Sie umarmte Christian innig und presste ihren weiblichen Körper gegen seinen. Christian küsste sie leidenschaftlich.
„Na, ein Engelchen scheinst du mir gerade nicht zu sein, eher ein Teufelchen. Aber wir haben keine Zeit mehr, das herauszufinden, ich habe gesagt, wir sind in zwanzig Minuten da.“
Verena lehnte sich lasziv gegen den Türrahmen und begann sich auszuziehen.
„Dann solltest du nicht zögern, mein Schatz.“
Christian konnte Katja für diesen einen Moment vergessen. Mit ein paar Minuten Verspätung kamen sie im Weingut an.
„Ich habe Hunger und brauche Kaffee, wie gut, dass ihr endlich da seid“, sagte Arne und sah schon ganz schlapp aus, so, wie er auf dem Tisch zusammengebrochen war.
Nelly eilte zu Arne und half ihm, sich wieder aufzurichten. Dann rannte sie zu Christian und fiel ihm um den Hals. Er drückte sie an sich und Katja sah eine Träne in seinem Augenwinkel.
„Es tut mir leid, aber Verena hat im Bad getrödelt. Schön, dass ihr da seid.“
Christian reichte Arne die Hand und küsste Katja auf die Stirn. Verena hatte einen dicken Kloß im Hals, so greifbar war die Liebe ihres Freundes zu dieser Frau. In ihr erwachte die Eifersucht und mit ihr der Kampfgeist.
„Gib ruhig mir die Schuld, wir wollen ja niemandem verraten, dass wir aus einem ganz anderen Grund nicht losgehen konnten.“
Dabei sah sie Katja an und zwinkerte. Christian hatte nur Augen für Nelly, so sah nur Benjamin die Bosheit in Verenas Augen aufblitzen. Oh weh, dachte er, das kann nicht gutgehen. Aber Katja hielt sich wacker und ging nicht auf die offene Provokation ein. Sie fasste nach Arnes Hand und küsste ihn.
„Ja, das verstehe ich, nicht wahr, Schatz?“
Benjamin schüttelte den Kopf und bat alle zu Tisch. Die beiden Frauen hatten ihre Territorien abgesteckt. Man musste abwarten, wie das weitergehen würde. Er dachte: Wenn jetzt noch Luise hier auftaucht …
Benjamin goss Kaffee ein und teilte Kuchen aus.
„Iih, Rosinen“, rief Nelly entsetzt und spuckte einen braunen Krümel auf den Teller. „Nelly mag keine Rosinen. Nur Schokolade.“
Verena lächelte und beugte sich zu ihr herüber.
„Dann werde ich das nächste Mal einen Schokoladenkuchen für dich backen, kleine Prinzessin. In Ordnung?“
Nelly nickte und kuschelte sich an Christian, auf dessen Schoß sie sich gesetzt hatte.
„Bist du mein Papa?“
„Ja, meine Kleine, ich bin dein Papa. Erst war Benjamin dein Papa, jetzt bin ich es. Verstehst du das?“
Nelly nickte.
„Und die Tante Verena ist meine Freundin. Ist sie auch Nellys Freundin?“
Nelly nickte wieder. Danach lächelte sie Katja an, die die ganze Zeit am Tisch nichts gesagt hatte.
„Mama und Arne, Papa und Rena.“
„So ein schlaues Mädchen! Mein schlaues Mädchen.“
„Und Onkel Benjamin und Benni.“
Nun brachen alle in Gelächter aus, denn Nelly hatte alle Personen in Paare eingeteilt, wie sie es verstand. Christian küsste seine Tochter auf die Nase und setzte sie zu Benni auf den Boden. Sie liefen die Treppe hoch in Nellys Kinderzimmer.
„Ich möchte Nelly ein Kinderzimmer einrichten“, sagte Christian nun feierlich. „Dann kann sie auch mal bei uns übernachten. Wie wäre es denn, Katja, wenn du das mit Verena zusammen machst? Ihr habt als Frauen doch einen besseren Geschmack.“
Die beiden sahen sich an und nickten.
„Prima, mein Arbeitszimmer muss weichen, das Mädchenzimmer ist wichtiger. Also tobt euch richtig aus.“
„Und wenn ihr dafür unterwegs seid“, mischte sich Arne jetzt ein, „möchte ich hier im Weingut helfen, auch mal Wein lesen. Geht das, Benjamin?“
„Klar, du darfst gerne morgen um fünf aufstehen und mit rausgehen. Olivier wird dir alles erklären.“
„Was werde ich erklären?“, vernahmen alle eine Stimme von der Tür her und drehten sich um.
Im Türrahmen erschien Olivier, verschwitzt und erschöpft von der Arbeit. Seine Augen leuchteten, als er die Besucher sah. Er trat an den Tisch und begrüßte Katja und Arne herzlich.
„Wie geht euch?“
„Es ist alles gut, Olivier, ich habe gehört, du bist sehr fleißig? Arne möchte dir gerne morgen im Weinberg helfen.“
„Gut, kommst du mit in Arbeiten. Aber musst du gut aufstehen. Ganz in frühen Morgen.“
Sein Deutsch war holprig, aber auch lustig anzuhören. Er konnte jetzt alles verstehen und wusste immer, sich auszudrücken. Der alte Heise hatte schon mehrfach bei Marie und Benjamin angerufen, um nur Gutes zu hören über den zukünftigen Chef des Weingutes in Fréjus. In den nächsten Wochen würden er und Benjamin den neuen Wein machen und beide freuten sich auf das, was sie voneinander lernen konnten.
Olivier setzte sich an den Tisch, bekam Kaffee und Kuchen und zog sich danach zurück, um unter die Dusche zu gehen. Christian spielte draußen mit Nelly, Katja und Verena räumten den Tisch ab, Benjamin hatte sich ins Büro zurückgezogen, um die Post von heute durchzusehen.
„Ich denke, wir werden keine Freundinnen“, begann Verena, „aber Nelly zuliebe sollten wir uns einigermaßen verstehen. Was denkst du?“
„Ich glaube, wir sind erwachsen und schaffen das.“
Katja hatte nicht vor, sich auf längere Gespräche mit Verena einzulassen. Sie fühlte ihre Feindseligkeit beinahe körperlich. Katja dachte: Sie muss sich prima verstehen mit Luise, so wie sie mich beide hassen.
„Wollen wir uns morgen um das Kinderzimmer kümmern?“
Katja nickte und stellte den Geschirrspüler an.
„Es eilt ja nicht, aber wir können morgen alles ausmessen. Nelly hat solange hier ein schönes Zimmer und sie fühlt sich bei Benjamin wohl.“
„Das stimmt schon, aber das Kind gehört zu seinem Vater, nicht zum Onkel. Komm doch nach dem Frühstück herüber. Christian ist sowieso mit bei Benjamin. Oder noch besser: Ich lade dich zum Frühstück ein.“
Katja schluckte ihren Ärger hinunter und willigte ein. Sie hatte ja Benjamin versprochen, sich vernünftig zu verhalten. Dazu gehört wohl auch, sich mit Verena zu arrangieren.
„Gut, ich bringe die Brötchen mit.“
Katja und Verena sahen sich feindselig an, aber sie wussten, dass sie beide einen Schritt aufeinander zumachen mussten: Katja wegen Nelly, Verena wegen Christian.
Die ersten zwei Tage verliefen recht friedlich. Katja hatte mit Verena gefrühstückt, dann waren sie in Christians Arbeitszimmer gegangen und hatten es ausgemessen. Verena hatte alle Maße notiert. Später saßen sie am Boden vor dem großen Fenster und blätterten in Katalogen, um Ideen für die Gestaltung des Raumes zu besprechen.
„Ich finde ein rosa Mädchenzimmer total abartig. Nelly braucht so etwas nicht.“
„Ganz meine Meinung, Verena. Das Zimmer bei Benjamin ist sehr schön und ich würde es toll finden, wenn wir den Stil hier wiederholen können. Komm, wir fahren in den Baumarkt und kaufen Farbe. Die Männer müssen heute Abend alles ausräumen.“
Man hätte die beiden Frauen für Freundinnen halten können, als sie einträchtig durch die Farbabteilung des Baumarktes bummelten. Am Ende hatten sie einen großen Eimer weiße Farbe und einen kleinen Eimer sonnengelber Farbe im Wagen. Mit Abdeckplanen, Pinseln und Rollen war der Einkauf perfekt.
Sie gönnten sich eine Tasse Kaffee beim Bäcker nebenan. Katja telefonierte kurz mit Bea und berichtete von ihren Plänen. Bea bot ihre Hilfe beim Malern an.
„Das ist lieb von dir, aber Verena und ich schaffen das schon. Wir sind ja zwei tatkräftige Frauen.“
Verena lächelte honigsüß dazu und dachte sich ihren Teil. Sie fuhren zurück und stellten die Farben ins Haus. Danach verabschiedete sich Katja und ging zu Fuß ins Weingut. Nelly war zuerst bei Benjamin in der Vinothek geblieben und nun sah Katja, dass Ursula Heunbach mit ihr in der Küche saß und malte. Die alte Dame war entzückt über das süße, kleine Mädchen.
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