Der Plan war perfekt: Kymidro s in die sariahnischen Atmosphäre entsenden, hunderte ky bernetischer Mi kro dro hnen in Form kleinster Quadrocopter. Sie verteilen sich über den Planeten, koordiniert über künstliche quasineuronale Interfunk-Netzwerke. Ihre NQR-Nanoprozessoren, die Herzstücke der N ano q uanten r echner, waren mit virtuellen Agenten und künstlicher Schwarm-Intelligenz ausgestattet. Auf allen Kryptofrequenzbändern des Interfunks. Voll kommunikationsfähig und darauf programmiert, alle Ozeane und unbewohnten Landgebiete auf Sariah zu überfliegen. Danach sollte die Altakolia-VII-Crew die Kyrotare in die Ozeane entsenden. Die ky bernetische Ro bot-Ava tare konnten auf den Ozeanböden ferngesteuert die Konstruktion unterseeischer Raumbasen in Angriff nehmen. Weitere Mikro-Kyrotare konnten die Kontinente erkunden, die Sariahner und ihre Techniken aufspüren, ihre Lebensräume und Ballungszentren mit Nanobots infiltrieren, und ihre elektronischen Systeme mit virtuellen Agenten.
Invasionsphase drei sah vor, die Kontrolle zu übernehmen. Was diese lästigen Zivilisten nicht wussten: Er, der General, hatte weitergedacht. Er hatte sich die alten Interfunk-Dateien von Ssefaru Xing besorgt, um seine Invasionspläne zu unterfüttern. Die Strategie seiner Machtübernahme war einfach genial. Sie näherte sich der Perfektion. Sariah sollte schließlich SEIN Planet werden, SEIN Machtbereich über die Raumbasis Altakolia VII hinaus – und nicht der Machtbereich eines Zivilisten wie dieses Kapitäns Jenis. Jetzt kann ich deine Raumstation bei Bedarf auch schon vor Erreichen des Zielplaneten ausschalten , dachte er. Eine simple Aktivierung des Mikrozünders im Triebwerksblock der Altakolia I genügt.
Fazzuwär war sich seiner Sache sicher. Es war ganz logisch: Die Zivilisation der Sariahner war technisiert. Die Sariahner sind intelligent. Sie hatten bestimmt elektrische Geräte entwickelt, Funkverkehr und vielleicht sogar Raumfähren. Und Waffen, die sie gegen die Altakolia VII einsetzen konnten. Ihre Abwehrmöglichkeit, gegebenenfalls sogar ihrer ganze Zivilisation musste also abgeschaltet werden, noch bevor der erste Puntirjaner den blauen Planeten betrat. Xings Ideen nuklearer elektromagnetischer Impulse war da ebenso brauchbar wie Fazzuwärs Einfall, mit gezielten Kernwaffen-Einsätzen auf Sariah künstliche Tsunamis zu erzeugen. Sie würden die meeresnahe Ballungszentren und Siedlungen der Sariahner beseitigen. Sein Biowaffen-Team arbeitete zudem an der Entwicklung synthetischer Viren, die die Organismen der Sariahner ausschalten sollten. Kyrotare könnten die Erreger versprühen, um die Sariahner gezielt zu infizieren. Die Inkubationszeit müsste so bemessen sein, dass alle Sariahner infiziert würden. Die Epidemie würde sie dann ausrotten. Das Problem war: Das Entwicklerteam benötigte dazu Bio-Proben sariahnischer Organismen, möglichst das Erbgut der Sariahner selbst. Dazu war das Entsenden weiterer Landesonden nötig. Sie mussten den Zielplaneten noch vor der Altakolia-Flotte erreichen, ohne dass die Zivilisten um Tüngör Auflingés Raumsonden-Team davon erfuhren.
Allerdings gefiel dem General auch die Idee, die sariahnische Zivilisation zunächst bestehen zu lassen. Sie ließe sich ja auch angreifen, indem die Bewohner mit Nanochips markiert wurden. Sie könnten sie zum Beispiel mit ihrer pflanzlichen Nahrung oder dem Trinkwasser aufnehmen – implantierte Funkchips mit „smart dusts“, die sich dann per Interfunk untereinander vernetzten, und mit Basisstationen auf den Ozeanböden. Über RFID-Tags ( r adio- f requent Id entification) könnte der Standort jedes einzelnen Sariahners individuell bestimmbar gemacht werden. Wenn es dann noch gelang, Nanobots in die Organismen der Sariahner zu schleusen, so ließen sich Interfunk-Neurochips in ihre Gehirne platzieren. Sollte dann die Kontrolle über einige ihre Gehirne gewonnen sein, könnte ihre Zivilisation mit den nun unkritisch ergebenen Individuen durchdrungen werden, selektiert per Überwachung ihres Tuns. Ihre Gesellschaft ließe sich schließlich so steuern, dass die Sicherheit der puntirjanischen Besatzer und die Dienstleistungen der Sariahner für Fazzuwärs Stab garantiert waren. Unliebsame Sariahner konnten dann einfach ausgeschaltet werden wie mit einer Fernbedienung.
Fazzuwär strahlte. Das waren geniale Invasionspläne. Endlich mal nützliche Vorhaben , dachte der General. Ganz anders als die abstrusen Ideen der Zivilisten, mit den Sariahnern ein friedliches Zusammenleben zu versuchen, eine Symbiose, die den Puntirjanern letztendlich ihre Identität rauben würde. Nein, Jenis, das Ziel unserer Altakolia-Mission legst du nicht fest! Nicht du! Ein sarkarischer Soldat lässt sich von einer sariahnischen Zivilisation doch nicht einfach assimilieren – er benutzt sie.
Jenis war deprimiert. Er hatte kaum geschlafen. Das Untersuchungsverfahren zur Klärung des mysteriösen Arbeitsunfalles um den Tod des Piloten Jähn-Mu war eingestellt. Es blieb ohne Indizien für äußere Einwirkung, ohne Anzeichen für verschlampte Kontrollen und Inspektionen oder anderes Versagen der Triebwerkstechniker. Einfach ohne Ergebnis. General Fazzuwär hatte ihn als unfähig abgestempelt und angemacht, doch mehr konnte auch der General nicht tun. Er war für die Altakolia I nicht zuständig. Trotzdem brauchte er sie. Er musste sie, den Strategien zur Machtübernahme über den Planeten folgend, noch einmal besuchen. Und so meldete er seinen Besuch auf der Altakolia I an und ließ sich den Raumgleiter startklar machen.
Jenis erfuhr es, als er im Wohnzylinder bei Ma-Ting Coqey saß. Sie brütete über einem Problem an ihrem Wasserstoff-Bioreaktor.
„Schau, Jenis, hier ist die Stelle im Ökosystem, an der wir Öle aus Algen gewinnen. Biowasserstoff. Thermophile und Cyanobakterien setzten die Biomasse um“, erklärte sie. „Aber ihr Kohlendioxid behindert die Wasserstoffproduktion. Für die Photosynthese sind diese Dicarbamate doch nötig, und der Lichtbedarf für die Umsetzungen ist auch noch enorm.“
Kapitän Jenis konnte wenig zu ihrem Problem sagen – er war weder Biotechniker noch Stoffkundler. Lieber hätte er Tüngör besucht, der an einem raffinierten Projekt arbeitete. Er untersuchte den Reifegrad der Früchte auf den sariahnischen Äckern über IR-Satelliten, die er dem blauen Planeten entgegengeschickt hatte. Aber Jenis konnte nichts machen: Zu seinen Pflichten als Kapitän gehörte es nun mal, zu allen Crewmitgliedern guten Kontakt zu halten. Auch wenn sie in ihm fremden Fachbereichen tätig waren.
Ein wenig später begab er sich in die Kapitänskabine. Die Wochenansprache an die Crew stand an.
„Eine Durchsage, öffentlich an alle Besatzungsmitglieder der Altakolia I. Hier spricht der Captain.“, flötete Jenis. Die Crew wusste es sofort: Der Kapitän war heute gemäßigter Laune.
Als Kapitän Jenis sein Bordmikro schloss, sah er in Vizekapitän Ta-Sarjowairs Augen.
„Wie war ich?“, fragte er seinen Vize schmunzelnd.
„Nun, Captain, ihre Wochenansprache war gut. Nun wird niemand mehr Sorgen haben, unsere Vorräte seien zu knapp bemessen. In der Tat werden wir die Lebensmittelproduktion im Wohnzylinder jedoch weiter ausbauen und deutlich steigern müssen. Von der alten Tiefkühlkost aus der Heimat ist nichts mehr übrig.“
„Da haben sie recht, Fanzru!“, stimmte Jenis ihm zu. „Aber ich habe im Moment ganz andere Sorgen!“
„Kapitän?“
„Ach, Fanzru, mir liegt dieser Fazzuwär schwer im Magen.“
„General Fazzuwär von der Altakolia VII?“
„Ja, Sie wissen doch: Er übernimmt nächsten Tolonmonat turnusgemäß den Oberbefehl unserer Mission – sein Antrittsbesuch auf der Altakolia I ist terminiert.“
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