Susanne Ziegert
Störtebekers Erben
Kriminalroman
Inselmörder Auf dem Friedhof der Insel Neuwerk liegt der beliebte Kaufmann Peter Hein in seinem Blut – sein abgetrennter Schädel wurde auf einen Zaun gespießt. Die Hamburger Kommissarin Friederike von Menkendorf übernimmt den Fall. Ein Schatzgräber ist verdächtig, denn er hat mittelalterliche Dokumente über Störtebeker vom Opfer in seinem Besitz und wurde am Tatort gesehen. Doch dann schlägt der Mörder ein zweites Mal zu. Das Opfer ist Hamburgs Umweltsenator, der die Gegend mit einem gigantischen Hafenausbau zubetonieren wollte. Die Polizei sucht fieberhaft nach Verbindungen zwischen den beiden Männern, um weitere Taten zu verhindern, während die Insulaner schweigen. Die Malerin und Leuchtturmhüterin Margo Valeska stellt eigene Recherchen an. Dabei stößt sie auf Jugendliche, die vor Jahren Piraten spielten und gestrandete Schiffe ausraubten. Zudem entdeckt sie ein schreckliches Geheimnis und vermutet eine Verbindung zu den Morden, doch die Polizistin glaubt ihr nicht. Wird der Mörder erneut töten?
Susanne Ziegert wurde im Erzgebirge geboren und wuchs in Leipzig und Plauen im Vogtland auf. Zwei Tage vor dem Mauerfall floh sie in den Westen, um endlich Paris zu sehen. Nach ihrem Studium in Aix-en-Provence in Südfrankreich arbeitete sie mehrere Jahre in Brüssel und zog dann nach Berlin, wo sie eine Stelle als Reporterin bei der Berliner Morgenpost antrat. Seit 2019 lebt Susanne Ziegert mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Pferden und Eseln in einem alten Bauernhof im Landkreis Cuxhaven und in Berlin.
Sie arbeitet als Journalistin für die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag und Konferenzdolmetscherin. Schreiben war ihr von Kleinauf ein Bedürfnis. Als Kind verfasste sie Briefe in alle Welt, Tagebücher sowie einen Roman über die Stadt der Liebe. Schon damals träumte sie davon, einmal Schriftstellerin zu werden.
Dieses Werk wurde vermittelt von der Agentur
EDITIO DIALOG, Dr. Michael Wenzel
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
3. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Dirk70/photocase.de
ISBN 978-3-8392-5690-9
Heimatlos! Wie weh’ das klingt.
Namenlos ins Grab gesenkt.
Das kein Mutterarm umschlingt,
Dem kein Bruder Blumen schenkt.
Ach, im Wind der diesen Stein,
Diesen Hügelsand umweht,
Wird manch banges Klagen sein,
Das euch weinend suchen geht.
Aber reiht sich himmlisch schön,
Nächtens oben Licht an Licht,
Taut’s wie Trost aus jenen Höh’n:
»Heimatlose seid ihr nicht.«
Gustav Falke,
Inschrift auf dem Friedhof der Namenlosen
Schwarz hoben sich die Umrisse der Holzkreuze vor dem Lichtschimmer des Leuchtturms ab. Ein kalter Westwind fauchte über den Deich, aber hinter dem Schilfwall, im Schutz der kreisförmig gepflanzten Erlen, war es fast windstill, und die Insel wirkte wie ausgestorben.
Nur ein paar Pferdeäpfel auf dem Platz vor dem Leuchtturm erinnerten noch an den Trubel des Tages. Bei Ebbe, wenn sich das Meerwasser zurückgezogen hatte, schoben sich gelbe Pferdewagen in einer Reihe die steile Auffahrt an der Insel hinauf über den Pflasterweg und setzten schließlich die Tagesbesucher vom Festland auf dem Platz vor dem Leuchtturm ab. Paul hatte das Hallen der Pferdehufe gehört und aus dem Fenster zugesehen, wie sich der Platz bevölkerte und die Touristen zu einem Schnelldurchgang der Sehenswürdigkeiten aufgebrochen waren.
Vor dem Laden des Inselkaufmanns am Platz vor dem Leuchtturm hatte sich eine längere Schlange gebildet. Mit Fischbrötchen und Bier ließen sich die ersten Besucher trotz der herbstlichen Temperaturen vor dem Laden auf den Holzbänken nieder, Grüppchen waren über den Deich spaziert und hatten das Tor zu dem kleinen Friedhof der Namenlosen geöffnet, wo seit Jahrhunderten Unbekannte bestattet wurden, die im Meer den Tod gefunden hatten.
Erleichtert hatte Paul gehört, wie ein Kutschfahrer mit einer Glocke die nahende Flut ankündigte. Nicht einmal zwei Stunden dauerte der Trubel Tag für Tag, rechtzeitig vor der auflaufenden Flut trabten die schweren Kaltblüter mit den Gästen auf den hohen gelben Wagen zur Küste zurück. Danach waren die Insulaner und die wenigen Übernachtungsgäste wieder unter sich.
Nach Einbruch der Dunkelheit schlich sich Paul die hölzernen Stufen des alten Leuchtturms hinunter und setzte dabei seine Stirnlampe auf. Nun würde er endlich ans Ziel kommen. Schon seit Jahren hatte er auf diesen Moment hingearbeitet. Zum Glück hatte niemand seine Ausrüstung entdeckt, die er im dichten Unterholz hinter dem Leuchtturm deponiert hatte. Er schleppte die Tasche zum zweiten Mal am unbeleuchteten Weg hinter dem derzeit unbewohnten Schullandheim entlang, querte schnellstmöglich den beleuchteten Mittelweg zum Nationalparkhaus und nahm dort den abgesperrten Schleichweg über die kleine baufällige Holzbrücke. Ihn trennten nur noch wenige Meter vom Eingang des Friedhofs, er suchte den über ihm verlaufenden Deich ab, konnte aber niemanden entdecken. Voller Ungeduld hatte er an diesem Abend bereits in der Dämmerung einen ersten Versuch unternommen und gerade alles ausgepackt, als ein laut streitendes Paar über den Deich gelaufen kam. Sie setzten ihre Abrechnung ausgerechnet vor dem kleinen Friedhof fort.
Er wartete geduckt hinter dem Gedenkstein, einem wuchtigen Findling mit einer Bronzetafel in Form eines Rettungsrings und einem daraufgesetzten hölzernen Kreuz in der Mitte des kreisförmig angelegten Friedhofs. Jemand hatte dort drei rote Grabkerzen aufgestellt und Blumen abgelegt, vielleicht jemand, der Angehörige in der Nordsee verloren hat, grübelte er und betrachtete die beiden Reihen schlichter Holzkreuze um den Findling herum. Jedes stand für einen Toten, der im Watt aufgefunden oder an die Ufer der Insel gespült worden war. Nur ein Holzkreuz war etwas mächtiger als die anderen, mit einer Holzschnitzerei verziert und mit einem Namen versehen. Der Sprössling einer reichen Bremer Familie war mit seiner Segeljacht im Watt gekentert und ertrunken, das hatte ihm ein älterer Insulaner erzählt, der Stammgast beim Kaufmann war.
Paul kauerte immer noch in seinem Versteck und versuchte, seine Beine abwechselnd zu lockern. Er sah in Richtung der kleinen Brücke, vor der sich der Eingang befand. Er konnte das Paar wegen des Windes nicht verstehen, doch ihre Stimmen klangen versöhnlicher, sie schienen ihn nicht entdeckt zu haben. Fast eine halbe Stunde hatte er gewartet, bis sich die beiden entfernt hatten, da nahte noch eine Gruppe Urlauber auf dem Deich, die den rot zerlaufenden Sonnenball hinter der markanten Silhouette des Turms ablichten wollten, und ihr Stativ aufbauten. Paul hatte sein Vorhaben schließlich um ein paar Stunden auf den späten Abend verschoben.
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