„Persisches Gold. Verrat!“ mutmaßte Attalos und ließ sich vom Pferd gleiten, und seine beiden Reiter taten es ihm schnaufend nach.
Wir gingen zu einem Arzt, den uns der Wirt der Taverne nannte und dieser versorgte die Wunde, die zwar schlimm aussah, aber nicht lebensgefährlich war.
Danach gingen wir zum Hafen und brachten unsere Pferde an Deck der Triere. Der Kapitän hatte einen Verschlag vorbereitet, so dass wir unsere Tiere problemlos über das Meer bringen konnten. Um jedem Ärger aus dem Weg zu gehen, beschlossen wir an Bord zu bleiben. Es war ein Lastenschiff, das mit hundertsiebzig Mann bestückt war und drei Ruderreihen hatte. Wir würden die Meerenge in wenigen Stunden überqueren. Die Mannschaften waren jedoch noch in den Tavernen. Am Heck, vor der Kapitänskajüte, hatten wir uns so gut es ging ein Lager bereitet. Der Kapitän ließ uns Wein bringen und er war nicht so schlecht, wie wir befürchtet hatten. Der Käse allerdings war für einen Makedonen aus den Bergen etwas sehr streng. Aber wir waren nicht verwöhnt und aßen mit Heißhunger den Käse, das ölgetränkte Brot und die köstlichen Oliven.
Mittlerweile war es Nacht geworden und die Lichter der Kneipen am Hafen spiegelten sich im Wasser. Schließlich verebbte der trunkene Lärm aus den Tavernen und ich wurde müde und schlief ein. Ein warmer Hauch an meinem Ohr weckte mich.
„Irgend etwas geht hier vor“, flüsterte Phokis.
„Was ist los?“
„Hör nur.“
Nun hörte ich, wie Holz gegen das Schiff stieß und ein kratzendes Geräusch, als wolle eine Katze einen Baum hochklettern.
„Du meinst …?“
„Könnte doch sein.“
„Weck die anderen. Aber leise.“
Als diese begriffen hatten, worum es ging, robbten wir uns auf die Steuerbordseite, wo das Geräusch herkam. Doch noch bevor wir diese erreichten, sprang gleich ein Dutzend Gestalten auf unser Schiff. Wir sprangen hoch und ich warf dem Erstbesten mein Messer in die Kehle. Denn dass er mit uns ein Nachtmahl einnehmen wollte, war kaum anzunehmen. Den zweiten erledigte ich mit dem Speer. Attalos, Phokis und die Agrianen waren auch nicht faul und bald hatten wir das Deck freigekämpft. Als der Kapitän mit einigen seiner Matrosen erschien, lagen acht unserer Verfolger, auch sie in den typischen Rüstungen griechischer Hopliten, tot auf den Brettern. Drei waren geflohen. Einer kroch leicht verletzt über die Planken und wir nahmen ihn uns noch einmal vor. Phokis verabreichte ihm ein paar von seinen Backpfeifen und drohte:
„Das ist erst der Anfang! Junge, in wessen Auftrag handelt ihr?“
Natürlich war der Gefangene erst einmal verstockt und wollte nicht reden. Aber nachdem Phokis ihn unsanft in einen Eimer voller Fäkalien gestoßen hatte, wurde er recht auskunftswillig. Schließlich kam heraus, dass der angebliche Fürst ein Abgesandter des Memnon war, dem Anführer der griechischen Söldner, die den Persern dienten.
„Also doch persisches Gold?“ zweifelte Attalos. „Doch woher wusste er von der Botschaft an Parmenion?“
„Keine Ahnung. Aber natürlich wäre es für die Perser von Vorteil, wenn sie wissen, wann Alexander übersetzt. Memnon braucht nur die persische Flotte hierher zu dirigieren und der ganze Feldzug ist gefährdet. Aber eins wissen wir immer noch nicht. Wer unter den Makedonen ist der Verrräter? Wer konspiriert mit den Persern?“
„Es muss einer aus der Heeresversammlung sein“, sagte Attalos düster.
Phokis versuchte noch mehr aus dem Griechen herauszubekommen, aber er schien wirklich nicht zu wissen, woher Memnon von uns wusste.
„Was machen wir mit ihm?“ fragte Phokis unzufrieden. Die typische Bewegung zum Hals unterließ er diesmal.
„Lass ihn laufen.“
„Nein. Das geht nicht“, wandte der Kapitän ein. „Sie haben mein Schiff überfallen und das kann nicht ungestraft bleiben.“ Ohne noch eine Antwort abzuwarten, stieß er dem Griechen den Dolch in die Kehle und befahl seinen Matrosen die Leiche über Bord zu werfen. Zart besaitet war der Seebär wirklich nicht.
Im Morgengrauen, nachdem die Mannschaften sich mit müden Gesichtern und roten Augen eingefunden hatten, stachen wir mit der ersten Flut in See. Ich war das erste Mal auf dem Meer und geheuer war mir dieses Element nicht. Nach ein paar Gebeten zu Apollon fiel mir ein, dass es besser wäre, Poseidon anzurufen, und ich erledigte auch das noch schnell. Vergeblich war dies nicht, denn die See blieb ruhig. Ich sah es als ein gutes Zeichen, dass bald Delphine lustig das Schiff umsprangen. Mir war, als würden sie mir aufmunternd zulächeln. Der Kapitän, ein Athener, kam zu mir an den Bug.
„Du scheinst einen wichtigen Auftrag zu haben, dass sich Memnon um dich kümmert.“
„Er wird nicht verhindern können, dass Alexander nach Asien kommt.“
„Stimmt das, was man von dem König sagt?“
„Was sagt man denn?“
„Dass nicht Philipp sein Vater ist, sondern der Gott Amun.“
„Es wird viel Unsinn geredet.“
„Stimmt. Unser Demosthenes treibt jeden Tag eine Sau über die Agora. Ich dagegen habe immer zu Philipp gehalten!“ beeilte sich der Kapitän zu sagen. „Ist mir sehr recht, dass Athen unsere Schiffe den Makedonen zur Verfügung stellt. Wird ein gutes Stück Geld bringen. Aber man spricht davon, dass Alexander sich keinen Sommer in Ionien halten wird.“
„Das hofft man wohl? Soviel ist sicher. Er kommt nach Asien. Und mit ihm das beste Heer der Welt.“
„Ihr seid sicher, dass ihr die größte Macht der Erde bezwingen könnt?“
„Wir haben einen großen König.“
Ich sagte noch nicht, dass wir den Sohn eines Gottes zum König hatten. Dieser Gedanke kam erst später auf.
Ich war also Alexanders Schrittmacher und ging vor ihm nach Asien und war mir sicher, dass auf uns Dinge warteten, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Achilleus war zurück auf die Erde gekommen.
Das Land, das am Horizont auftauchte und mit einem schmalen Streifen einen Erdteil ankündigte, würde uns gehören. Dies war unser Kolchis und das goldene Vlies war der König der Perser. Der Wind blähte die Segel und die Ruderer sangen im Takt von Odysseus, dem Listenreichen. Der Strich vor uns wurde immer deutlicher und mir wurde der Mund trocken. So vermessen nun einen Speer zu werfen war ich nicht. Dies war Alexander vorbehalten, der damit Asien als speergewonnenes Land in seinen Besitz nahm. Ich war guter Hoffnung, dass bei dieser Landnahme auch etwas für mich herausspringen würde. Es konnte losgehen.
6.
Als ich mein Pferd durch das seichte Wasser ans Ufer führte, hatte ich nicht das Gefühl, dass etwas besonderes passierte. Es war ein diesiger Morgen irgendwo bei Abydos. Wir hatten nicht den Hafen angefahren, sondern waren etwas entfernt von der Stadt in einer Bucht an Land gegangen. Nachdem was geschehen war, mussten wir damit rechnen, dass wir auch hier erwartet wurden. Wir waren noch elf Reiter, als wir uns am Ufer Asiens auf die Pferde schwangen. Mir kam keinen Augenblick in den Sinn, dass ich Makedonien niemals wieder sehen würde. Ehrlich gesagt, habe ich es auch später nie vermisst. Es ist meines Vaters Land, und später merkte ich, dass auch Alexander nie Sehnsucht danach hatte, wieder nach Makedonien zurückzukehren. All zu gute Erinnerungen hatte er an Makedonien auch nicht. Es war ihm später nur ein Schoß, der für gute Krieger sorgte.
Wir winkten noch einmal zu dem Kapitän hinüber und ritten auf Troja zu. Als es auftauchte, war ich ziemlich enttäuscht. Eine Hügelkuppe mit einer nicht einmal sehr großen Stadt. Mir lief jedenfalls kein Schauer über den Rücken. Wir ritten auf der persischen Heerstraße weiter. Die Felder waren karst und gelbbraun und staubig. Wir kamen durch einen Ort, der für mich namenlos war und, nach den armseligen Häusern zu schließen, auch keine besondere Bedeutung hatte. Was mir nur seltsam vorkam, war die Stille in dieser Stadt. Keine Menschenseele war zu sehen. In den Seitenstraßen sah ich ein paar Hühner herumlaufen. Irgendwo meckerte eine Ziege. Aber keiner der Bewohner war zu sehen.
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