Christina Hupfer
Miro
Flucht aus der Angst
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Inhaltsverzeichnis
Titel Christina Hupfer Miro Flucht aus der Angst Dieses ebook wurde erstellt bei
1 1 Das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Er wird das Recht wahrhaftig halten lehren. Jesaia, 42 *** Verfluchte Scheiße! Er biss sich auf die Lippen und verfolgte abgestoßen aber fasziniert wie der Mann das Gesicht des kleinen Halunken vor ihm auf den Tisch knallte. War das wirklich noch sein distinguiert wirkender Boss, der vorher mit ihm so freundlich und kumpelhaft verhandelt hatte? Mit rebellierendem Magen schaute er zu, wie er ihn wieder hochriss und gnadenlos gegen die Wand schleuderte. Er zuckte zusammen als er den zornigen Fußtritt seines Chefs die empfindlichste Stelle des armen Teufels zielsicher treffen sah, und hatte tatsächlich Mitleid als er dann das zusammengekauerte, wimmernde Bündel anherrschte: „Spätestens morgen Abend ist die Schlampe wieder da, oder wir machen dich so fertig, dass du auch nur noch zum Betteln taugst.“ Er sah zu, wie sich der geprügelte Hund mit gesenktem Kopf zwischen seinen anderen betreten dreinschauenden Kollegen hindurch aus dem kahlen, grell erleuchteten Raum schlich und kleine rote Punkte auf den weißen Fliesen hinterließ. Der wütend irre Glanz seiner Augen, der kurz die seinen streifte, ließ ihn schaudern. Wie sollte der arme Idiot in diesem Zustand diese geflüchtete dumme Kuh wohl einfangen können? Aber eingefangen werden würde sie. Es war ihnen noch nie eine entwischt. Und dann gnade ihr Gott.
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Epilog
Danke
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Götter, Gipfel und Gefahr
Nur eine winzige Spur
Leo, was nun?
Impressum neobooks
Das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen,
und den glimmenden Docht wird er nicht
auslöschen.
Er wird das Recht wahrhaftig halten lehren.
Jesaia, 42
***
Verfluchte Scheiße! Er biss sich auf die Lippen und verfolgte abgestoßen aber fasziniert wie der Mann das Gesicht des kleinen Halunken vor ihm auf den Tisch knallte. War das wirklich noch sein distinguiert wirkender Boss, der vorher mit ihm so freundlich und kumpelhaft verhandelt hatte? Mit rebellierendem Magen schaute er zu, wie er ihn wieder hochriss und gnadenlos gegen die Wand schleuderte. Er zuckte zusammen als er den zornigen Fußtritt seines Chefs die empfindlichste Stelle des armen Teufels zielsicher treffen sah, und hatte tatsächlich Mitleid als er dann das zusammengekauerte, wimmernde Bündel anherrschte: „Spätestens morgen Abend ist die Schlampe wieder da, oder wir machen dich so fertig, dass du auch nur noch zum Betteln taugst.“
Er sah zu, wie sich der geprügelte Hund mit gesenktem Kopf zwischen seinen anderen betreten dreinschauenden Kollegen hindurch aus dem kahlen, grell erleuchteten Raum schlich und kleine rote Punkte auf den weißen Fliesen hinterließ. Der wütend irre Glanz seiner Augen, der kurz die seinen streifte, ließ ihn schaudern. Wie sollte der arme Idiot in diesem Zustand diese geflüchtete dumme Kuh wohl einfangen können? Aber eingefangen werden würde sie. Es war ihnen noch nie eine entwischt. Und dann gnade ihr Gott.
Sie konnte nicht sagen, wie lange sie schon in diesem engen Versteck kauerten. Sie duckte sich immer noch krampfhaft in die Mauerecke und drückte sich eng an den warmen Körper von Rumo. Das tröstliche Gefühl seiner Wärme ließ ganz langsam den parkähnlichen Friedhof weniger dunkel, die Angst weniger heftig, die Schatten weniger grausig, und das Rufen des Käuzchens nicht ganz so unheimlich wirken. Sie zog die belaubten Äste noch etwas dichter heran, ihre Füße noch enger an sich, und schlang den Arm um ihren Freund. Gemeinsam lauschten sie angespannt in die Nacht hinaus. Ein Rascheln in der Nähe des klobigen Grabsteins gegenüber ließ sie zusammenzucken, und nicht weit davon entfernt klatschte etwas laut auf den Boden. Bestimmt nur ein Tannenzapfen, beruhigte sie sich.
Da! Was war das? Nur ein Ast, der knackte? Hinter der Mauer brummte ein Auto vorbei. Stille.
Das Rasseln von Schlüsseln ließ sie erneut aufschrecken. Eine Tür fiel ins Schloss. Es klackte vernehmlich, und schwere Schritte entfernten sich. Weg von diesem düsteren Ort, der ihnen jedoch für den Moment Geborgenheit versprach. Eingesperrt, aber dafür auch von außen nicht zugänglich. Bis morgen früh um acht Uhr, hatte das Schild am Eingang versprochen.
Sie ließ eine gefühlte Ewigkeit verstreichen bevor sie es wagte, sich zu bewegen.
"Ich hol jetzt Wasser, mein Lieber. Ich denke, das ist das Wichtigste, was wir nun brauchen", flüsterte sie und strich Rumo beruhigend über das verletzte Bein. "Bleib du mal hier. Ich bin gleich wieder zurück."
Sie ahnte nur seinen zustimmenden Blick, erhob sich vorsichtig, ignorierte ihre schmerzenden Gelenke und all die wunden Stellen ihres Körpers und griff nach der Gießkanne. Wer immer auch dieses Grab pflegte, zwischen dessen mächtigem Gedenkstein und der Außenmauer, eingerahmt von dichtem Buschwerk, sie sich versteckt hatten; er hatte die Kanne hier deponiert. Also musste man die auch irgendwo mit frischem Wasser füllen können.
Nach allen Seiten sichernd schlich sie sich über die schmalen Wege, die der Mond durch den aufziehenden Oktobernebel nur spärlich beleuchtete, und huschte hinüber zu dem großen hellen Gebäude in der Mitte, auf dem die Schatten der uralten Bäume einen spukhaften Tanz aufführten. Hier wurden die leeren Hüllen von Menschen für ihrer letzte Reise aufgebahrt. Sie hatte keine Angst vor den Toten. Die konnten ihr nichts anhaben. Die Lebenden waren es, vor denen sie sich so entsetzlich fürchtete. Und vor dem Krach, der ihr Herz fast zum Stillstand brachte als sie über den Griff einer Schubkarre stolperte, und dabei deren Inhalt mit Getöse auf dem Plattenweg verteilte. Schreckensstarr wartete sie darauf, dass im nächsten Moment jemand schreiend über sie herfallen würde. Doch nur das weit entfernte Gebell mehrerer Hunde, das kein Ende nehmen wollte, übertönte das wieder einsetzende, panische Getrommel in ihrem Innern. Und das hysterische Bellen ganz in der Nähe. Hinter ihrem Rücken.
„Sch, sch“, rief sie nervös. „Ist ja gut.“ Sie rieb die schmerzende Stelle an ihrem Schienbein und schaute sich suchend um. Irgendwo musste hier doch ein Brunnen sein! Vielleicht da drüben, neben dem süßlich riechenden Komposthaufen? Hoch aufgetürmt lagen dort die ausgedienten Requisiten der zurückliegenden Verabschiedungen: alte Kränze, verwelkte Blumen, Gestecke, Grünzeug, abgeschnittene Äste, Zweige und erdige Wurzeln. Weitere Gießkannen standen in Reih und Glied auf einer Bank vor einer akkurat geschnittenen Hecke. Gartengeräte lehnten ordentlich nebeneinander in einem Gestell, und eine dunkle Gestalt stand regungslos daneben.
Entsetzt schnappte sie nach Luft. Aber es war nur eine vergessene Jacke, die schlaff über einem der Besen hing. Die Nachwirkung des Schreckens ließ sie haltlos zittern, doch die Hoffnung auf frisches Wasser trieb sie vorwärts. Wo war denn nur der Wasserhahn?
Da, an der Hauswand: der kleine schwarze Schatten über einer Art Hocker, das musste er sein! Und sofort war er wieder vergessen, denn die Aufschrift auf der Tür daneben entlockte ihr einen leisen Freudenschrei. Eine Toilette!
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