Miriam wacht auf, blickt erstaunt auf Kostrow. "Was ist?"
"Gar nichts, schlaf weiter."
"Warum ziehst du dich an?"
"Mir war ein wenig kühl."
Miriam setzt sich auf. "Tatsächlich?"
"Ja, ich habe gerade das Fenster zugemacht."
Sie lehnt sich entspannt auf der Couch zurück, schlägt die Beine übereinander und blickt ihn lächelnd an. "Und was machen wir jetzt?"
"Ich weiß auch nicht. Was schlägst du vor?"
Mit einer nachlässigen Geste streicht Miriam mit einer Hand über ihre Brust. "Keine Idee. Vielleicht irgendwas, damit dir wieder warm wird?"
Kostrow muss grinsen. "Du bist ja unersättlich."
"Findest du?"
"Na ja ..."
"Du scheinst aber schon satt zu sein."
"Nein, das ist es nicht, nur ..."
Miriam steht auf, geht auf ihn zu. "Nicht einmal ein kleines Dessert?"
Kostrow umfasst ihre Taille, zieht sie an sich. Sie schmiegt sich mit einem zufriedenen Schnurren an ihn. "Ich hatte wieder einen Schub. Das drückt auf die Stimmung."
Sie beugt den Kopf zurück, sieht ihn an. "Du meinst diese depressive Sache? Wann?"
"Gerade vorhin, während du geschlafen hast."
"War es schlimm?"
"Nicht so schlimm wie gewöhnlich, ich konnte es abbiegen."
"Jokim, ich sage es dir noch einmal, du musst damit zum Arzt."
"Hör mal, ich bin doch nicht gestört!"
"Von gestört ist keine Rede, aber mit Depressionen ist nicht zu spaßen. Das wird schlimmer, wenn du nichts dagegen tust."
"Ich weiß ja", brummt er unwillig. "Ich werde mich darum kümmern, wenn es schlimmer wird."
"Schlimmer? Du glaubt, das ist nicht schlimm genug?"
Er streicht ihr sanft über die Wange. "Mach dir keine Sorgen. Es ist nicht so dramatisch, wie es sich anhört."
"Von wegen." Sie geht zur Couch zurück und beginnt, sich anzuziehen. Der Fernseher spult Werbung ab. Miriam greift nach der Fernbedienung und schaltet ab.
Kostrow blickt sie aufmunternd an. "Sag mal, wie wär's? Ein bisschen ausgehen?"
Miriam ist erstaunt, dann lächelt sie. "Süß von dir, dass du es ernst nimmst, aber heute habe ich keine große Lust dazu."
"Aber nicht wegen mir, oder? Wir können wirklich ausgehen, du musst dir nur etwas aussuchen."
Jetzt vollständig bekleidet, kommt sie wieder auf ihn zu, haucht einen Kuss auf seine Lippen. "Das machen wir das nächste Mal, in Ordnung? Heute möchte ich etwas für uns kochen."
"Bist du wirklich sicher?"
"Absolut sicher." Sie geht auf die Küche zu, gefolgt von Kostrow.
Sie beginnt, mit Zutaten aus Kühlschrank und Vorratsschrank eine Pastasauce zuzubereiten. "Was hast du so getrieben am Wochenende?"
Kostrow lehnt sich an die Wand neben der Küchentür, um ihr zuzusehen. "Am Samstag habe ich bei Corluccio Stephan getroffen. Der hat mir interessante Dinge über Enzo Milano erzählt.“
"Richtig, dein neuer Anzug. Den will ich aber gleich nach dem Essen sehen. Dann gibt es eine große Modenschau."
Kostrow lacht. "Wenn du willst."
"Und beim Shoppen berät dich neuerdings Stephan."
"Nein, das war der pure Zufall. Er hat mich angerufen, dabei hat sich herausgestellt, dass er gerade schräg gegenüber war."
"Also glaubt er wie du, dass etwas mit dem Tartufo Nero nicht stimmt."
"Nicht mit dem Lokal, aber mit Milano."
"Und das alles wegen der Fische."
"Das sind nicht irgendwelche Fische, das sind Kois, die teuersten Fische der Welt."
"Das habe ich schon kapiert. Und weil die Fische so wertvoll sind, stimmt etwas nicht mit diesem Enzo Milano."
"Das passt einfach nicht zusammen."
"Und Stephan findet das auch."
"Allerdings."
"Wenn dieser Milano statt der Kois einen – sagen wir mal – Ferrari vor der Tür stehen hätte, der sicher noch erheblich teurer wäre als die Fische – hättet ihr auch dann diesen Verdacht?"
Gute Frage. "Wahrscheinlich nicht."
"Weil ein italienischer Angeberwagen zu einem italienischen Szenewirt passt, stimmts? Alles in Butter, der Junge ist in Ordnung."
"Könnte man so sagen."
"Aber wenn er perverse Anwandlungen wie die Liebe zu chinesischen Fischen hat, dann kann ja was nicht stimmen, da muss irgendetwas faul sein."
"Es sind japanische Fische, aber ich verstehe schon, worauf du hinaus willst. Du denkst, ich lasse mich von meinen Vorurteilen leiten."
"Und was denkst du?"
"Ich gebe zu, dass ich mich in dieser Sache vielleicht zu sehr von Äußerlichkeiten beeinflussen lasse."
"Ist das Enzo gegenüber nicht ziemlich unfair? Der kann in Teufels Küche kommen, wenn sich euer falscher Verdacht herumspricht."
"Enzo?"
"So heißt er doch wohl, oder?"
"Du hast ihn bisher nie Enzo genannt."
Klappernd lässt Miriam das Küchenmesser auf die Arbeitsplatte fallen und funkelt Kostrow an.
"Bist du jetzt auch noch auf den eifersüchtig?"
"Letztes Mal hast du ihn ziemlich ausgiebig angesehen."
Sie wirft mit einem Unmutslaut die Arme in die Höhe. "Na, dann habe ich ihn mir eben angesehen. Ich finde, er sieht ganz gut aus, also habe ich einen Blick riskiert. Und?"
"Er sieht also gut aus."
"Ja, verdammt, er sieht gut aus. Kein Grund, sich die Kleider vom Leib zu reißen und sich an einem seiner Beine festzuklammern."
Kostrow muss grinsen. "Wäre aber eine interessante Szene gewesen."
"Na, wenn du das findest, kann ich es ja bei der nächsten Gelegenheit mal tun."
"Untersteh' dich!"
"Weißt du, woher deine Eifersucht kommt?"
"Das ist ja wohl klar. Weil dir alle Männer nachlaufen."
"Quatsch! Sie kommt daher, dass du von dir auf mich schließt."
"Und was soll das jetzt heißen?"
"Nur weil du jede Frau sofort haben willst, die dir gefällt, glaubst du, ich reagiere genauso instinktiv."
Nicht die auch noch! "Ich will doch nicht jede ..."
"Und ob du das willst, fang gar nicht erst damit an. Das unterscheidet uns. Es kann schon sein, dass mir hin und wieder jemand gefällt, du bist nicht der einzige gut aussehende Kerl auf der Welt. Aber ich kenne meine Prioritäten. Ein kleiner Blick, vielleicht eine kurze Phantasie, und das war es schon."
"Aha, eine kurze Phantasie."
"Was dagegen?"
Komm wieder runter, Alphamännchen! "Nein, das ist nur gerecht."
"Aber was mir wirklich Sorgen macht, ist der Einfluss von Stephan auf dich."
"Was, Stephan? Davon hast du noch nie etwas gesagt."
"Irgendetwas ist da komisch."
"An meiner Beziehung zu Stephan? Du wirst doch nicht glauben, dass wir ..."
"Nein, glaube ich nicht. Wenn es nur das wäre."
"Wie bitte?"
"Ich kann es wirklich nicht konkret fassen. Etwas an der Art, wie er ..."
"Wie er was?"
"Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Etwas an der Art, wie er ... lebt."
"Du kennst ihn doch gar nicht. Über seine Lebensführung hast du keinerlei Informationen."
"Trotzdem kann ich das Gefühl nicht los werden, dass da irgendetwas nicht stimmt."
"Und wer hat jetzt Vorurteile?"
Miriam nimmt das Messer wieder auf, und beginnt, Kräuter klein zu schneiden. "Du hast ja Recht. Wahrscheinlich bin ich nur voreingenommen." Gedankenverloren setzt sie das Messer wieder ab. "Was mich so verrückt macht, ist, dass ich nicht weiß, ob mit Stephan etwas nicht stimmt, oder mit der Beziehung zu dir, oder mit beidem."
"Eines lässt sich mit Sicherheit sagen. Zu deinen Lieblingsmenschen gehört er nicht."
Nachdenklich blickt Miriam ihn an. "Weißt du, selbst das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich finde keine Einstellung zu ihm."
"Klingt kompliziert."
"Ist es auch. Und zusätzlich mache ich mir Vorwürfe, weil ich durch meine Voreingenommenheit euer Verhältnis belaste."
"Das musst du nicht, wirklich."
Miriam fährt fort, Kräuter zu scheiden. "Ich sollte ihn persönlich kennen lernen, das ist es."
"Meinst du?"
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