließt du das?"
"Aus dem Aquarium."
"Ein Aquarium? Im Tartufo Nero?"
"Und was für eins! Fast raumhoch, mit acht Kois darin."
"Diese japanischen Edelkarpfen?"
"Genau die. Ich habe mal recherchiert. Bei der Größe und Musterung sind die Fische rund 128.000 Euro wert."
"Meine Güte."
"Aber da ist noch was. Kois dieser Güteklasse werden normalerweise in Teichen gehalten, nicht in Aquarien, weil da die Pflege erheblich komplizierter ist."
"Ja, ich kenne Kois auch nur in Teichen."
"Also?"
"Also was?"
"Was hat das zu bedeuten?"
Bornemann versinkt in Überlegungen, während Kostrow in gespannt anstarrt. Erzähl mir nicht, die blöden Fische sind auch Verschlusssache!
"Die Familienclans der ´Ndrangheta unterhalten in ihren ausländischen Einflussgebieten getarnte Geschäftsstellen, die öffentlich leicht erreichbar, aber als solche nicht zu erkennen sind, wie beispielsweise Restaurants, Bars und ähnliches."
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