„Du musst ja Kohle haben!“
„Sponsored, Alex.“
„Na denn. Man kann sich‘s ja leisten!“
Kurze Zeit später kommen sie an das Ende des mit Bäumen umsäumten Wallweges.
„So, dann biege ich hier mal ab, wir sehen uns spätestens am Montag, Jan.“
„Ja der Montag. Habe ich schon gesagt, dass ich darauf überhaupt keine Lust habe?“
„Du erwähntest es bereits. Aber es kommt doch eh alles anders als man denkt, oder? Hat das nicht irgendein Dichter mal verfasst?“
„Da war was, bis denne, Alex.“
„Ciao Jan.“
Jan verschwindet durch die Rünkelstraße, einer direkten Verbindung zum Markt, in Richtung seines Zuhauses. Dort, am anderen Ende der Stadt, betritt er das Elternhaus. Seine Eltern sind aber noch nicht von der Arbeit zurück. Er geht in sein Zimmer und legt sich auf sein Bett, setzt die Kopfhörer auf und hört Musik. Als er nach einer Weile gerade einzuschlafen droht, klopft es an der Tür.
„Jan, bist du da?“, ruft sein Vater, der nun, von der Arbeit zurück, im Flur steht.
„Ja, bin da!“, antwortet er, nachdem er bei einer leisen Passage seiner Musik den Klopfruf seines Vaters hörte. Er setzt die Kopfhörer wieder ab und bittet ihn herein.
„Du bist schon da?“
„Darf ich nicht?“
„Doch, natürlich.“
„Was machst du bei einem solchen Wetter hier im Haus?“
„Schon vergessen? Ich habe gleich Fahrschule.“
„Oh ja, stimmt. Dann mal viel Spaß bei deiner ersten Theoriestunde“, erwidert er und verlässt den Raum wieder.
Jan legt sich erneut auf sein Bett und blickt an die Wand, wo unter anderem einige seiner selbst gemalten Ölbilder hängen. Zwischen all diesen teils sehr guten Werken, blickt er auf ein kleines Kreuz, dass er zu seiner Firmung bekommen hat. Dabei denkt er an Simone und den heutigen Ereignissen in der Schule. Er fühlt sich schlecht.
„Das Kreuz muss weg!“, flüstert er.
Kaum gesagt, ist es auch schon verschwunden. Er wirft es erst einmal auf seinen Schreibtisch, der vor dem Zimmerfenster, sonnenbestrahlt da steht.
„Mist das wir kein Internet haben, dann wäre das Leben bestimmt einfacher. Ich könnte mich dann mal über die ganze Sache informieren. Aber meine Eltern wollen das ja nicht“, denkt er so vor sich hin. „Aber was nicht ist?!“
Nach einer depressiven minutenlangen Pause meint er weiter:
„Na komm, ich gehe mal los zur Fahrschule.“
Wie gesagt so getan. Er steht auf und verlässt das Haus. Damit war es das dann auch mit dem Freitag. Auch der Samstag bringt immer wieder dieses Kribbeln. Die Ablenkung in Form des Radfahrens bringt aber keine wesentliche Besserung. Er kann einfach nicht den kommenden Montag abwarten, an dem er vielleicht eine Erklärung auf seine Fragen bekommt. Doch wie soll er mit der Wahrheit klarkommen, wenn diese gegebenenfalls nicht seinen Erwartungen entspricht. Denn es schwebt immer noch das Damoklesschwert der Braunen über seinen Gefühlen. All das zerstreut ihn doch sehr. So sehr, dass er glatt vergessen hat, sich vor der Radtour gegen die Sonne einzucremen. Den Endeffekt bekommt er am Abend nach seiner Rückkehr zu spüren. Denn da wo seine Armbanduhr den Arm umschloss, klafft nun ein runder weißer Fleck.
„Wo warst du denn?“, fragt ihn seine Mutter, die ganz erschrocken schaut. „Hast du den ganzen Tag in der Sonne gelegen?“
„War mit dem Rad in Emmerich. Hab aber leider vergessen mich vorher einzucremen.“
„Das sieht man. Bist ganz schön rot. Das muss doch höllisch wehtun!“
Kurz berührt sie Jans Haut an der extrem roten Stelle im Nacken.
„Au! Lass das!“
„Du siehst ja aus wie ein rot gekochter Hummer.“
„So fühle ich mich auch.“
„Ja, selbst Schuld kann man da wohl nur sagen, oder? Creme die Haut aber jetzt nachträglich noch mal mit Feuchtigkeitscreme ein, ja?“
Dann verlässt sie sein Zimmer wieder.
„Und, das Essen ist gleich fertig!“, ruft sie nochmal zurück, als sie schon fast wieder in der Küche verschwunden ist.
„OK, ich komme gleich!“
Kapitel 2
Die Reise beginnt
Nun ist es endlich soweit. Es ist Montagmorgen, sehr früh. Die Sonne lässt gerade ihre ersten Strahlen tief im Osten durch die dünnen Schleierwolken blicken. Aufstehen ist nun angesagt, denn um sechs Uhr fährt schon der Bus von der Bushaltestelle der Schule ab. Sein Köfferchen hat Jan bereits gestern Nachmittag gepackt. Sehr müde schiebt er sich ein letztes Butterbrot zwischen die Zähne und taumelt danach zur Schule. Er ist aber nicht der Einzige, der so übermüdet die Straße bevölkert. Auch Alex sieht nicht sehr agil aus. Denn der hat am gestrigen Abend noch sehr lange an der Spielekonsole gezockt. Abreagieren nennt er das. Jan stellt sein Gepäck auf dem Schulhof unter einem Vordach ab, direkt neben dem seines Kumpanen.
„Na, alles Fit?“, spricht ihn Alex mit einer leicht müden Aura an. Augenringe umschließen seine Sehorgane.
„Geht’s dir wieder besser? Mit dir war am Freitag ja mal gar nichts los.“
„Mir geht’s gut“, erwidert Jan, „Alles wieder Fit im Schritt.“
„Bin ich müde!“
„Hast gestern wieder zu lange gezockt, wa? Alter, dein Papi hat doch letztens gesagt, dass du nicht so lange aufbleiben sollst“, meint Jan mit einem sarkastischen Unterton.
„Mach dich nicht unbeliebt, mein Guter!“, kontert Alex und meint daraufhin weiter: „Oh, schau mal, da hinten kommt Simone. Nur so zur Info.“
Jan dreht sich um und sieht, dass sie wirklich daher kommt. Mit Koffer.
„Jaan, Simooone kommt!“
Alex schüttelt ihn dabei an den Schultern.
„Ja, ich seeehe es doooch. Du brauchst mir das nicht zweimal sagen.“
Jan kribbelt es erneut in der Magengegend. Sie kommt auf die beiden zu.
„Hallo Jan, hallo Alex“, sagt sie und schaut Jan dabei mit einem leichten Lächeln tief in die Augen.
„Kann ich dich mal kurz sprechen?“, erwidert Jan.
„Natürlich, was ist denn?“
Er blickt zu Alex, der mit einer neugierigen Miene interessiert zu den beiden herüber schaut.
„Alex, alleine, bitte!“
„Oh Mann. OK, ich hau ja schon ab. Pack meine Sachen schon mal in den Bus.“
Dann dreht er ab und verschwindet in Richtung Bushaltestelle.
„Was ist denn los Jan?“
„Du sagtest ja, dass ihr Heiden seid, richtig?“
„Ja, und weiter?“
„Versteh mich nicht falsch, aber ihr gehört nicht zu den braunen Glatzen, oder?“
„Sag mal, spinnst du? Wir haben doch nichts mit diesem Pack zu tun. Wie kommst du denn darauf?“, reagiert sie forsch.
„Nun ja, die Müller warnte uns am Freitag vor Naziaktivitäten an den Externsteinen. Sie meinte, die würden da regelmäßig Treffen abhalten, wegen heidnischem Kult und so. Jetzt erzähltest du, Heiden treffen sich da auch regelmäßig und da kam bei mir halt dieser Gedanke auf.“
„Mit den braunen habe ich und meine Familie so viel zu tun wie die Sonne mit flüssigem Stickstoff. Wir verabscheuen die. Die ziehen mit ihrem rechten Gedankengut die gesamte nordische Mythologie in den Dreck. Wegen denen haben wir so einen schlechten Stand in der Gesellschaft. Aber kein Problem, wenn du das nicht wusstest. Das kommt öfter vor, dass manche Leute einen dumm anschauen. Die Medien tun nun mal ihr bestes. Von wegen Unabhängigkeit und unzensiert! Ich bringe meine Sachen schon mal in den Bus. Wir sehen uns dann später. OK?“
Sie dreht ab und rollt ihr Köfferchen zur Haltestelle.
„Hui, wie hat die denn reagiert. Das war doch nur eine einfache Frage. Nun ja, wenn mich jemand für einen Rechten halten würde, wäre ich sicher auch nicht so begeistert“, denkt er beim Laufen so vor sich hin und packt dann auch sein Gepäck in den Bus. An der Haltestelle macht sich bereits eine allgemeine Aufbruchsstimmung breit. Alles wird hektisch im Bus verstaut und jeder reserviert sich mit seiner Provianttüte bereits einen Sitzplatz.
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