Ralf Lothar Knop - Akbash

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Der DDR Bürger Ferdinand Stahlschmitt wird bei einem Fluchtversuch schwer verletzt und
nach seiner Genesung im Stasi Gefängnis Hohenschönhausen gefoltert. Nach seiner Entlassung
heiratet er und 1985 wird sein Sohn Radulf geboren. Die Familie zieht nach der Öffnung
der Grenze nach Bad Herrenalb. Im Alter von 30 Jahren lernt Radulf die Vorsitzenden des
Vereins Hilfe für Mali (HfM) kennen und er unternimmt mit ihnen eine Reise nach Mali, wo
er ein Verhältnis mit Aayana eingeht und wo er Akbash kennen lernt. Wieder zu Hause angekommen
macht er eine Therapie bei einer Psychotherapeutin, die jedoch die Therapie abbricht,
nachdem sie mit Radulf geschlafen hat.
Nach einem Jahr kommt Aayana nach Herrenalb und präsentiert ihm seine aus dem Verhältnis
hervorgegangene Tochter Kuimba. Die beiden heiraten und bekommen eine weitere Tochter.
Nach einem weiteren Jahr kommt auch Akbash nach Herrenalb und sie gründen gemeinsam
den Gesprächskreis «Effata», dem sich auch Miriam anschließt. Eines Tages treffen die drei
auf Chris, die Psychotherapeutin von Radulf.

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Ralf Lothar Knop

Akbash

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Inhaltsverzeichnis Titel Ralf Lothar Knop Akbash Dieses ebook wurde erstellt - фото 1

Inhaltsverzeichnis

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Effata

Aayana

Akbash I

San

Vertrauen

Radulf

Therapie I

Reflexion

Therapie II

Chris I

Kaupinpuistonkatu

Kuimba

Miriam I

Miriam II

Seligpreisungen

Aminata

Vorhölle

Wangerooge

Abendmahl

Erika

Reunion

Chris II

Akbash II

Trauer

Impressum neobooks

Effata

Ralf Lothar Knop

Akbash

Roman

Für Catherina, Verena, Simon und Roman

DCLXVI

Sescenti Sexaginta Sex

Du bist würdig, das Buch zu nehmen

und seine Siegel aufzubrechen,

denn du wurdest als Opfer geschlachtet!

Offb 5,9

Nachdem Akbash am Vormittag zwei Stunden lang auf dem Polizeiposten von Bad Herrenalb vernommen worden war, saß er zunächst eine Weile im Kurpark, bevor er über den Rehteichweg und den Pfahlwaldweg nach Bernbach wanderte und dort weiter bis in die Talblickstraße, wo er eine kleine Wohnung hatte, die ihm einen wunderbaren Blick auf den Schwarzwald erlaubte. Er war froh, als er endlich wieder alleine in seinem Wohnzimmer saß.

Die Polizeibeamten waren sehr freundlich gewesen, trotzdem war Akbash vollkommen verstört, weil er noch nie mit der Polizei zu tun hatte und weil es für ihn unfassbar war, dass Radulf nicht mehr lebte und noch unfassbarer war es für ihn, dass die Polizei ihn, seinen besten Freund, für seinen Mörder hielt.

Sie waren sehr gute Freunde und sie hatten gemeinsam eine neue Gruppe gegründet, die sie Effata nannten. Sie wollten das Leben miteinander teilen und das konnte nur gelingen, wenn sie bedingungslos ehrlich zueinander waren und keinerlei Geheimnisse voreinander hatten.

Effata sollte offen sein für alle Menschen, die bereit waren, sich vollkommen zu öffnen, unabhängig ob Mann oder Frau und was noch viel wichtiger war, sowohl die religiöse als auch die politische Überzeugung sollte keinerlei Rolle spielen; genauer gesagt, jeder durfte seine religiöse und seine politische Überzeugung frei äußern, ohne dass irgendjemand versuchte, ihn in irgendeiner Weise darin zu beeinflussen. Dieses Grundprinzip des gegenseitigen Respekts, davon waren Radulf und Akbash fest überzeugt, würde nicht nur dazu führen, dass schließlich alle Mitglieder der Gruppe in bedingungsloser Liebe miteinander verbunden wären, sondern diese Liebe würde auch weit über die Gruppe hinaus fruchtbar werden.

Radulf war von Anfang an derjenige, der die geistigen Grundlagen für diese Gruppe schuf. Solange wir unser Innerstes verschlossen halten, sagte er immer wieder, werden wir allmählich immer mehr vertrocknen und das Leben geht an uns vorbei. Nur wenn wir unser Leben mit unseren Mitmenschen teilen, können wir wirklich glücklich werden. Diese Welt ist kein Jammertal, in dem es für uns nur Not und Leid gibt. Als erstes schrieb Radulf eine Präambel für Effata:

Ich nehme mich an. Ich nehme mich in die Hand. Alles an mir darf so sein, wie es ist.

Ich versuche dankbar zu sein für mich und für mein Leben, für meine Begabung und für meine Begrenzung, für meine Fähigkeiten und für meine Schwächen. Ich bin so wie ich bin und dafür bin ich dankbar.

Des Lebens heilende Gegenwart hüllt mich ein. In ihr finde ich Frieden und Erfüllung. Ich bin voller Dankbarkeit, weil ich wertvoll bin, weil ich ein einmaliger und einzigartiger Mensch bin.

Vor jedem Gruppentreffen wurde diese Präambel verlesen, genauso wie die zwölf Weisen der Effata, die Radulf ebenfalls verfasst hatte.

1 Wir alle sind geschaffen durch die Sehnsucht des Lebens nach sich selbst und deshalb dürfen wir geschwisterlich miteinander umgehen als Schwestern und Brüder, die sich gegenseitig den Durst des Lebens nach sich selbst stillen.

2 Wir dürfen einander dasselbe gütige Vertrauen schenken, das das Leben in uns hat.

3 Wir dürfen darauf vertrauen, dass wir liebenswerte Menschen sind, so wie das Leben uns geschaffen hat.

4 Wir dürfen uns gegenseitig als Kinder annehmen, die noch nicht fertig sind, aber voller Hoffnung, die noch nicht vollkommen sind, aber doch wahr und lebendig.

5 Wir dürfen uns gegenseitig ein Ort der Geborgenheit sein.

6 Wir dürfen in unserer Seele alles gelten lassen, was leben möchte, auch dann, wenn es noch nicht fertig, klein, unausgebildet und unreif ist.

7 Wir dürfen darauf vertrauen, dass wir das Recht besitzen, so zu existieren, wie das Leben uns geschaffen hat.

8 Wir dürfen die verborgene Größe erkennen in dem, was uns oft so klein vorkommt und wir dürfen in allem den Willen des Lebens annehmen.

9 Wir dürfen unser Leben als einen Weinberg betrachten, dessen Früchte zur Vollendung heranreifen und die der Verherrlichung des Lebens dienen.

10 Wir dürfen die Worte, die wir miteinander tauschen, so sanft sein lassen wie der Sommerwind.

11 Wir dürfen unsere Augen so warm und hell scheinen lassen wie die Sonne am Himmel.

12 Wir dürfen das Tun unserer Hände so befruchtend sein lassen wie der Morgenregen und so erfrischend wie der Tau auf den Blättern,

In jeder Woche setzte Radulf eine Einladung zu dieser Gruppe in die Zeitung, aber es kam monatelang niemand hinzu, sodass Radulf und Akbash alleine in der Wohnung von Akbash saßen. Nicht dass sie sich gelangweilt hätten, im Gegenteil, ihre Gespräche waren jede Woche spannend und aufregend und sie waren glücklich, dass sie sich gefunden hatten.

Manchmal kam jemand ein- oder zweimal, blieb dann aber wieder fort. Erst nach einem halben Jahr stieß Miriam zu ihnen und kam dann auch jede Woche wieder. Miriam war eine korpulente Frau mit langem schwarzen Haar, und sie war immer ganz in schwarz gekleidet, schwarzer Pullover, schwarze Hose und schwarze Schuhe, manchmal auch hohe schwarze Stiefel. Miriam war fünf Jahre älter als Radulf und Akbash, die beide genau gleich alt waren.

Radulf wollte einen Artikel schreiben über „1200 Jahre Dorfgeschichte – Au am Rhein“; nachdem er einige Interviews im Rathaus und mit einigen Bürgern, die er auf der Straße traf, geführt hatte, fuhr er noch zum Rhein, um dort ein wenig spazieren zu gehen. Als er Miriam das erste Mal sah, stand sie dort am Ufer des Rheins und starrte in die Ferne. Aus irgendeinem Grund fühlte sich Radulf von ihr angezogen, stellte sich neben sie und schaute ebenfalls in die Ferne. Es dauerte sehr lange bis Miriam sagte:

Was willst du?

Leben!

Miriam drehte sich zu ihm hin und schaute ihn an, Tränen liefen über ihre Wangen. Radulf legte seine Arme um sie, doch Miriam war zu schwach, diese Umarmung zu erwidern; ihre Arme hingen kraftlos herunter und ihre Tränen liefen nun, als sei ein Staudamm gebrochen. Dabei gab sie keinen Laut von sich, es herrschte vollkommene Stille, Totenstille, selbst die Zeit war gestorben. So hätte keiner von beiden sagen können, wie lange sie dort standen, bis Radulf sagte:

Es wird kalt, wollen wir nicht irgendwo einen heißen Tee trinken und uns ein wenig unterhalten?

Wir können zu mir gehen, ich wohne in Au in der Kapellenstraße, aber ich habe nur grünen Tee.

Gemeinsam gingen sie zurück zum Parkplatz, Miriam fuhr mit ihrem Auto voraus und Radulf fuhr hinterher. Sie hatte eine schöne kleine Einliegerwohnung in der Kapellenstraße in Au am Rhein, nur wenige Minuten vom Rhein entfernt. Miriam machte einen Tee und dann saßen sich beide einander gegenüber. Wieder herrschte vollkommene Stille bis Miriam anfing zu sprechen, leise, ganz leise, damit niemand sie hören konnte.

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