Der Angesprochene wurde bis über beide Ohren rot, dann sagte er aber ganz ruhig und ohne jeden Anflug von Nervosität: „Ja, danke, Mrs. Bronski, ich bin hier offenbar der Jüngste in der Runde, da habe ich mir gedacht, sie andere haben mit ihren vielfältigen Erfahrungen sicherlich mehr zu sagen als ich, da sollte ich von ihnen lernen oder so...
Aber da sie mich direkt ansprechen, will ich ihnen gerne die herzlichen Grüße von den Senatoren Lopez, Treewool und Jones ausrichten. Weiterhin darf ich ihnen ausrichten, dass man im Kapitol am Ergebnis dieses Treffens extrem interessiert ist. Ich soll ihnen versichern – ich glaube, soweit darf ich gehen – dass sie mit Ihrem Plan Senator Lopez aus tiefster energiepolitischer Seele sprechen. Amerikanisches Öl und Gas sind ihm eine Herzensangelegenheit.
„Kein Wunder“, murmelte die Kennedy leise aber laut genug, dass alle sie verstehen konnten, „bei den Spenden, die der von uns abzieht, wäre mir das auch eine… „Herzensangelegenheit“!“
O’Reilly hatte sie auch gehört. Er bewies sein Profitum damit, dass er die Kennedy nur freundlich anlächelte, mit dem Kopf nickte und ungerührt fortfuhr: „Er ist nämlich, wie sie, der Meinung, dass Energiepolitik Weltpolitik ist, und Weltpolitik sollte einzig Sache der USA sein. Da sollen weder Emporkömmlinge noch Kommunisten, also Chinesen und Russen, groß mitspielen dürfen. Und erst recht kein Iran. Die erst recht nicht. Nein, wir müssen unseren Freunden und vor allem unseren Feinden in der ganzen Welt ganz eindeutig sagen: Bis hierher dürft ihr gehen, aber keinen Schritt weiter! Keinen einzigen Schritt“. Er betonte „einzigen“ stark.
„Als ich ihre beeindruckende Präsentation eben miterleben durfte, Mrs. Bronski, schoß mir ein Begriff in den Kopf, und ich kann ihn einfach nicht wieder loswerden: Unser US-amerikanisches Gas ist eben nicht nur Gas aus den USA, US-amerikanisches Gas ist doch...“, er machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor er fortfuhr, „ja, es ist... Freiheitsgas! und nichts anderes: Freiheitsgas.“
„Jawohl“, jubelte laut Gotteskrieger und Reverend James: „Freiheitsgas! Das ist es. Junger Mann, danken sie Gott auf Knien, dass er ihnen oder ihrem Boss das eingegeben hat. MEIN Gott ich danke Dir! Freiheitsgas! Das werde ich dem Präsidenten beim nächsten Treffen sagen – er kämpft seinen gottgegebenen heldenhaften Kampf gegen Terrorismus, gegen Gottlosigkeit, gegen die Demokraten und ihre verräterischen kommunistischen Ideen im eigenen Land und weltweit für das amerikanische Freiheitsgas. Er kämpft weltweit einen grandiosen Kampf für sein, für unser großartiges Land und das Freiheitsgas! Halleluja! Halleluja! Halleluja!“
„Man sollte nicht vergessen,“ beeilte sich Hernandez anzumerken, „was es für die heimische US-Stahlindustrie bedeuten würde, eine ganze Flotte von Freiheitsgas-Tankern zu bauen. Wie im Zweiten Weltkrieg die Flotte der Liberty-Frachter! In den USA gebaute Tanker, die unser Freiheitsgas in die Welt transportieren. Das wären dann die Freedom-Carrier!“
Es hatte eingeschlagen wie eine Bombe: „Freiheitsgas“ – das war der Begriff, unter dem sie in den Krieg gegen russische Pipelines ziehen würden, gegen Pipelines, durch die die Unfreiheit in die Herzen der Menschen in Europa fließen würde. US-Freiheitsgas würde die Klingelbeutel der US-Konzerne zum Überfließen bringen. Das war gerecht aber keinesfalls selbstgerecht, und es war gottgefällig, man musste nur einen geringen aber nicht zu kleinen Teil der Freedom-Dollars in die Klingelbeutel der richtigen Kirchen und Parteien fließen lassen! Den Rest mochten die Konzerne behalten, naja, bis auf lässige 15% Steuern für den Staat. Aber so hohe Steuern für „Freiheitsgas“? Darüber müsste man noch einmal mit der Politik reden. Da würden die Lobbyisten harte Arbeit leisten müssen... Aber wozu hielt man sich diese hoch bezahlte Bande von rückgratlosen Schleimern und Kriechern?
Hernandez fuhr fort: „Das wird ein gewaltiger Aufschwung für all unsere tapferen Stahlarbeiter, die derzeit ja leider weitgehend arbeitslos sind, mein Gott! Das wird der Wirtschafts-Nobelpreis für unseren Präsidenten, mindestens! Und eine Freedom-Medaille und wenn es die nicht gibt, wird sie geschaffen. Das wäre doch gelacht.“
Er schob noch ein „Herr, wir danken dir“ hinterher, was den Gotteskrieger zu weiteren diversen „Amen und Halleluja“ veranlasste, zu denen er sich neben seinem Stuhl niederkniete, um eine gottgefälligere Halleluhja-Haltung einzunehmen, die verdächtig stark an die eines Moslem auf dem Gebetsteppich erinnerte.
„Meine Damen und Herren“, bat Adian O’Reilly als wieder Ruhe eingekehrt war, „ich hätte noch einige Anliegen, die ich beitragen möchte. Ich bin sicher, dass Senator Lopez mir zustimmen wird, wenn ich die folgenden Ideen skizziere:
Unsere Aufgabe muss es sein, einige neue Wahrheiten in die Köpfe der Abgeordneten beider Häuser, des Präsidenten und der ganzen Administration in diversen Ministerien zu implantieren. Und die gesamte Presse muss das übernehmen, um es in die Köpfe der Bürger der USA einzupflanzen, fast hätte ich hinein prügeln gesagt – und zwar, erlauben sie mir diesen Hinweis, in einer Form, dass alle genannten Gruppen glauben, das seien ihre eigenen Ideen gewesen. Das ist nämlich der eigentliche Trick dabei.“
Adian O’Reilly schaute auf die wenigen Stichworte auf seinen Notizblock. „Verehrte Vorsitzende, ich denke, wir können das so zusammenfassen:
1 Russlands 12 Milliarden Dollar teure North Stream 2 ist nicht nur eine Erdgaspipeline, wie andere, die wir in den USA bauen oder betreiben. Was halten sie davon, dass die beiden NorthStream-Pipelines eigentlich Waffen sind, die rein zufällig die Form von Unterwasserpipelines annehmen.“
Beifall von allen! Junge, der Mann ist gut, dachte Pattie, schon das Freiheitsgas war ein Hammer, aber der hatte offenbar noch mehr drauf. Adian O’Reilly fuhr also nach einer auffordernden Geste von ihr fort:
1 Die Pipelines stellen eine existenzielle Bedrohung für Europa dar. Und die NorthStream Gaspipelines sind eine heimtückische russische Falle
2 Deutschland ist in diese Falle getappt und will sich daraus offenbar gar nicht selbst befreien.
3 Russische Pipelines, wie NorthStream, sind eine zutiefst beunruhigende Aussicht für diejenigen, die schon lange die Fähigkeit des Kremls fürchten, politischen Einfluss zusammen mit ihrem Gas zu exportieren.
4 Sobald die neuen Pipelines fertiggebaut sind, wird Russland in der Lage sein, die Energielieferungen nach Osteuropa, v.a. zu unseren lieben Verbündeten in Polen und in der Ukraine viel leichter abzuschalten als bisher, als die Russen noch auf diese alten Pipelines angewiesen waren.
5 Mit Gazproms North Stream bereitet sich Putin darauf vor, die Schrauben der Unfreiheit in Europa anzuziehen.
6 Die neue Pipeline wird unseren NATO-Satellitenstaaten in Europa keine Energiesicherheit bringen. Ganz im Gegenteil: Sie wird die EU noch abhängiger von einem politisch und militärisch unberechenbaren Russland machen.
7 Und letztens, und aus meiner Sicht am wichtigsten: Mit dem mit der Pipeline verdienten Geld wird Putin vor allem eines machen: Seine Armee aufrüsten, seine Marine so verstärken, dass unsere Trägergruppen nirgendwo auf der Welt mehr sicher vor modernsten russischen Raketenangriffen sind, ich verweise nur auf die offenbar tatsächlich in Entwicklung befindlichen Hyperschallraketen! Uns liegen da beängstigende Berichte von verschiedenen Geheimdiensten vor. Was wiederum bedeutet, dass wir die legitimen weltweiten Interessen und die damit verbundenen immensen Investitionen unserer US-Energiewirtschaft nicht mehr an jedem Punkt der Welt sofort und absolut schützen können.
Mein Senator hat mehrfach darauf verwiesen, dass staatsähnliche Gebilde wie Irak oder Iran nicht selbst entscheiden dürfen sollten, an wen sie zu welchen Preisen ihr verdammtes Öl verkaufen. Das müssen sie schon uns überlassen.
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