„Und ob du betrogen hast. Du hast es doch auch gesehen Gringo.“ Sein Kumpan nickte eifrig. „Also los, zeig es ihm.“ forderte der Mexikaner den verdutzten Cowboy auf und schubste ihn zu dem Engländer.
„Ein Duell?“ fragte der Mann im Anzug erstaunt, aber nicht ängstlich. Ein Duell? Die zwei sahen sich verunsichert an. Aber Chico kam wohl zu dem Entschluss, dass es genau das war, was sie jetzt wollten.
„High Noon. Zwölf Uhr mittags!“ erwiderte er. Gringo sah noch immer nicht begeistert aus. Im Gegensatz zu Chico war er wohl nicht so scharf auf ein Duell um Leben und Tod.
Der Engländer nahm eine Taschenuhr aus seiner Hemdtasche und sah genervt darauf.
„Oh je, es ist doch grad erst Nachmittag geworden, da müssen wir ja noch einen ganzen Tag warten, bis es wieder Zwölf wird.“ Die zwei sahen ihn wieder so verwundert an, als käme er von einem anderen Stern oder so etwas, während er gemächlich seine Uhr wieder zurücksteckte. „Sorry Peoples aber da hab ich keine Zeit.“ Er sah in die verwirrten Gesichter der Desperados. Chico lief rot an wie eine Tomate und setzte zu einem wütenden Schrei an. Doch Stanford ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
„Aber warum eigentlich immer High Noon? Weshalb denn nicht gleich?“ Die zwei Mexikaner sahen sich nervös an. Sie fragten sich wohl, ob er nur so tat oder tatsächlich so dumm war.
„Ok, warum eigentlich nicht!“
Stanford klatschte aufmunternd in die Hände.
„Na dann los. Lasst uns die Klingen kreuzen.“
Fast der ganze Ort war nun vor dem Saloon auf der Straße. An die Hundert Menschen vielleicht. Der Besitzer des Saloons versprach dem Sieger ein Freibier. Die Damen versicherten dem Engländer, dass sie auf seinen Sieg hofften und er später noch gerne auf ihre Zimmer kommen dürfe. Im Gehen zwinkerten sie jedoch dem anderen zu. Ein schlanker Mann in einem gepflegten hellen Anzug kam auf die drei zu. Es war der ebenfalls mexikanisch aussehende Familienvater. Er wirkte auf Stan anders als der Rest der Leute hier, irgendwie intelligenter. Er hatte etwas von einem Bürgermeister. Er sagte, er sei Arzt und bot den Kontrahenten Medizinische Versorgung an, sofern diese hinterher noch von Nöten sein würde.
„Dr. Mendoza mein Name. Tut mir zwar leid, aber ich hoffe sie verstehen, dass eine umfangreiche Behandlung teuer werden kann. Daher müsste ich vorher abrechnen.“ Doch Stanford sah dafür keine Veranlassung.
„Wir werden abrechnen, und zwar mit dem hier,“ erwiderte Chico und schwang seinen Colt. Er und Gringo nahmen auf der Breiten Straße Aufstellung. Eigentlich handelte es sich nur um einen plattgetretenen Pfad, der mitten durch den Ort führte. Welcher wiederum lediglich aus ein paar teils kargen Hütten bestand. Es gab ein paar kleinere Läden, Stallungen für die Pferde und bei ihrer Ankunft hier hatte Stan hinter den Häusern der Hauptstraße eine Mühle und ein Sägewerk gesehen. Sie nannten den Ort Nojust. Kein Gesetz! Das schien zu stimmen. Ein Sheriffs Office gab es zwar, doch von einem Gesetzeshüter keine Spur. Gleich schräg gegenüber, praktisch als Mittelpunkt des ganzen Ortes stand eine etwas heruntergekommene Kirche. Sie war wohl als Erstes hier und man hatte den Rest einfach Drumherum gebaut.
Chico rief etwas auf Mexikanisch und spuckte dann verächtlich auf den Boden. Der Doc sah zu den beiden Mexikanern und dann wieder besorgt zu Stanford. Er wiederholte sein Angebot, nun etwas energischer.
„Sie sollten sich das wirklich gut überlegen, die zwei sehen aus wie echte Revolverhelden und sie…“
„Und ich mein Herr, wie sehe ich aus?“
„Sie nicht.“
„Ich bin auch keiner.“ Mendoza sah nicht aus, als würde ihn das Beruhigen. „Ich bin Spieler. Also, die Karten sind verteilt. Lasst uns spielen.“ Mendoza lächelte nun, doch noch immer nicht beruhigt, eher resigniert.
„Armer Irrer. Aber er hat wohl recht, er wird keinen Arzt brauchen.“ sagte er zu dem Mann im schwarzen Anzug, der auf dem Klavier gespielt hatte. „Das ist dein Kunde.“ Der Bestatter lächelte und überprüfte noch einmal, ob der eilig herbeigeholte Sarg die richtige Größe hatte.
Gringo hatte sich inzwischen in Stellung gebracht und Chico war zu den anderen Schaulustigen unter das Vordach des Saloons zurückgekehrt. „Können wir endlich anfangen?“ rief er ungeduldig.
„Gemach!“ erwiderte Stanford ruhig und schlenderte zur Straße. Der Engländer sah dabei nach oben zur Sonne.
„Lassen sie uns die Plätze tauschen. Ich kann um diese Uhrzeit immer so schlecht Richtung Norden zielen.“ Klagte er.
Der Mexikaner sah ihn verächtlich an.
„Ein Betrüger und ein Feigling noch dazu. Pah.“ Er spuckte erneut vor ihm aus.
„Na gut, wenn sie unbedingt wollen.“ Er ging nun doch zu der Stelle, wo er stehen müsste. Ganz gemächlich. Der Engländer hatte es eindeutig nicht sehr eilig. „Aber dann kann ich für nichts garantieren. Möglich das ich dann seeehr weit am Ziel vorbeischießen würde.“ Er zielte mit dem Finger auf Gringo und begann dann zu taumeln, als sei er betrunken, dabei wanderte der Finger hin und her und schließlich zeigte er auf seinen großspurigen Kumpan Chico.
„Okay, okay,“ gab dieser schließlich nach. „Dann tausch halt den Platz mit ihm. Ist doch völlig egal auf welcher Seite der Straße er im Staub liegt.“
Eiligst begab sich der Engländer auf den von ihm bevorzugten Platz. Als die zwei sich dabei etwa in der Mitte begegneten, sahen sie einander grimmig an. Wer von ihnen würde wohl schneller ziehen und als Sieger aus diesem Duell hervorgehen? Der steife Engländer, der nicht aussah, als wisse er überhaupt was er hier tat oder der stille Gringo, der von seinem Kumpan Chico zu diesem Duell gedrängt wurde?
Nun waren beide bereit. Doc Mendoza vergewisserte sich noch einmal davon und gab das Duell dann frei. Gringo zog seinen Revolver einen Bruchteil schneller und ging fast im selben Augenblick getroffen zu Boden. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt er sich sein blutendes Bein.
„Aber wie?“ keuchte Chico entsetzt. Die Menge starrte nur fassungslos auf den Mann am Boden. Der Engländer gab sich große Mühe seinen eiligst gezogenen Colt wieder wegzustecken. Während der Doktor zu Gringo lief, um ihn notdürftig zu versorgen.
„Du hast schon wieder betrogen.“ Schrie Chico nun entsetzt auf. Stan tat jedoch vollkommen unschuldig.
„Entschuldigt vielmals mein Herr, aber wie soll ich das bitte gemacht haben. Wie ihr seht, habe ich ihn zuerst getroffen.“
„Aber er hatte seine Waffe noch gar nicht gezogen.“ Der Mexikaner wandte sich an die aufgebrachte Menge, die dicht an dicht hinter ihm stand. Der Engländer lachte falsch und musste plötzlich unsicher husten.
„Da habt ihr wohl etwas Falsches gesehen, das kommt davon, wenn man um diese Uhrzeit gen Norden blickt.“
„Mach mich nicht wütend.“ Der Mexikaner baute sich bedrohlich vor ihm auf, obwohl er ein gutes Stück kleiner war. Der Engländer ließ sich jedoch wie immer nicht aus der Ruhe bringen. „Zeig mir deinen Colt.“ Forderte Chico. Stan wich aus, als der Mexikaner danach griff. „Ich wette, die Trommel ist noch voll.“
„Jetzt geh doch endlich aus der Schusslinie.“ Der Deutsche lag gegenüber dem Saloon in dem Glockenturm der alten Kirche, direkt neben dem Büro des Sheriffs auf der Lauer. Er hatte alles beobachtet, was vor dem Saloon geschehen war. Von hier oben hatte er einen perfekten Blick. Alles hatte gut funktioniert. Genauso wie Stanford es von Anfang an geplant hatte. Zuerst hatten sie Chico gewinnen lassen, damit er anbeißen würde, dann hatte Wilhelm angefangen für Stan zu spielen. Der brauchte schließlich nur noch dafür sorgen, dass ihn Chico für einen Betrüger hielt, und schon schnappte ihre Falle zu. Stanford hatte bisher alles wie vereinbart hinbekommen. Als ihr Zielobjekt jedoch an der falschen Stelle stand, hatte er kurz gezweifelt, aber der Engländer war ein gewitzter Bursche, das musste er ihm wirklich lassen. Er hatte dafür gesorgt, dass Wilhelm wieder freies Schussfeld hatte und ihn von hier oben direkt ins Bein treffen konnte. Doch nun wurde es brenzlig, Stanford war nicht schnell genug gewesen und der Mexikaner hatte bemerkt, dass nicht er es war, der geschossen hatte, sondern der Deutsche mit seinem maßgefertigten Präzisionsgewehr. Er musste es noch einmal tun und auch den anderen Mexikaner erwischen, doch Stanford stand nun wieder in seiner Schusslinie.
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