Fast wäre ich auf eine so schöne Blume getreten. Sie muss die letzte sein, die noch blüht. Mit ihrem zarten Rosa pflücke ich sie aus der Erde und laufe dem wunderschönen Mädchen hinterher. Ich greife nach ihrer Hand und halte ihr die Blume unter die Nase. Sie lächelt mich an, zart riecht sie daran. Ich stecke sie in ihr Haar. Sie sieht aus wie eine schöne Braut. Wie das Bild meiner Mutter, als sie mit meinem Vater vor dem Altar stand. Sie liebt dieses Bild, weswegen es auch das Nachttischchen neben ihrem Bette ziert.
Wir gehen das Feld entlang und steigen einen Hügel empor, der sich inmitten der Landschaft erstreckt. Auf ihm ruht ein schöner, kräftiger Baum, der dem Winde braune Blätter schenkt, die in weite Ferne fliegen und die Erde an seinem Fuße für unsre Rast auskleiden. Er scheint das Ziel der Wanderschaft zu sein. Welch schöne Aussicht uns auf diesem Hügel geboten wird! Ich lege mich auf das braune Blätterkleid und blicke in den Himmel, wo meine Vergangenheit ruht, von dort aus ich einst herunterfiel auf diese grausame Welt.
Über den weißen Wolken war meine Welt, die ich doch so sehr vermisse, dort, wo mein Schiff einst stolz flog. Bei Tag und bei Nacht flogen wir. Wir waren eine der letzten, der alten Staffel, bis auch uns das Schicksal heimsuchte. Wir flogen für den Führer. Wir flogen für unser Reich, doch belohnt werden wir mit dem Tode. Auf einen Schlag kann all der Stolz Geschichte sein und eine ganze Welt in sich zusammenfallen. Wir haben viele solcher Schläge zu verantworten. Ich habe sie zu verantworten.
Ich blicke in die Sonne und erblicke blinzelnd Lunas Gesicht. Sie sieht auf mich herab. Sie kniet sich in die Wiese und legt sich auf meinen Bauch. Nun liege ich unten. Ich bin kein Soldat mehr, sondern ihr Mann. Ich werde bis in alle Ewigkeit treu sein und mein Versprechen halten. Sie hat ihren Kopf auf meine Brust gelegt wie die Soldaten, als sie sehen wollten, ob man noch lebte. Doch unsere Herzen schlagen für immer. Sie schlagen für den anderen, sie schlagen für uns. Wir liegen so dar, in den Trümmern der Welt und warten ab.
13.
Ja, so vergehen die Tage. Ich und meine Luna können unsere Zeit glücklich verbringen und die Arbeit bringt uns etwas zu essen und den Frieden. Etwas Italienisch habe ich schon gelernt und Luna bringt mir immer neue Wörter bei. Ich kann mich schon mit viel Mühe verständigen und alles scheint viel leichter zu werden.
Meine Luna verträgt sich gut mit der Alten und dem Kind, doch ich bin ihnen nicht ganz geheuer.
Ich habe gelernt, mit dem großen Vieh umzugehen. Das stolzeste von allen Tieren ist eine Stute, der ich alles erzähle und die mir immer zuhört. Sie ist jung, zahm und fühlt sich zu mir hingezogen. Immer, wenn sie mich sieht, scheint sie aufgedreht zu werden. Und jedes Mal, wenn ich diese schöne, junge Stute ins Freie lasse, läuft sie wie ein wilder Stier und stellt sich auf die Hinterbeine, als wolle sie in den Himmel reiten. Immer beobachte ich es. Geritten wurde sie noch nie. Viel zu jung und zu wild ist sie. Sie wird wahrscheinlich im Sommer die Äcker pflügen, doch das Reiten will ihr niemand lehren. Doch ich will mich eines Tages auf ihren Rücken wagen und ihr zeigen, wie ein schönes Pferd einen Reiter zu tragen hat.
Schon lange trage ich nicht mehr die Uniform des Toten. Die Bäuerin gab mir eine braune Hose und ein weißes Hemd. Die Sachen sind von ihrem Sohn, dessen Bild ich damals betrachtet habe. Er ist in den Krieg gezogen, doch die Alte scheint noch Hoffnung zu haben, ihn eines Tages wieder zu sehen. Sie betet jeden Abend für ihn, hat mir meine Luna erzählt. Ihr Sohn und die kleine Viola scheinen noch Licht in ihr altes Leben zu bringen. So wie mein Mädchen auch mir das Licht brachte.
Wenn mir alles zu viel wird, setze ich mich auf den Heuboden und blicke in die Ferne. Mein Gemüt schreit oft nach Momenten, in denen ich für mich bin und etwas Ruhe finde, in all der Ruhe dieser Welt. Oft blicke ich einfach auf die Felder und denke über alles nach – und dann wieder an nichts, denn alleine die Gedanken, die mir in den Sinn kommen, kann ich nicht mehr ertragen, sie passen nicht hierher.
Alles kommt in mir hin und wieder hoch. Das ganze Grauen des Krieges. Meine Geschichte und die Erinnerung an die vielen Menschen. Ich sehe immer wieder ihre Gesichter. Oft habe ich den gleichen Traum. Er handelt von meinem letzten Flug mit meinen Männern. Immer wieder muss ich in ihre Gesichter blicken. Ich möchte nur zu gerne wissen, was mit ihnen allen geschehen ist. Mein Traum endet, wenn ich mit meinem seidenen Schirm durch den dunklen Nebel fliege und meine Kameraden durch die schwarzen Wölkchen der Flak aus den Augen verliere. Immer fühle ich die Angst in mir und frage mich, warum denn ausgerechnet ich der bin, der heil ist. Es ist die Frage nach dem Sinn, die Frage nach dem, was noch kommen wird. Die Frage nach dem Schlag des Feindes Rache, die allem Tatendrang entsprang. Es ist die Frage, die im Graben niemals kam in meinen Sinn, denn das Leben war es doch, das größte Gut eines Soldaten. Doch die Antwort kenne ich nicht, sie liegt mir nicht zugrunde. Es ist ein Fass, das in sich reicht, man kommt, wo man gewesen ist.
Es ist allein der Glaube, der ihn schenkt, den Sinn in dieser furchtsamen Welt. Es ist der Sinn, der mir geboten, den ich nicht akzeptieren will. Ich trete ihn mit Füßen fest und hoffe auf Frieden mit mir selbst in all den Trümmern dieser Welt, wachend in kriegerischer Zeit.
So dankbar ich seiner Güte bin, so kann ich es nicht glauben, ich fürchte mich vor dem, was kommt, es ist nur eine List. Er schenkte mir das Hab und Gut, mit Mädchen an dem Arm, wo ist der Grund des Grabens nur, in den ich ahnlos falle.
Ich frage schon die ganze Zeit, ist all das hier die Wirklichkeit, wenn ich die vielen Farben sehe, die mir das Leben bietet. Wie ein Käfig scheint es hier von Leid und Tod umgeben, in Ferne hört man sie wild kriegen, es wie kein Entkommen scheint.
Und wird das Vöglein übertönt von Bomben und Granaten, das Singen in Schüchternheit verstummt, von grollender Erinnerung.
Doch achtet er auf uns zwei hier, auf mich und mein Mädchen, wenn der Frieden uns verlässt, bin ich bereit zu gehen.
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