1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 Schmölders, setzen sie sich mit Cagliari zusammen und bereden sie das. Wer sich von den anderen kaufen lässt, lässt sich auch von uns kaufen. Bieten sie mehr oder Besseres! Die Sache mit den Caymans könnte da ein guter Schlüssel sein.
Alles ist doch eine Frage des Geldes? Mein Gott, scheißen sie sie zu mit Geld, wir haben genug. Machen sie!
Das Einzige, was schlussendlich zählt, sind die Zahlen, die Bögen, die Zulassung. Danke, meine Herren. Herr Cagliari, ich brauche sie noch, und sie auch, Herr Lorentz.“
Waren da schon Anzeichen von Panik bei Frantzen?
Damit war der Marketingchef elegant entlassen. Als er den Raum verlassen hatte, sagte Frantzen: „Cagliari, ich meine das ernst, sie bringen die Daten irgendwie her, Lorentz und ich wollen gar nicht wissen, wie sie das anstellen – wenn sie es schaffen, sind sie eine große Nummer im Konzern, Cagliari. Wir kaufen ihnen eine Professur, wenn sie wollen. Wenn nicht, dann keine Professur, keine große Nummer, keine kleine, nicht einmal eine Null. Und sie, Lorentz, sie stellen die Finanzmittel bereit, klar? Ich will da keine Klagen hören! Nicht, dass das nachher an einer Pippifax-Million hängt, die sie nicht genehmigt haben! Danke. Ach so, ich denke, wir sollten intern was machen. Ich denke da daran, den Mitarbeitern zur Motivation Aktienpakete anzubieten. Machen sie die Information für die Mitarbeiter fertig. Pro Mann für 20.000 Mark, zur Not auf Firmenkredit. Die Leute müssen mit den Fingernägeln für Simsalasin kämpfen, wenn es sein muss. Wer die Aktien kauft, der hat uns seine Seele verkauft, verstehen sie. Machen sie sie geld- und profitgeil! Die Ehefrauen müssen ihre Männer so scharf machen, dass die nur noch arbeiten. Erzählen sie ihnen, dass sie die Aktien nach der erfolgreichen Einführung von dem Zeug für 200.000 Mark verkaufen können.
Ach ja, Cagliari, ganz wichtig, passen sie auf, ich brauche in drei Tagen acht bis zehn wunderbare Dias über unser Kreislaufwundermittelchen, nicht mehr und nicht weniger. Nicht so viele Einzelheiten, aber eindrucksvoll, sehr wissenschaftlich sollen die aussehen - und vor allem schön bunt! Sie haben da doch ihre Agentur, nicht wahr. Und wir haben bis heute genau dreitausendeinhundertundzehn Patienten in einhundertundsieben Studien.
Dreitausendeinhundertundzehn! Erste Ergebnisse: Sehr erfolgreich! Sehr erfolgversprechend! Mindestens 11 % besser als die Konkurrenz und viel besser verträglich. Sie wissen schon, was ich meine. Geben Ihre Daten das her? Ach, das ist mir so etwas von egal, MACHEN sie`s einfach! Ist ja kein Kaffeekränzchen. Ich muss der Analystenmeute Futter ins Maul schmeißen ... und die fressen alles, was sie hören wollen. Von denen kontrolliert das keiner. So, das war es jetzt wirklich. Wiedersehen.“
1.6. Dr. Cagliari saß schimpfend und mit richtig mieser Stimmung in seinem Auto. Im Feierabendverkehr ging in der Leopoldstraße wieder einmal nichts voran, nicht einmal aus der Tiefgarage war er problemlos heraus gekommen. Das Wetter war grau, es nieselte… Der ganze Mai war schon nichts Vernünftiges gewesen. Seinen Urlaub konnte er nach dem heutigen Gespräch abschreiben. Wieder einmal! Seine Frau würde ihm die Hölle heiß machen. Jedes Mal kam irgendetwas in der Firma dazwischen.
„3.000 Patienten in einem Jahr, wie soll ich das schaffen?“, fluchte er vor sich hin, „die Kerle in Birmingham haben doch eine Meise, oder? Die spinnen doch total… 3.000 Patienten – wo soll ich die, zum Teufel, herkriegen? GPF ist ein Neuling auf dem Gebiet!“
Langsam kroch die Schlange durch die Leopoldstraße. Weiß der Teufel, was da vor ihm wieder los war?
„Die guten Prüfärzte, die waren doch schon lange bei den anderen unter Vertrag. Von wegen, „dann zahlen sie eben einfach mehr…“
Dann zahlen die anderen eben auch mehr, das waren doch auch keine Betschwestern. Lüderitz ist gut, gar keine Frage, aber der kann auch nicht zaubern.
Nun fahr doch endlich, du Pappnase!“, fluchte er lauthals.
Und das Ganze musste schließlich auch noch organisiert werden: Logistik, Einfuhrgenehmigungen für die Prüfmuster, Lagerung, Behörden … Das dauerte nun einmal.
Nun fahr schon weiter“, schimpfte er, als sein Vordermann abreißen ließ und ein Blödmann aus der rechten Spur vor ihnen einscheren konnte, „meinst du, ich will hier übernachten?“ Er drückte nachdrücklich auf die Hupe, um den Blödmann aufzuwecken
Und dann das dicke Problem. Alles, was aus Deutschland kommt, wird in Great Britannien erst einmal „zerfetzt“, auf Fehler durchleuchtet … Und wenn ein Riesenerfolg „der Krauts“ vermutet wird, noch einmal „durchgedreht und abgekocht“. Die Chefin der Forschungszentrale in UK „machte das Wetter“. Margret T. Gailbraithwhistle, T. wie Thatcher, das passte zu ihrer Frisur, mein Gott, und die konnte stur wie ein Esel sein. Die mit ihrem Liverpooler Dialekt, die konnte doch nicht einmal richtig englisch reden. Kein Mensch konnte die verstehen. Außer vielleicht in Birkenhead – oder wo die herkommen mochte.
Wahrscheinlich hatte die vorher auf einer Mersey-Fähre Würstchen verkauft, mit dem Dialekt, bevor sie zu GPF Ltd. kam. Weiß Gott, aufgrund welcher Beziehungen, man weiß ja nie bei diesen Engländern.
Langsam rückte die Schlange in die Nähe der Ampel vor. „Himmel, warum mussten die hier bloß abbiegen, vollkommen hirnlose Blödmänner“, schimpfte er vor sich hin.
3. Juni. Cagliaris Sekretärin, Frau Peters, blickte auf, als Thorben nach kurzem Klopfen ihr Zimmer betrat, lächelte ihm kühl zu und nickte mit ihrem blonden Kopf nur kurz in Richtung der Tür zum Zimmer ihres Chefs und sagte dann aber doch freundlich: „Gehen sie nur rein, Herr Doktor Lüderitz, der Chef erwartet sie schon… Er scheint etwas aufgeregt. Ansonsten: Wie geht´s?“.
Thorben grüßte: „Moin, Frau Peters, tach auch, ja danke der Nachfrage, ja, mir geht´s gut. Ihnen auch einen schönen Tag, Frau Peters“. Frau Peters schüttelte irritiert den Kopf, ohne die Ohrstöpsel des Diktiergerätes ab- und die Hände von der elektrischen Typenrad-Schreibmaschine zu nehmen, deren Finger ein Eigenleben zu führen schienen, so flink huschten sie über die Tastatur der eleganten Olivetti, für die sie lange hatte kämpfen müssen. Thorben deutete kurz auf die Schreibmaschine und fragte: „Neu?“. Frau Peters hörte nicht auf zu schreiben und nickte. „Ja“, sagte sie, „schick nicht?“
Thorben blinzelte ihr zu und machte die paar Schritte durch das Vorzimmer bis zur Tür. Kaum hatte er geklopft, hörte er auch schon das „Herein!“ von Cagliari.
„Schön, dass sie Zeit haben, Lüderitz“, sagte Thorbens Chef, erhob sich hinter seinem Schreibtisch, deutete auf den Besprechungstisch, reichte Thorben die Hand zur Begrüßung und sagte freundlicher als sonst: „Nehmen sie Platz. Kaffee und Kuchen?“ Kuchen? Handshake und Kuchen? Das hatte Thorben bei seinem Chef noch nie erlebt, Kaffee? Immer. Und Plätzchen oder Kekse, ja, manchmal, aber Kuchen? Nein, niemals. Handschlag? Das war das erste Mal, das war etwas ganz Besonderes.
„Haben sie das durchgerechnet?“, kam Cagliari sofort auf den Punkt, „ist das zu schaffen, dreitausend Patienten in einem Jahr?“
Thorben schenkte sich erst einmal den Kaffee ein, goss etwas Sahne in die Tasse, rührte die Melange um und prüfte die kleine Kuchenauswahl von vier Stückchen – Apfelkuchen, Stachelbeerkuchen und Plundergebäck.
„Ja“, sagte er sinnend und langsam (was sollte er nehmen, nicht, dass er das nahm, was Frau Peters für Dr. Cagliari vorgesehen hatte… Er entschloss sich, mit der Auswahl des Kuchens noch zu warten bis sein Chef sich entschlossen hatte – besser ist besser, dachte er), „das habe ich.“
„Und?“, fragte Cagliari gespannt, „was sagen sie?“
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