„Jemand könnte uns sehen“, protestiert sie, sobald ich es versuche.
Ich fahre nach Hause und konzentriere mich aufs Fahren. Wir sprechen kein Wort miteinander.
Als wir ins Schlafzimmer kommen, lege ich meine Hände auf ihre festen Brüste. Ich versuche sie an mich zu drücken, sie zu küssen.
„Nein, Paul! Nicht jetzt! Nicht heute Abend!“
Ich verlasse das Schlafzimmer und stolpere die Treppe hinunter. Ich knirsche vor Wut mit den Zähnen, balle meine Fäuste und strecke meine Finger wieder. Ich will irgendetwas zerbrechen. Alles in diesem Haus will ich zerschlagen, die Wände will ich einreißen, bis ihr das Dach auf ihren verdammten Schädel fällt.
Ich habe nicht >ja< gesagt. Weder zu Simon, noch zu Carmen. Und meine Ehefrau versagt sich mir. Seit sie hinter die Sache mit dem Mädchen aus der Bar gekommen ist, wird es immer schlimmer mit ihr. Ihre Periode dauert neuerdings zehn Tage statt der üblichen fünf. Und immer öfter ist sie abends einfach nur zu müde. Zu müde, um mit mir zu schlafen. Oder sie muss sich noch spät abends irgendeinen verdammten Film ansehen. Dann ist es wieder ein Treffen mit der besten Freundin... um Entschuldigungen ist sie weiß Gott nicht verlegen. Wenn das so weitergeht, kann ich von Glück sagen, wenn wir einmal im Monat Geschlechtsverkehr haben, jedoch nur sehr kurz und oberflächlich.
Ich könnte sie bewusstlos schlagen, und sie dann vergewaltigen. Aber es ginge auch so, ich bin stark genug, sie trotz Periode, >zu müde<, späten Film oder Treffen mit Freundinnen dazu zu zwingen. Ich könnte sie mit einer Hand erwürgen, es wäre mir ein leichtes, ihren hübschen Hals zuzudrücken.
Aber ich will es nicht.
Der Mann, der behauptet, er bekomme es von seiner Frau, wann immer ihm danach sei, ist ein gottverdammter Lügner. Wir kriegen es von ihnen, wenn sie es uns geben wollen!
Brauchen wir rohe Gewalt und stoßen unsere Schwänze in ihre Fotzen, wenn sie es nicht wollen, so bezahlen wir teuer dafür – Tränen, kaltes Schweigen.
Wir begreifen: Ein Orgasmus ist eine Sache von Minuten. Eine Frau jedoch bringt es fertig, noch stundenlang zu heulen. Sie macht dich wahnsinnig damit. Laura hatte mich damals beinahe soweit, als ich betrunken nach Hause kam und sie dazu zwang. Sie weinte stundenlang in dieser Nacht und sprach anschließend kein Wort mit mir. So gesehen bin ich ein jämmerlicher Feigling, denn ich kann eine weinende Frau und ihr eisiges Schweigen danach nicht ertragen.
Mein Handy läutete.
„Hallo?“
„Paul?“
„Hallo Carmen.“
„Hast du dich entschieden, Paul? Simon und ich haben die ganze Zeit gewartet.“
Ihre Stimme ist honigsüß, nur ein wenig angekratzt von den Drinks. Doch scheint sie soweit ganz nüchtern zu sein. Ich lehne mich gegen die Wand. Meine Füße sind bleischwer vor Müdigkeit. Ich rutsche mit dem Rücken die Wand herunter – es ist, als ob man ins Bodenlose abgleiten würde – bis ich auf dem Boden sitze.
„Nein. Wir haben uns noch nicht entschieden.“
„Heute Abend sollte an sich darüber entschieden werden, Paul.“
Süß wie Honig ist ihre Stimme. Ich versuche sie mir vorzustellen, ihre langen Beine, der perfekte Körper, die festen Brüste, die süße Fotze...
Aber das einzige, woran ich mich erinnern kann, ist ihr Gesicht: Da ist die Glätte und Weichheit ihrer Wangen, die Röte ihrer Lippen – eine wundervolle Frau. Ich wollte sie schon immer, seit der ersten Sekunde als ich sie erblickte...
„Ich denke, du hast Recht.“
„Laura sagte, die Entscheidung läge bei dir.“
„Hm.“
Ein endloses langes Schweigen. Ich schlafe unterdessen beinahe ein und komme zu keiner Entscheidung. Noch vor einer oder zwei Stunden in Simons Haus hätte ich >ja< sagen können.
Aber, gesetzt den Fall, ich hätte einer Sache zugestimmt, die nicht im Sinne Lauras gewesen wäre – ich hätte einen hohen Preis bezahlt. Die Entscheidung liegt bei mir... vielleicht macht Laura mit, vielleicht auch nicht. Wenn sie zum Beispiel nur blufft, kann die ganze Sache leicht mit einer Scheidung enden.
Ich will Carmen... aber nur, um sie zu ficken! Laura liebe ich. Carmen hat die ganze Zeit am Telefon gewartet.
„Paul?“
„Hm.“
„Falls du >ja< sagst... wir hätten am Lago di Endine ein Wochenendhaus.“
„Wo ist denn das?“
„Der Lago di Endine ist ein See in der Provinz Bergamo in der italienischen Region Lombardei. Er liegt im Val Cavallina.“
„Italien... hm...“
„Wir könnten schon morgen früh losfahren. Ich nehme meinen neuen Audi. Er sagte, er würde etwas anderes mieten... für sich und Laura...“
„Das hört sich wirklich gut an.“
Schweigen. Ich kann nichts mehr sagen. Ich komme zu keiner Entscheidung.
„Paul?“
„Hm.“
„Ich sollte es dir eigentlich nicht sagen. Aber ich denke, du solltest es dennoch wissen. Simon spielt mit dem Gedanken, dich zum verantwortlichen Bauleiter seines neuen Projektes in Bad Aibling zu machen.“
Ihre Stimme ist nur noch ein Flüstern. Zu gerne würde ich jetzt wissen wollen, wo Simon gerade steckt... Ich habe bereits die Pläne von seinem neuen Bauträgerprojekt gehört: zweiundvierzig Häuser, in gemischter Bebauung, von Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern. Ein verdammt guter Job für einen Bauleiter. Ich würde mir in der Branche einen richtig guten Namen machen. Zwar hatte ich gerüchteweise schon von Simons Absicht gehört, aber ich konnte nicht recht daran glauben. Er hatte mich schon zum Polier gemacht. Warum in aller Welt sollte er mich jetzt auch noch zum Bauleiter machen?
„Ja, ich habe schon davon gehört. Aber was hat das mit unserem Tauschgeschäft zu tun?“
„Absolut nichts. Ich dachte nur, du solltest darüber Bescheid wissen. Bis jetzt hatte ich nur noch nicht die Gelegenheit, es dir zu sagen.“
Sie lügt. Sie versucht nur, ein Druckmittel mit ins Spiel zu bringen. Fest steht: Wenn Simon entschlossen ist zu tauschen, wäre es nicht ratsam, sich seinen Wünschen zu widersetzen. Es könnte allerdings auch sein, dass sie sehr großen Einfluss auf Simon hat. In diesem Falle könnte sie ihn dazu überreden, mir den Job zu geben – wenn ich nett zu ihr bin, das heißt, wenn ich tue, was sie von mir verlangt. Was will sie nun eigentlich?
„Möchtest du, dass wir tauschen, Carmen?“
„Du Idiot.“ Ihre Stimme war süß wie Honig, dann beendete sie abrupt die Verbindung. Sie will, dass wir tauschen. Ich bin ein Idiot. Ein Mann wird von einem Lastwagen überfahren, und ich bin der Idiot, der hinterher fragt: „Sind Sie verletzt?“ Manchmal bin ich aber auch ein Glückspilz: Ich habe Ersparnisse auf der Bank, eine wunderschöne Gartenwohnung im Münchner Westen, eine wunderschöne Ehefrau; und ich bin dabei, mit einem anderen Mann die Frau zu tauschen, das bedeutet, ich bekomme auch noch sein hübsches Weib.
Ich dachte einige Minuten nach. Dann wählte ich Simons Handynummer. Er meldete sich unverzüglich. Als er meine Stimme erkannte, grollte er:
„Um Himmels willen, Paul, sag mir jetzt endlich, ob ihr mitspielt oder nicht!“
„Ja...“, kam meine unsichere Antwort.
„Okay! Gute Nacht.“
„Gute Nacht!“
Ich stieg die Treppe zum Schlafzimmer hinauf und zog mich aus. Laura hatte eine Lampe brennen lassen. Sie hatte die Decke über sich gezogen, ich sah nur ihr langes blauschwarzes Haar und einen schmalen Streifen ihres Gesichts.
„Wir werden es tun, Laura.“
Ich löschte das Licht und stolperte im Dunkeln zu meinem Bett. Ich hörte gedämpfte Laute – als ob Laura weinte... oder schnarchte... oder heftig atmete.
Ich kletterte in mein Bett.
„Laura, hast du gehört, was ich gesagt habe?“
„Ja.“
Ich schließe die Augen. Im Dunkel tanzen helle Lichter. Mein Magen rebelliert. Wenn ich nicht ganz still liege, tief atme und dabei versuche, an nichts zu denken, dann dreht sich alles um mich. Ich habe eindeutig zu viel getrunken.
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