„Wir packen die zwei ein und ziehen weiter.“ Befahl der Schwarze in einem Tonfall, der keine Widerworte zuließ. Der Doktor wusste dies offensichtlich nicht.
„Unmöglich, sein Zustand…“ Marshall Jackson sah ihn grimmig an. „Wenigstens ein, zwei Tage, bis ich seine Wunde soweit versorgt habe, dass er transportfähig ist.“
Jackson gab sich nachsichtig.
„Wir bleiben bis morgen, länger nicht.“
Während sich der Arzt, der sich ihnen als Enrico Mendoza vorstellte, seinem Patienten widmete, besprach Marshall Jackson mit Paul die Lage. Er wollte die zwei Gefangenen am nächsten Morgen nach dem Versteck ihres Anführers ausquetschen.
„Wenn wir dann in seinem Lager angekommen sind, werden wir weitersehen. Ein Überraschungsangriff wäre das Beste. Sie werden uns ja wohl kaum erwarten. Optimal wäre es, wenn wir zuvor Einige von ihnen herauslocken könnten, um sie einzeln zu erledigen. Die Details klären wir dann aber vor Ort.“
„Ihnen ist aber schon bewusst, dass dies immer noch unsere Gefangenen sind?“ warf Stanford mutig ein.
„Keine Sorge,“ erwiderte der Marshall grimmig, „Ihr sollt eure Belohnung bekommen.“ Stanford nickte zustimmend, was nicht hieß, dass er beruhigt war. Auch er war noch skeptisch was den Marschall und seine Männer anging und ihre Kooperation mit ihnen.
Nachdem er sich ohne Wilhelm, Stan und die anderen weiter mit Paul besprochen hatte, gab Jackson den Befehl, dass sie sich alle ausruhen sollten. Jemand sollte den beiden Gefangenen zuvor noch etwas zu essen bringen. Stanford meldete sich freiwillig.
„Ich habe die widerliche Pampe, die man hier als Eintopf bezeichnet probiert. Die drei Wochen Durchfall haben die zwei hier absolut verdient.“ Meinte er lächelnd.
Während er ihm einen Teller hinschob, bemerkte er Chicos seltsames Verhalten. Sie hatten sich nur um Gringos Bein gekümmert und Stan hatte den anderen völlig vergessen.
„Der kleine Betrug beim Spiel tut mir leid. War nichts Persönliches. Vielleicht können sie gar nicht mal was dafür das sie so ein Arschloch sind. Falsche Freunde, schlimme Kindheit… ich kenne das.“ Stan versuchte, sein verständnisvollstes Gesicht aufzusetzen. „Als Wiedergutmachung habe ich ihnen einen leckeren Ein... ähm Suppe mitgebracht.“ Er sagte auch weiterhin kein einziges Wort. Es passte überhaupt nicht zu dem Kerl, den sie im Saloon entdeckt und als einen von denen auf ihren Steckbriefen erkannt hatten, so still zu sein. Er lag nur da, auf seiner Pritsche und starrte zur Decke. Es war, als würde er gar nicht mehr atmen, nur röcheln. Stan stieß ihn an, doch der andere bemerkte es gar nicht.
„Was ist mit ihm?“ Wieder galt die Frage irgendwie allen im Raum, doch wieder antwortete nur Doc Mendoza.
„Ich muss gestehen ich weiß es nicht, er zeigt Symptome einer Lungenentzündung, aber da ist noch etwas, ich kann es nicht erklären, es ist seltsam, wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen, er ist tot.“ Urplötzlich griff er jedoch mit einer Hand nach Stanford, der wie alle, erschrocken zusammenzuckte. Für einen Moment fürchtete er, sein Herz sei vor Schreck stehen geblieben. Es dauerte einen Augenblick, bis er sich wieder gefasst hatte und die Hand schließlich wegschlug.
„Tote bewegen sich nicht.“ Außer dem scheinbar reflexartigen Angriff regte sich Chico auch weiterhin nicht.
Er hatte Stanford bei der ganzen Aktion aber offenbar gekratzt. Der Engländer nahm das Tuch aus seiner Hemdtasche, um es sich um die Hand zu binden.
„Wie ich sagte, seltsam!“ Wiederholte Mendoza und ging dann zu Stanford, um sich seine Hand anzusehen. Der Mexikaner lag wieder völlig regungslos auf seiner Pritsche. Marshall Jackson wandte sich Gringo zu, dessen Verband mittlerweile fertig angelegt war.
„Was hat das zu bedeuten?“ fragte er. Der andere antwortete nicht, zog nur die Schultern hoch. Jackson ging langsam in die Zelle und auf ihn zu. Der Doc war bereits raus, um sich Stans Wunde anzusehen.
„Das ist nichts,“ wiegelte der jedoch ab.
Jackson baute sich vor Gringo, wie ein Bär vor seiner Beute auf. Dann packte er urplötzlich dessen Wunde und drückte zu, bis dieser aufschrie und Tränen seine Augen füllten. Der Doc drehte sich weg, fragte sich vermutlich, ob das wirklich sein musste. Besonders da er den Verband gerade erst angelegt hatte.
„Aber unsere Methoden infrage stellen.“ Flüsterte Wilhelm, Stanford zu.
„Ich weiß es nicht.“ Gringo flehte Jackson geradezu an aufzuhören. Tatsächlich schien er sich über sein eigenes Verhalten zu erschrecken und lies entsetzt los.
Nun wurde der andere wieder mutiger und begann zu fluchen. Jedoch noch immer gequält wegen der Schmerzen.
„Ich weiß nur das Carlos kommen wird, um seinen Bruder zu holen. Und wenn er Emilio so vorfindet, werden Boss Thompson und die anderen hier alles in Schutt und Asche legen.“
„Du meinst Carlos Sanchez?“ fragte Stanford und Wilhelm sah ihn überrascht an.
„Die rechte Hand von Blackfist Thompson? Also nicht die in dem schwarzen Handschuh, sondern sein Stellvertreter.“ Fragte er zurück.
„Genau der. Ihr braucht morgen früh nicht aufbrechen, um sie zu suchen. Blackfist wird euch finden und dann seid ihr alle tot. Ahhh.“ Doktor Mendoza der wieder nach seinem Verband gesehen hatte, hatte offenbar etwas zu fest zugepackt.
Einige Stunden zuvor, ganz in der Nähe:
Der Wind wirbelte etwas von dem trockenen Sand auf und ließ loses Gestrüpp umherfliegen. Die milde Abendsonne kühlte die Luft in dem kleinen Tal allmählich ab. Es lag etwas abseits der kleinen Städtchen die Goldgräber, Abenteurer und andere Glücksritter hier im Westen errichtet hatten. Der Eingang zur Goldmine lag gut geschützt und bot ihnen so ausreichend Schutz vor neugierigen Blicken. Kaum jemand kannte diesen Ort und die die davon gehört hatten, wussten aber auch, dass hier schon lange nichts mehr gefunden worden war. Was der Gauner Blackfist und seine Männer suchten, war aber auch kein Gold, sondern Schutz. Genaugenommen hatten sie bereits jede Menge Gold, doch das hatten sie sich nicht mit ehrlicher Arbeit verdient. Damit hatten diese Verbrecher nichts am Hut.
Dafür brauchten sie einen Unterschlupf, wo sie sich ausruhen und vor dem Gesetz verstecken konnten. Und um ihre Beute zu lagern. Für all das war dieser Ort perfekt. Die Höhle war riesig groß und hatte mehrere kleinere Tunnel, die vom Hauptteil abzweigten. Die Goldgräber hatten damals gehofft, noch mehr zu finden, aber nichts von dem, was sie versuchten, brachte den erwünschten Erfolg. Also gaben sie irgendwann auf. In diesen Tunneln konnten sich Blackfists Mannen ausruhen, die Beute verstauen und jedwede Jäger abschütteln oder in eine Falle locken. Ihr Anführer selbst hauste meist jedoch etwas komfortabler als auf Decken und in Schlafsäcken in feuchten dunklen Höhlen. Er und ein paar seiner Hauptmänner nächtigten in einer etwas bequemeren Unterkunft. Neben dem Hauptgebäude, in dem sich ein kleines Büro befand und ein Raum zum Kochen und Ähnliches, gab es noch einen Schuppen, der wohl als Lager für Werkzeug gedient hatte.
Der alte Sullivan hatte ungepflegtes langes graues Haar. Er hasste Mexikaner, aber noch viel mehr die Indianer. Er gehörte nicht gerade zu den intelligentesten, obwohl eigentlich keiner in dieser Bande sonderlich viel Grips hatte. Allerdings war er ein erfahrener Gauner. Er verfügte über das Selbstbewusstsein und die Kaltblütigkeit, andere herumzukommandieren und ihnen seinen, beziehungsweise Blackfists Willen aufzuzwingen.
„Parker, Lee, treibt die Pferde zurück in die Koppel.“ Er kümmerte sich um die Dinge, für die ihr Anführer keine Zeit hatte. Aufgaben zu verteilen und alles zu koordinieren lag ihm irgendwie im Blut. Er wusste das ihn alle deswegen hassten, aber das war ihm egal, solange nur jeder auf ihn hörte. Zurzeit lief gerade alles rund und es gab kaum etwas zu beanstanden für ihn. O‘Toole, den er eigentlich für etwas zu anständig für ihre Organisation hielt war für die Wache eingeteilt. Sullivan erkundigte sich bei ihm nach erwähnenswerten Vorfällen.
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